Wissenschaftskommunikationswissenschaft als Chefsache bei der National Academy of Sciences der USA

Tagungsberichte 

Wissenschaftskommunikationswissenschaft als Chefsache bei der National Academy of Sciences der USA

Bericht von der Konferenz „The Science of Science Communication II“

Washington, D.C., USA, 23.–25. September 2013

von Marc-Denis Weitze, acatech, TU München, und Philipp Schrögel, IFOK, ITAS

Auch wenn der Name an sich schon eine enge Verbindung beinhaltet, wird Wissenschaftskommunikation oft noch eher „aus dem Bauch heraus“ betrieben und nicht nach wissenschaftlichen Kriterien. Zwar gibt es viele erfolgreiche Beispiele für eine geglückte Kommunikation von Wissenschaft und Technologie nach diesem Prinzip, aber für eine weitere Etablierung und Fortentwicklung der Aktivitäten ist eine systematische wissenschaftliche Analyse und Vernetzung der dafür relevanten Forschungsgebiete und bestehenden Aktivitäten unverzichtbar (vgl. Fischhoff/Scheufele 2013; Scheufele 2013). Dazu zählen beispielsweise Erkenntnisse aus Disziplinen wie der Einstellungsforschung, der Pädagogischen Psychologie (z. B. Lern-und Verhaltensforschung), den Fachdidaktiken (z. B. zur Rolle von Alltagsvorstellungen), der Wissenschaftssoziologie (z. B. zu Wechselwirkungen von Wissenschaft, Medien und Öffentlichkeit), der Sprachwissenschaft (z. B. zur Rolle von Metaphern) und der Wissenschaftsgeschichte (z. B. zum Verlauf von Kontroversen).

1    Wissenschaftskommunikationswissenschaft wird zur Chefsache

Die US-amerikanische National Academy of Sciences hat diesen Bedarf erkannt und das Thema in ihren Fokus gerückt. Prominenter Partner der Kolloquien zum Thema „The Science of Science Communication“ ist, neben anderen, die „American Association for the Advancement of Sciences“. Bereits 2012 fand ein erstes Kolloquium zum Thema in Washington, D.C. statt.[1] Im September 2013 fand, wieder in Washington, D.C., die zweite Konferenz zur „Wissenschaftskommunikationswissenschaft“ statt.[2] Die zentralen Fragestellungen dort knüpften an das vorangegangene Kolloquium an: Wie werden Einstellungen und Meinungen gebildet und verändert? Welche Rolle spielen soziale Netzwerke beim Austausch von Informationen? Welche Strategien der Wissenschaftskommunikation gibt es für „politisierte“ Themenfelder?

Die ca. 400 Teilnehmer stammten fast ausschließlich aus den USA und ließen sich im wesentlichen drei Gruppen zuordnen: Kommunikations-Praktiker (z. B. aus Pressestellen oder Kommunikationsabteilungen von Wissenschaftsinstitutionen oder Unternehmen), Kommunikations-Forscher (z. B. aus den Sozial-und Kommunikationswissenschaften) und Naturwissenschaftler (z. B. aus der „Nanotechnologie-Forschung“).

Als besonderes Format des Kolloquiums wurden die Vorträge mit anschließenden moderierten Paneldiskussionen verbunden. Neben den üblichen Fragen und Anmerkungen aus dem Plenum wurde die Diskussion von Kommentatoren durch jeweils zwei kurze, prägnant formulierte Impulse eröffnet. Im weiteren Verlauf wurden Kommentare über Twitter und E-Mail in die Diskussion eingespeist. Die unterschiedlichen fachlichen und institutionellen Perspektiven der Panelteilnehmenden ergaben dabei eine fruchtbare Mischung. Eine weitere Besonderheit war die Arbeit in moderierten Kleingruppen am letzten Konferenztag. Die Teilnehmenden erarbeiteten in vier Themenbereichen (Klimawandel, Evolution, Ernährung und Übergewicht sowie Nanotechnologien) konkrete Ideen, wie die Kommunikation mit der Öffentlichkeit zu diesen Themen besser gestaltet werden könnte. Diese Ideen wurden dann im Abschlussplenum der Konferenz vorgestellt. Somit hatte sich das Kolloquium auch in der Durchführung selbst dem für die Wissenschaftskommunikation geltenden Wandel von Information hin zu Dialog angeschlossen.

2    „Scientific Understanding of the Public“ statt „Public Understanding of Science“

Die Kommunikationschefin der NationalAcademy of Sciences Barbara Kline Pope erläuterte in ihrer Begrüßung den Anlass zu einer tiefergehenden Beschäftigung mit „Science of Science Communication“. Während der Arbeit an der dritten Edition der Veröffentlichung zu „Science, Evolution, and Creationism“ (NAS/IOM 2008) entschloss sich die National Academy of Sciences, nicht mehr nur ihren professionellen Ansichten über gute Wissenschaftskommunikation zu vertrauen, sondern auch die Nutzerperspektive einzubeziehen. Durch die Durchführung von Fokusgruppen und die wissenschaftliche Evaluation der Diskussionen und Rückmeldungen der Teilnehmenden konnten so wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden.

Doug Medin von der Northwestern University (Chicago) plädierte dafür, unterschiedliche kulturabhängige Perspektiven in der Wissenschaftskommunikation zu berücksichtigen. Falls das nicht geschehe, bestehe die (vielleicht paradox anmutende) Gefahr einer Distanzierung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft durch Wissenschaftskommunikation. Als Beispiel nannte er die Frage, wie in Gesellschaften der Platz des Menschen in der Natur gesehen werde, etwa als Teil der Natur oder als deren Bewahrer.

Ann Bostrom, University of Washington, lieferte ein weiteres Beispiel für kulturabhängige Kognition: Dabei ging es darum, wie Leser in Gedanken Bilder aus Texten konstruieren (z. B. Vogelperspektive oder eine Kartenansicht).

Susan Fiske von der Princeton University wies darauf hin, dass Laien oft das klassische Bild von Wissenschaft mit „der einen wahren Antwort“ hätten, das in der Wissenschaftsforschung freilich spätestens seit Thomas S. Kuhn obsolet geworden sei. Sie verwies auf die jahrzehntelange Einstellungsforschung (Sozialpsychologie), in der u. a. die Einflüsse von Einstellungen und Werten auf Kognition untersucht worden seien. Bei Fragen zum Vertrauen in bestimmte Personengruppen – bei denen Lehrer übrigens besser abschnitten als Wissenschaftler – müssten zwei Dimensionen berücksichtigt werden, und zwar die wahrgenommene Haltung (freundlich oder feindlich) sowie das Kompetenzniveau. Wissenschaftler, so plädierte sie abschließend, sollten mit Kommunikation nicht überreden, sondern Unsicherheiten aufzeigen.

Craig Fox, University of California, erinnerte mit Verweis auf die Illusion des Verstehens wissenschaftlicher Prinzipien (Rozenblit/Keil 2002) daran, dass die Grundlagen unserer Entscheidungen grundsätzlich nicht rational seien. Minderheitenmeinungen würde in der Wissenschaftskommunikation (wie man am Beispiel des Klimawandels sehe) überproportionaler Raum gegeben.

Bill Hallmann von der Rutgers University (New Jersey) berichtete aus einer Befragung von Laien, dass diese über das Klonen von Tieren zunächst gerne wüssten, welche Institution oder Person dies durchführt oder plant. Die technischen und wissenschaftlichen Details hingegen spielten nur eine untergeordnete Rolle.

In einer Session zu „Social Networks“ wurde das Thema nicht auf Web-2.0-Trends beschränkt, sondern eine grundlegende Netzwerkanalyse als wichtiger Bezugspunkt diskutiert. Noshir Contractor (Northwestern University) hob hervor, dass die Einstellungen und das Verhalten der Menschen erstaunlich robust seien gegenüber Fakten. Allerdings könne das Wissen um soziale Netze für eine „effiziente“ Wissenschaftskommunikation eingesetzt werden, so etwa die „Sechs Schlüsselprinzipien Sozialen Einflusses“ (Cialdini 2009). Hinsichtlich „neuer“ Medien hätten zwar immer Hoffnungen bestanden, dass dadurch die Demokratisierung und der gesellschaftliche Austausch zunähmen, am Ende würden jedoch nur die bestehenden Netzwerke und Gruppen gestärkt.

In der Session „Political Communication“ diagnostizierte Dietram Scheufele, dass Wissenschaft und Politik zunehmend häufiger aufeinandertreffen werden („most scientific issues are inherently political issues“). Dabei komme gleichermaßen zum Ausdruck, dass die Bürger und Laien ihre Kenntnisse sowohl über Wissenschaft als auch über politische Prozesse überschätzten. Für die Wissenschaftskommunikation müsse man zur Kenntnis nehmen, dass Wahrnehmung von der Perspektive abhänge, und dass es so etwas wie „unframed information“ nicht gebe. Wünschenswert seien daher drei Kernkompetenzen für den wissenschaftsmündigen Bürger: Wissenschaftliche Informationen in der vielfältigen Medienlandschaft auffinden, den Zusammenhang zwischen der Wissenschaft und dem täglichen Leben korrekt identifizieren und Sorgfalt, also die faktisch richtigen Informationen zu extrahieren.

Patrick Sturgis, Southampton University (UK), beschrieb das Feld der Wissenschaftskommunikation als chaotisch und „schmutzig“ (messy), schwierig zu interpretieren und nicht kumulativ. Einige der intuitiven Theorien zur Wissenschaftskommunikation seien schlicht falsch und empirisch widerlegt. Insbesondere dürfe man nicht überschätzen, was Wissenschaftskommunikation leisten könne, etwa vor dem Hintergrund eines generell dürftigen Informationsstandes der Öffentlichkeit. Selbst mit Twitter erreichten Wissenschaftler seiner Ansicht nach keine neuen Zielgruppen.

Die Vorträge und Diskussionen des ersten Tages fasste Baruch Fischhoff von der Carnegie Mellon University (Pittsburgh) zusammen: Dem Programm eines „Public understanding of science“ solle eines des „Better understanding the people/public“ gegenüber stehen. Es gebe ein durchaus breites Instrumentarium zur Wissenschaftskommunikation, und es gebe bereits einige Erfahrung, was in der Wissenschaftskommunikation nicht funktioniere. Daraus müssten Lehren gezogen werden und auch ein „Belohnungssystem“ innerhalb der Wissenschaft für Wissenschaftskommunikation entwickelt werden.

3     Wissenschaftliche Erkenntnisse anwenden, um Wissenschaft effektiv zu kommunizieren

Ralph Cicerone, Präsident der NAS, begrüßte die Teilnehmenden mit der Vision, dass die Menschen auch im Alltag mehr wissenschaftliches Denken pflegen. Er brachte zudem eines der Probleme der Wissenschaftskommunikation gut auf den Punkt: „Wenn man die Sprache in einem fremden Land nicht spricht, hilft es auch nicht, lauter zu schreien.“ Aktuelle Herausforderung, auch dieser Tagung, sei es, die bisher meist im „ordentlichen“, kontrollierten Umfeld durchgeführten Studien der Sozialwissenschaften in die komplexe Welt der Wissenschaftskommunikation zu übertragen und dort nutzbar zu machen.

Kathleen Hall Jamieson, University of Pennsylvania, hielt ein flammendes Plädoyer für das Bewahren der Standards der am „besten verfügbaren (wissenschaftlichen) Belege“. Sie sieht die wissenschaftliche Gemeinschaft, mit ihren Möglichkeiten zur Selbst-Korrektur im Gegensatz zu Journalisten. Damit die Wissenschaft argumentativen oder polemischen Angriffen auf ihre „besten verfügbaren (wissenschaftlichen) Belege“ begegnen könne, sei es notwendig, einen bestmöglichen Konsens innerhalb der Wissenschaft zu erzielen, die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft auf „Erfolgen“ der Vergangenheit aufzubauen und dem parteiischen/ ideologischen Filter entgegenzuwirken. Nick Pidgeon von der Cardiff University (UK) beschrieb verschiedene Möglichkeiten, die Öffentlichkeit in Entscheidungen einzubinden und verwies dabei u. a. auf den Report der Royal Society zu Nanowissenschaften und Nanotechnologie (Dowling et. al 2004, Kap. 7 „Stakeholder and public dialogue“), sowie auf einen Bericht der Royal Academy of Engineering zu Geoengineering (Royal Academy of Engineering 2009). Zur Gestaltung von Partizipation seien für ihn drei Fragen besonders relevant: Wie wird das Thema gerahmt und wie werden die Informationen präsentiert? Welche Bürger werden einbezogen? Was ist der Schwerpunkt der Diskussionen – die Technik oder die gesellschaftlichen Auswirkungen? Rick Borchelt (Department of Energy, Washington, D.C.) kommentierte hierzu, dass dem demokratischen Ideal von Dialog erhebliche praktische Probleme gegenüber stünden.

Davis Masten (Cheskin) und Peter Zandan (Hill/Knowlton) beschrieben Ansätze seitens von Unternehmen, Kunden besser zu verstehen, und strategische Wissenschaftskommunikation zu betreiben: „Wir als Unternehmen haben die Erkenntnisse, die die (Sozial-)Wissenschaften produziert haben, gerne und erfolgreich für unsere Kommunikation genutzt. Mit dieser Konferenz kommen wir quasi wieder zurück, um der Wissenschaft zu zeigen, wie sie ihre eigenen Erkenntnisse anwendet.“ Allerdings müsse man auch die unterschiedlichen Randbedingungen berücksichtigen: Das gesamte eingesetzte Werbebudget in den USA liege bei mehr als einer Billion Dollar (davon 9,5 Milliarden Dollar für Marktforschung); das gesamte Budget für Wissenschaftskommunikation betrage hingegen weniger als eine Milliarde Dollar. Als Potenzial für eine bessere Sichtbarkeit von Wissenschaft in der Gesellschaft nannten sie den Wissenschaftsunterricht in Schulen und Museen. Letztere erreichten bereits große Besucherzahlen. Hier könnte Wissenschaft mit mehr Kommunikation ansetzen.

In einem Panel zu „Influences of Social Networks“ kamen weitere interessante Perspektiven von Unternehmen als Anwender wissenschaftlicher Erkenntnisse auf. Duncan Watts (Microsoft) thematisierte die Frage „Wer sagt was zu wem?“ und verwies auf Untersuchungen aus den 1950er Jahren (Lazarsfeld/Katz 1955): Der zweistufige Informationsfluss über Multiplikatoren sei auch im Web 2.0 gültig. Die Kardinalfrage sei freilich, ob man die „influencers“ im Web 2.0 vorhersagen bzw. identifizieren könne. Retrospektiv sei das durchaus möglich. Das Beispiel Twitter zeige, dass wichtige Indikatoren der lokale Einfluss und die Anzahl der Follower seien, nicht aber die Anzahl der Tweets oder inhaltliche Aspekte.

Deb Roy, Chief Media Scientist von Twitter, beschrieb die Kopplung virtueller Welten an die reale: Beispielsweise sei das Vorkommen des Worts „Sunset“ deutlich an die Uhrzeit gekoppelt. Ähnlich könne man Tweets zu „Ereignissen“ wie z. B. TV-Sendungen analysieren.

Katherine Milkman, University of Pennsylvania, stellte die „Wissenschaft des Teilens“ bzw. das „Teilen von Wissenschaft“ vor. Kern dieses Themas ist die Frage, wie sich vorhersagen lässt, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse wie weit verbreitet werden. Ergebnisse anhand einer Untersuchung von Artikeln in der New York Times zeigten drei Erfolgskriterien, die für die Verbreitung auch von Wissenschaftsthemen nutzbar gemacht werden könnten: persönlicher Nutzen (das Thema ist interessant, überraschend, nützlich), soziale Verbindungen (das Thema ist mit Gefühlen besetzt) und Aktivierung (z. B. werden Entscheidungen beeinflusst).

Auf dem Panel „Narratives“ schließlich beschrieb Michael Dahlstrom von der Iowa State University, dass Geschichten ein nützliches Werkzeug für die Wissenschaftskommunikation seien, wenn auch eher nicht für die wissenschaftsinterne Kommunikation. Geschichten seien der natürlich Modus menschlichen Denkens (vgl. Schank/ Abelson 1995). Freilich gelte es zu bedenken, dass Geschichten intrinsisch wertend seien und den Lesenden beeinflussten (vgl. Bruner 1991). Es stelle sich daher immer die Frage, welche Aspekte lässt man stehen, was abstrahiert man fort, wo wird Genauigkeit zugunsten der Geschichte geopfert?

4    Workshops zur Ideenentwicklung

Der letzte Konferenztag hatte ein für eine wissenschaftliche Tagung ungewöhnliches Format. Er war als Workshopsession angelegt, bei dem die Teilnehmenden in vier Kleingruppen konkrete Ideen entwickeln sollten. Die thematische Struktur der vier Workshops wurde durch die Themenbereiche Klimawandel, Evolution, Ernährung und Übergewicht sowie Nanotechnologien aufgespannt. Die Diskussion innerhalb der Workshops erfolgte in Kleingruppen von sechs bis acht Personen, die jeweils von einem Tischmoderator unterstützt wurden. Die jeweils vier bis fünf Kleingruppen eines Workshops diskutierten an runden Tischen in einem gemeinsamen Raum. Zu Beginn gaben Experten[3] zum jeweiligen Thema kurze Impuls-Vorträge mit Hintergrundinformationen und Denkanstößen. In der anschließenden Gruppenarbeitsphase war jeder dieser Experten einer der Kleingruppen zugeteilt. Die Gruppen hatten die Aufgabe, Herausforderungen in der Kommunikation des jeweiligen Themas zu identifizieren und innovative Ideen und Strategieansätze zu entwickeln. Am Ende stimmte jeder Workshop über die beste Idee ab, die dann im Abschlussplenum allen Konferenzteilnehmenden vorgestellt wurde.

Beispielhaft soll hier ein kurzer Eindruck aus den Diskussionen zum Thema „Nanotechnologien“ gegeben werden. Die in den Impuls-Vorträgen und anschließenden Diskussionen benannten Herausforderungen enthielten an sich keine Überraschungen und reichten von den unterschiedlichen kulturellen Einstellungen zu Technologien und Forschung über fehlendes Kommunikationstraining, belehrende Ansichten in der Wissenschaft gegenüber der Öffentlichkeit („deficit model“), das Framing von Forschung und deren Erkenntnisse sowie die Rolle von wirtschaftlichen Interessen und den Entscheidungsprozessen zur Risikobewertung. Die andiskutierten Ideen gingen u. a. in die Richtung besserer Trainings für Wissenschaftler und besser aufbereiteter Medienformate.

Besonders interessant aus europäischer Perspektive war die Idee, eine Plattform beziehungsweise konkrete Dialogveranstaltungen für den Austausch zum Thema Nanotechnologien zu etablieren, über die die verschiedenen beteiligten Stakeholder aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, aber auch Bürger und zivilgesellschaftliche Organisationen in einen Dialog treten können. Zum einen zeigte sich, welche Rolle das gesellschaftliche und politische Umfeld in den Vereinigten Staaten für die Gestaltung von Dialogangeboten spielt. (In der Diskussion wurde der Wirtschaft eine starke Rolle zugesprochen, während die Anbindung an staatliche Institutionen wie Ministerien und Behörden eher kritisch gesehen wurde. Angesichts des zu diesem Zeitpunkts bevorstehende „Government Shutdowns“ und der kontinuierlichen Finanzierungsprobleme und parteipolitischen Auseinandersetzungen eine nachvollziehbare Perspektive.) Zum anderen zeigte sich, dass Europa hier schon einen Schritt weiter ist[4], da bereits verschiedene Dialogformate zu wissenschaftlichen Themen umgesetzt wurden und nun schon in eine zweite Phase mit neuen Dialogangeboten gestartet werden kann. Gerade im Bereich Nanotechnologien haben die USA zwar viel Pionierarbeit geleistet, beispielsweise durch die „National Nanotechnology Initiative“ und die dadurch geförderte Bürgerbeteiligung und kommunikations-/sozialwissenschaftliche Forschung. Aber die dort beinhalteten Dialoge waren zumeist eher kleinteilig und als explorative Sozialforschung zu einem konkreten Forschungsprojekt angelegt. Übergreifende Dialoge zur grundsätzlichen Gestaltung von Forschung und Forschungspolitik haben nicht stattgefunden.

5    Fazit Wissenschaftskommunikationswissenschaft mit welchem Ziel?

Obwohl Wissenschaftskommunikation ein komplexes Feld ist, das notorisch schwer zu beeinflussen ist und dessen Ergebnisse schwer vorherzusagen sind, ist es dennoch nötig, die wissenschaftliche Analyse in die Diskussion einzubringen und Chancen sichtbar zu machen. An vielen Beispielen wurde bei der Konferenz deutlich, in welcher Weise Wissenschaftskommunikation theoretisch fundiert werden kann, insbesondere mit Methoden der empirischen Sozialwissenschaft und kognitionspsychologischen Befunden.

Allerdings blieb offen, wozu, in welcher Weise und mit welchem Ziel die „Wirksamkeit“ von Wissenschaftskommunikation gesteigert werden solle: Es existiert ein Kontinuum von der Information bis zur Überzeugung, von offener Diskussion über Öffentlichkeitsarbeit bis hin zur gezielten Meinungsbeeinflussung. Ist es beispielsweise legitim, das Framing von Themen aktiv zu beeinflussen, um eine aus Sicht der wissenschaftlichen Gemeinschaft fundierte wissenschaftliche Information in der Öffentlichkeit zu platzieren und gegenüber „anti-wissenschaftlichen“ Argumenten zu verteidigen? Darf Wissenschaftskommunikation auch „die Ellenbogen einsetzen“, um sich in der Auseinandersetzung um die öffentliche Meinung durchzusetzen?

Gerade vor dem teilweise politisch und ideologisch stark gespaltenen Umfeld der USA sind dies zentrale Fragen für „politisierte“ Wissenschaftsfelder, die nicht einfach zu beantworten sind. Aber sie stellen sich genauso für den europäischen Kontext.

Anmerkungen

[1]  Programm: http://www.nasonline.org/programs/sackler-colloquia/completed_colloquia/sciencecommunication.html. Die Artikel zu den Vorträgen sind veröffentlicht unter http://www.pnas.org/content/110/Supplement_3.toc.

[2]  Programm: http://www.nasonline.org/programs/sackler-colloquia/completed_colloquia/agenda-science-communication-II.html.

[3]  Wobei anzumerken ist, dass in diesem Beispiel auch die Teilnehmenden selbst prinzipiell Experten sind, und die hier benannten „Experten“ vorwiegend durch ihre Rolle im Workshopverlauf hervorgehoben sind.

[4]  Vgl. auch http://www.involve.org.uk/blog/2010/06/01/europe-ahead-of-us-in-science-dialogue/.

Literatur

Bruner, J., 1991: The Narrative Construction of Reality. In: Critical inquiry 18/1 (1991), S. 1–21

Cialdini, R.B., 2009. Influence: The Psychology of Persuasion. New York, NY

Dowling, A.; Clift, R.; Grobert, N. et al., 2004: Nanoscience and Nanotechnologies: Opportunities and Uncertainties. The Royal Society & The Royal Academy of Engineering Report. London, S. 61–64

Fischhoff, B.; Scheufele, D., 2013: The Science of Science Communication. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 110/3 (2013), S. 14031–14032

Lazarsfeld, P.F.; Katz, E., 1955: Personal Influence: The Part Played by People in the Flow of Mass Communications. Glencoe, Illinois

NAS – National Academy of Sciences; IOM – Institute of Medicine, 2008: Science, Evolution, and Creationism. Washington, D.C.

Royal Academy of Engineering, 2009: Geoengineering: Challenges and Global Impacts. Institute of Physics, London

Schank, R.C.; Abelson, R.P., 1995: Knowledge and Memory: The Real Story. In: Wyer, R.S. (Hg.): Knowledge and Memory: The Real Story. S. 1–85

Rozenblit, L.; Keil, F., 2002: The Misunderstood Limits of Folk Science: An Illusion of Explanatory Depth. In: Cognitive Science 92 (2002), S. 1–42

Scheufele, D., 2013: Communicating Science in Social Settings. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 110/3 (2013), S. 14040–14047