Jahrestagung des AKTAB "TA in der Technologiepolitik und Innovationsförderung" (Tagungsbericht)

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Jahrestagung des AKTAB "TA in der Technologiepolitik und Innovationsförderung"

Düsseldorf, 23. November 1999

Tagungsbericht von Kirsten Tacke, Transferzentrum für angepasste Technologien (TaT), Rheine

Am 23. November des letzten Jahres fand in Kooperation mit der VDI-Hauptgruppe im VDI-Haus in Düsseldorf die Jahrestagung 1999 des Arbeitskreises Technikfolgenabschätzung und -bewertung des Landes Nordrhein-Westfalen (AKTAB) statt. Das Thema der Tagung lautete "TA in der Technologiepolitik und Innovationsförderung". Ziel der Veranstaltung war es, sowohl eine bilanzierende Rückschau als auch eine Vorschau auf den Bedarf und die Umsetzung von TA in der Technologiepolitik und -förderung vorzunehmen. In einer kritischen Standortbestimmung sollten Erfolge und Misserfolge, Profilierungsnotwendigkeiten und Perspektiven der TA als politikberatendes Instrument bestimmt und diskutiert werden. An der Veranstaltung nahmen etwa 40 Vertreter und Vertreterinnen aus TA-Institutionen sowie aus Politik und Verwaltung auf Bundes- und Landesebene teil.

Im Zentrum der Vorträge und Diskussionen standen drei zentrale Fragestellungen:

Für den Arbeitskreis Technikfolgenabschätzung und -bewertung NRW weisen diese Fragen einen wesentlichen Bezug zu einer kritischen Überprüfung und Neuausrichtung der eigenen Aktivitäten auf - versteht es der AKTAB doch als eine seiner wichtigsten Aufgaben, den Landtag und die Landesregierung in der Entscheidungsvorbereitung im Bereich der Technologiepolitik und Innovationsförderung zu beraten und zu begleiten. Das Programm der Tagung bestand aus drei Vorträgen und einer anschließenden Podiumsdiskussion. PD Dr. Manfred Mai von der Universität Gesamthochschule Essen eröffnete die Reihe der Vorträge mit einem Beitrag zum Thema "Politikberatende TA - Eine bilanzierende Rückschau". Kern des Vortrages war eine Skizze und kritische Analyse der Rolle der Technikfolgenabschätzung in der Technologiepolitik seit den späten 60er Jahren: Technikbewertung sei Anfang der 70er Jahre eingeführt worden, um die längerfristigen und unbeabsichtigten Folgen technischer Systeme für die Umwelt und Gesellschaft bei politischen Entscheidungen berücksichtigen zu können. Die Idee der Technikbewertung entstand in der Phase des Planungsoptimismus. Spätestens seit Mitte der 80er Jahre sei angesichts zahlreicher Fehlplanungen und -prognosen der Steuerungsoptimismus durch einen Steuerungspessimismus abgelöst worden. "Die ursprüngliche Idee der Technikbewertung ist heute mehr oder weniger von der politischen Agenda verschwunden und wird von den organisierten Interessen kaum noch eingefordert. Die politische Agenda wird derzeit geprägt durch die Probleme bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Integration Europas und anderes mehr. Dennoch: großtechnische Systeme und Innovationen sind nach wie vor die vielleicht wichtigsten Ursachen für den sozialen und kulturellen Wandel." Allein aus diesem Grund müsse, wie Mai sagte, Technikbewertung eine Daueraufgabe der Politik bleiben. Technikbewertung auch als Instrument der Politikberatung bleibe jedoch schwach, wenn kein gesellschaftlicher Konsens über die Notwendigkeit ihrer Institutionalisierung bestehe.

Die ingenieurwissenschaftliche Perspektive wurde durch den Vortrag "Gute Technikbewertung ist Technikgestaltung für morgen" von Prof. Dr.-Ing. Klaus Henning, RWTH Aachen, aufgegriffen. Henning bezog als Vorsitzender der VDI-Hauptgruppe und Mitglied des VDI-Präsidiums gleich zu Anfang eine klare Position zur Adressatenfrage von TA: "Es ist mir wichtig, hier zu sagen, dass Technik nicht von Politikern und nicht von Sozialwissenschaftlern und nicht von Psychologen gemacht wird, sondern von Ingenieuren. Technikbewertung, die ohne Ingenieure durchgeführt wird, macht wenig oder keinen Sinn." Politik könne in ihrer Gesamtverantwortung Chancenpotentiale von Technik fördern sowie Prozesse initiieren, die negative Nebenfolgen von Technik begrenzen. Die konkrete Gestaltung von Technik müsse jedoch immer von Ingenieuren und Ingenieurinnen geleistet werden. Im besonderen Maße plädierte Henning für ein neues Denken in seiner Fachdisziplin. Statt "Tüftler und Bastler" seien heute interdisziplinär denkende Gestalter komplexer technischer Systeme gefragt. Vor diesem Hintergrund sei es für eine erfolgreiche Technikbewertung von unmittelbarer Notwendigkeit, dass diese handlungsorientiert und praxisnah sei. Nur dann würde Technikbewertung ein hilfreiches Instrument für Ingenieure darstellen und einen Beitrag zur Technikgestaltung von morgen leisten.

Dr.-Ing. Eike Schwarz, Vertreter des Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, trug zum Thema "Technologieförderung als vorausschauende Politik" vor. Vor dem Hintergrund einer ausführlichen Beschreibung der aktuellen Umfeldsituation der Technologiepolitik versuchte Schwarz eine Standortbestimmung der TA im Bereich der Politikberatung zu leisten. Sein Fazit gleich vorweg: In der gegenwärtigen, durch äußeren Handlungsdruck geprägten politischen Situation werde TA unter Umständen eher als hinderlich denn als hilfreich empfunden. Als primäre Ursachen des unmittelbaren Handlungsdrucks führte Schwarz, neben einer zunehmenden Globalisierung, beschleunigte Innovationszyklen und einen unaufhaltsamen weltweiten Strukturwandel an: "Über die Position einer Volkswirtschaft in der Welt bestimmen heute die rechtzeitige Verfügbarkeit und die gewinnbringende Vermarktung weltmarktfähiger Technologieprodukte", sagte Schwarz. Er könne zwar auch nur die Notwendigkeit einer vorausschauenden Bewertung staatlich geförderter Techniken unterstreichen, müsse aber auf die Problematik hinweisen, dass Expertenaussagen in diesem Bereich auch nur Meinungen und keine unumstößlichen Tatsachen darstellen. Für die Politik ergebe sich daraus das Dilemma, drängende Fragen auf Grundlage eines unsicheren Wissens entscheiden zu müssen. Diese Umstände, so sein Befund, erschweren den im Grunde notwendigen Einsatz von TA in der Technologiepolitikberatung.

Die Referenten standen den Teilnehmern im Rahmen einer Podiumsrunde zu einer Diskussion zur Verfügung. Das vorläufige Resümee der Tagung lässt sich in aller Kürze auf einen Satz bringen: TA erscheint - trotz aller Schwierigkeiten - inzwischen als ein notwendiges Element einer vorausschauenden Technologiepolitik und Innovationsförderung. Übereinstimmung bestand bei den Teilnehmern dahingehend, dass eine nachhaltige Technikgestaltung nur dann gelingen kann, wenn neben der Politik auch andere gesellschaftliche Akteure daran mitwirken.

Die ausführliche Dokumentation der AKTAB-Jahrestagung ist in Vorbereitung. Interessierte können sich an die Geschäftsstelle des AKTAB unter folgender Kontaktadresse wenden:

TaT Transferzentrum für angepasste Technologien
Hovesaatstr. 6
D-48432 Rheine
Tel.: + 49 (0) 5971 / 990-113
E-mail: aktab∂tat-zentrum.de