Schwerpunktthema - Stoffstromanalysen
Ein Beitrag zur Bewertung des Stoffhaushaltes von Metallen
Ein Beitrag zur Bewertung des Stoffhaushaltes von Metallen
von Dipl. Ing. Dr. Helmut Rechberger, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich
Schwermetalle stellen einen wesentlichen Bestandteil des Güter- und Stoffumsatzes entwickelter Volkswirtschaften dar. Dabei werden sie einerseits in Veredelungsprozessen konzentriert, andererseits in Konsumprozessen verdünnt und emittiert. Es wird eine Methode vorgestellt, die es erlaubt, diese Vorgänge zu quantifizieren. Die neue Messgröße kann als ein Bewertungsindikator auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Metallbewirtschaftung herangezogen werden.
Einleitung
Moderne Volkswirtschaften setzen steigende Mengen an materiellen Gütern pro Zeiteinheit um. Dieser Anstieg ist durch Statistiken gut dokumentiert und zeigt für die meisten Güter eine ähnliche Verbrauchsentwicklung, nämlich, dass ca. 80-90% des Gesamtverbrauches in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stattgefunden haben und der Trend ein weiter steigender ist. Metalle gehören dabei massemäßig nicht zu den dominierenden Gütern. Sie stellen einen Anteil < 10 % an den konsumierten anorganischen Gütern dar (Baccini und Bader 1996). Sie sind jedoch auf Grund ihrer chemisch-physikalischen Eigenschaften wichtig für die Produktion von Gütern und in der Regel relevant für den Umweltschutz. Das bedeutet, Metalle sind wesentliche Ressourcen und potenzielle Schadstoffe und bedürfen daher einer kontrollierten Bewirtschaftung und Steuerung innerhalb der Volkswirtschaft. Eine Grundlage dazu leisten Stoffbilanzen [1] , die den Weg eines Metalls vom ursprünglichen Erz über die Verarbeitung, Nutzung, Wiedergewinnung (Recycling) und kontrollierten Entsorgung in Deponien bis hin zur diffusen Emission und Ablagerung in der Umwelt zeichnen. Sobald diese Zusammenhänge bekannt und geeignete legistische, ökonomische oder technische Stellgrößen identifiziert sind, kann der Stoffhaushalt des Systems (hier der Volkswirtschaft) verbessert werden. Hierbei spricht man meist davon, das System nachhaltiger zu gestalten. Nachhaltigkeit als Paradigma, Konzept oder Zielvorstellung ist dabei technisch-physikalisch nicht einfach und eindeutig zu beschreiben. Um entscheiden zu können, ob eine bestimmte Maßnahme ein System nachhaltiger macht, bedient man sich häufig so genannter Indikatoren, die im besten Fall einige Aspekte des Nachhaltigkeitskonzeptes berücksichtigen und in einer für Vergleichszwecke geeigneten Maßzahl resultieren. In diesem Beitrag wird eine derartige Maßzahl dargestellt, welche auf der Statistischen Entropie aufbaut und direkt auf Stoffbilanzen angewandt wird. Sie quantifiziert jedoch lediglich die Qualität der Steuerung des jeweils untersuchten Stoffes im betrachteten System. Inwieweit Maßnahmen zur optimierten Steuerung dieses Stoffes Auswirkungen auf den Stoffhaushalt anderer Stoffe haben, muss durch eine geeignete Auswahl anderer relevanter Stoffe für das untersuchte System geklärt werden. Ökonomische, toxikologische und energetische Aspekte müssen durch andere Indikatoren abgedeckt werden. Die im Weiteren abgeleiteten Aussagen bzgl. der Optimierung oder Lenkung eines Systems in Richtung Nachhaltigkeit beziehen sich immer nur ausschließlich auf den Stoffhaushalt des untersuchten Stoffes und müssen nicht für andere Indikatoren gelten.
Beispiel Kupferhaushalt Europa
In Abbildung 1 ist der Kupferhaushalt für Europa im Jahr 1994 dargestellt (Spatari et al. 2002). Der Weg des Kupfers in das System Volkswirtschaft beginnt als Erz (Kupfergehalt: 0,5-1 % Cu). Dieses wird in Erzbrechern zerkleinert und in Kugelmühlen gemahlen. Die Erzanreicherung zu Kupferkonzentrat erfolgt in Flotationsanlagen. Es entsteht ein Abfall, die so genannte Gangart (0,1 % Cu), bestehend aus den Gesteinskörnchen, welche in der Flotation auf den Boden sinken. Oxidische Kupfererze, die wesentlich seltener auftreten, werden nassmetallurgisch durch Laugung in Schwefelsäure und anschließender Extraktion und Elektrolyse des Kupfers behandelt. In der gezeigten Darstellung wird angenommen, dass alles Kupfererz sulfidischer Herkunft ist. Kupferkonzentrat mit einem Gehalt von ca. 20-30 % wird in Hütten schmelzmetallurgisch zu so genanntem Blisterkupfer (96-99 % Cu) verarbeitet, dabei entsteht Schlacke (0,7 % Cu). In einem letzten Verfahrensschritt, durch Feuer-Raffination und Raffinationselektrolyse, wird Kupferkathode (> 99,9 % Cu) hergestellt. Dieses reine Kupfer wird zu Halbzeugen wie Drahtbarren, Stangen und Walzplatten gegossen, die zu Gebrauchsgütern weiterverarbeitet werden. Diese kann man z. B. trennen in Güter, in welchen Kupfer in reiner Form (1-50 % Cu) und Güter, in denen Kupfer als Legierung vorkommt (1-40 % Cu). Produktionsabfälle (80-99 % Cu) werden entweder sofort wieder eingeschmolzen und wieder verarbeitet oder gehen zurück in die Hütte. Die Aufenthaltszeit der Güter im Prozess Konsum beträgt zwischen einigen wenigen Jahren bis zu mehreren Jahrzehnten. Aus der Bilanz des Prozesses ergibt sich ein Nettofluss in das Lager, d. h., dass mehr Kupfer in Gebäude und Infrastruktur eingebaut als obsolet und zu Abfall wird. Die Abfälle (0,1-5 % Cu) gelangen in die Abfallwirtschaft, wo durch Sammel- und Sortierprozesse ein Teil des Abfallkupfers wieder rezykliert wird. Dieser Kupferschrott hat einen Gehalt zwischen 20 und 99 %. Der andere Teil gelangt in Deponien. Dieses sehr grobe Kupferfließbild ist beschränkt auf die massenmäßig relevanten Kupferflüsse. Jegliche Emissionen von Kupfer in die Atmosphäre, Hydrosphäre und den Boden werden damit hier nicht abgeschätzt. Ob sie aus ressourcenbezogener Sicht relevant sind, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden.
* Die Zahlen in ( ) stehen für ein Europa, das seinen Cu-Bedarf selbst deckt. Dies wirkt sich unter anderem im erhöhten Anfall an Primärproduktionsabfällen (Gangart und Schlacke) im System aus.
Abb. 1: Kupferflüsse in kt/a für Europa im Jahr 1994 nach Spatari et al. 2002 *
Will man nun dieses vereinfachte Europäische Kupfersystem analysieren, so fällt zu allererst auf, dass Europa bzgl. Kupfer nicht autark ist. Es besteht ein Nettoimport von rund 2000 kt/a, was in etwa der dreifachen Menge des in Europa abgebauten Kupfers entspricht. Das wiederum bedeutet, dass beträchtliche Mengen an Primärproduktionsabfällen außerhalb der Systemgrenze anfallen. Um eine objektive Bewertung durchzuführen, ist es daher notwendig, das System dahingehend zu adaptieren, dass alle Produktionsprozesse innerhalb der Systemgrenze liegen. Ebenso werden zuvor exportierte Güter innerhalb des Systems verbraucht und Recycling-Kupfer von außerhalb wird nicht berücksichtigt, was sich in einer schlechteren Recyclingeffizienz der Europäischen Abfallwirtschaft ausdrückt. Die geänderten Kupferflüsse für das erweiterte System (autarkes Europa) sind in Abbildung 1 in Klammern dargestellt.
Das Konzept der Statistischen Entropie
Kupfer gelangt somit im System ausgehend vom Erz in verschiedenste Güter und weist in diesen unterschiedlichste Gehalte auf, die von Konzentrationen < 0,1 % in einzelnen Gütern und Abfällen bis zu 99,99 % in Kathoden-Kupfer reichen können. Wir wollen hier auf die analytische und mathematische Herleitung und Anwendung der Statistischen Entropie auf Stoffbilanzen verzichten. Hierzu sei auf Rechberger (1999) und Rechberger und Brunner (2002 a, b) verwiesen. Im Folgenden genügt es, sich die Entropie als ein Maß für die Unordnung in einem System vorzustellen. Das sei an einem einfachen Beispiel erläutert: Wir betrachten 1 Tonne Kupfererz mit einer Konzentration von 1 % Cu. Dieses Erz gelangt nun in einen fiktiven, jedoch technisch realisierbaren Aufbereitungsprozess, der 50 % des Kupfers aus dem Erz extrahiert. Man erhält 10 kg Kupferkonzentrat (50 % Cu) und 990 kg Abfall mit ca. 0,5 % Cu. Es ist offensichtlich, dass das Kupfer nach der Behandlung durch den Prozess in einer geordneteren und konzentrierteren Form als vor der Behandlung vorliegt. Die maximale Ordnung wäre gegeben, wenn der Prozess das Erz vollständig in das reine Metall überführen könnte. Das Resultat wären 10 kg reines Kupfer und 990 kg Gestein (0 % Cu). Diese verschiedenen Verteilungen (Ordnungszustände) des Kupfers können mit Hilfe der Statistischen Entropie quantifiziert werden (vgl. Abb. 2).
* (a) Der reale Prozess konzentriert einen Teil des Kupfers im Erz. (b) Der theoretische Prozess extrahiert das Kupfer vollständig. Die Zustände 1 und 2 resp. 2´ werden als "Verteilungen" des Kupfers bezeichnet. Ein Prozess transformiert demnach Verteilungen. Die Breiten der Pfeile stehen für den Massenfluss, die Graustufen für die Kupferkonzentrationen (weiß = 0% Cu, schwarz = 100% Cu).
Abb. 2: Entropieänderung (1 ? 2) durch Konzentrierungsprozesse *
Wendet man nun die Methode der Statistischen Entropie Analyse auf das in Abbildung 1 dargestellte Kupferfließbild an, so erhält man den in Abbildung 3 gezeigten Entropieverlauf (Rechberger und Graedel 2002). Wir verfolgen dabei eine bestimmte Menge an Kupfer (z. B. 1 kg) auf seinem Weg durch das System. Die Statistische Entropie ist dabei standardisiert und als Relative Statistische Entropie (RSE) eine Maßzahl im Intervall [0,1]. Sie wird 0, falls das 1 kg Kupfer in reiner Form vorliegt. Das Maximum 1 ist so festgelegt, dass es gegeben ist, wenn das 1 kg Kupfer mit anderen Materialien derart vermischt ist, dass die Mischung den Kupfergehalt der durchschnittlichen Erdkruste aufweist. Wir definieren diesen Zustand als jenen der maximalen Entropie. Das Kupfer wäre in diesem Fall praktisch verloren, da man dann genauso gut die "gewöhnliche" Erdkruste zur Kupfergewinnung bearbeiten könnte.
Abb. 3: Verlauf der Relativen Statistischen Entropie für die Kupferverteilungen im System "Autarkes Europa". Der Trend für das Gesamtsystem ist ausgeglichen
Es zeigt sich, dass Kupfererz mit 1 % Kupfergehalt mit einem mittleren Wert auf dieser Entropieskala quantifiziert wird. Die Primärproduktion von sehr reinem Kathoden-Kupfer reduziert diesen Wert beträchtlich, jedoch wird die RSE für die Verteilung 2 nicht gleich 0, da der Prozess der Primärproduktion große Mengen an kupferhaltigen Abfällen produziert. Diese "Verluste" drücken sich im Abstand zur Nulllinie im Diagramm aus. Die Verarbeitung von Kupfer zu Halbzeugen und Gebrauchsgütern stellt eine Verdünnung mit anderen Materialien dar. Einerseits wird Kupfer mit anderen Metallen legiert, andererseits wird reines Kupfer in Gütern eingesetzt (z. B. Drahtwicklung in Elektromotoren). Der Konsum von Ver- und Gebrauchsgütern kann eine weitere Verdünnung darstellen. So werden z. B. Kupferrohre und Stromkabel in Wänden verlegt. Nach einigen Jahren bis Jahrzehnten gelangen dann Abfälle mit relativ geringen Kupfergehalten in die Abfallwirtschaft (Bertram et al. 2002). Kupfer wird hauptsächlich rezykliert aus Bauabfällen, Altautos und Elektronikschrott. Dadurch wird die RSE am Ende des Lebenszyklus wieder reduziert. Das Gesamtbild zeigt, dass die RSE ca. 50 % des Intervalls zwischen 0 und 1 durchläuft, der Endpunkt (Verteilung 5) jedoch in etwa mit dem des Anfangs (Verteilung 1) übereinstimmt. Das bedeutet, dass die derzeitige Art der Kupferbewirtschaftung (ohne Emissionen etc. von Kupfer zu berücksichtigen) das Metall gesamt gesehen weder signifikant verdünnt noch konzentriert. Dies gilt nicht für alle Metalle, wie das folgende Beispiel Zink zeigt.
Beispiel Globaler Zinkhaushalt
In Abbildung 4 ist eine grobe Bilanz des globalen Zinkhaushaltes dargestellt. Zink wird zu etwa 40 % als Korrosionsschutz für Stahl eingesetzt. Auch die Anwendung in Chemikalien als Spurenelement ist im Vergleich zu Kupfer, für das diese dissipative Anwendung < 1 % ist (Graedel et al. 2002), hoch. Dies spiegelt sich auch in einer von Kupfer wesentlich abweichenden Entropiekurve wider (vgl. Abb. 5). Hier sind Anfangs- und Endpunkt des Entropietrends über den Lebenszyklus nicht auf derselben Höhe der Skala. Gesamthaft gesehen weist die Entropie also einen steigenden Trend auf. Das bedeutet, dass Zink am Ende des Lebenszyklus in einer verdünnteren Form (höhere Dissipation oder Grad der Unordnung) als zu Beginn vorliegt. Eine derartige Metallbewirtschaftung ist mit Sicherheit als nicht nachhaltig zu bezeichnen, da sie nicht beliebig lange fortgesetzt werden kann. Auch das Gegenteil, nämlich ein fallender Trend, ist nicht Garant für eine nachhaltige Metallbewirtschaftung.
* Zusammenstellung auf Basis von Daten aus IZA 2000, Landner & Lindeström 1998, Gorter 1990 und eigenen Abschätzungen zum Zinkgehalt der wesentlichen Abfallkategorien.
Abb. 4: Globale Zinkflüsse in Mt/a für 1996
Nachhaltige Bewirtschaftung einer Ressource ist nur gegeben, wenn die damit verbundenen anderen Stoff- und Energieflüsse selbst nachhaltig und auch ökonomisch und sozial verträglich sind. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob nicht erneuerbare Ressourcen wie Kupfer und Zink überhaupt nachhaltig bewirtschaftet werden können, da es aus naturgesetzlichen Gründen bei endlichem Energieeinsatz keine vollständig geschlossenen Kreisläufe gibt und immer ein Teil des Stoffdurchsatzes zu Abfall wird. Diese Einwände gehen jedoch über den Rahmen dieses Beitrags hinaus. Mit Sicherheit kann man sagen, dass für nicht erneuerbare Ressourcen eine notwendige Bedingung für eine Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit durch fallende Entropietrends gegeben ist. Derartige Trends werden erreicht, indem so genannte dissipative Anwendungen und Verluste minimiert werden und effizientes Recycling betrieben wird. Das bedeutet, dass punktförmige (z. B. Emissionen aus dem Kamin einer Kupferhütte) und flächenhafte (z. B. Abrieb von Autoreifen und Bremsklötzen) Emissionen gering sein müssen und der Einsatz von Metallen als Additiv und Begleitstoff in geringen Konzentrationen in der Regel zu vermeiden bzw. die Notwendigkeit eines solchen Einsatzes im Einzelfall zu hinterfragen ist.
Eine Vorstellung, inwieweit Emissionen den Entropietrend beeinflussen können, zeigen die Abbildungen 4 und 5. Im System "Globaler Zinkhaushalt" wird angenommen, dass 40 % des als Korrosionsschutz eingesetzten Zinks über die Lebensdauer des verzinkten Produktes in die Umwelt gelangen. Die dadurch hervorgerufene Änderung im Entropietrend ist in Abbildung 5 dargestellt. Das Resultat ist eine weitere Verschiebung in Richtung einer nicht nachhaltigen Entwicklung. Dieses Beispiel gibt einen ersten Eindruck über die Relevanz von Emissionen. Diese treten im Prinzip entlang des gesamten Lebenszyklus auf, sind jedoch teils nur sehr vage bzw. gar nicht abzuschätzen. Dazu gehören direkte Emissionen aus der Primär- und Güterproduktion, langfristige Emissionen aus den abgelagerten Primärproduktionsabfällen und jene Emissionen, die aus dem Konsum, Gebrauch und der Entsorgung von Gütern herrühren. Aufgrund der unterschiedlichen Anwendungen und Einsatzbereiche kann man davon ausgehen, dass diese Stoffflüsse für Zink eine größere Bedeutung als für Kupfer haben.
* Der steigende Trend für das Gesamtsystem bedeutet eine nicht nachhaltige Bewirtschaftung von Zink.
Abb. 5: Verlauf der Relativen Statistischen Entropie für die Zinkverteilungen im System "Globaler Zinkhaushalt" *
Der Beitrag der Abfallwirtschaft
Die dargestellten Entropietrends machen klar, dass der Abfallwirtschaft am hinteren Ende des Systems eine bedeutende Rolle zukommt. Indem für den jeweiligen Abfall maßgeschneiderte konzentrierende Prozesse eingesetzt werden, kann der Endpunkt des Entropietrends, in den dargestellten Beispielen die Verteilung 5, zu kleineren RSE-Werten verschoben und gesamthaft der Metallhaushalt optimaler gestaltet werden. Zu den konzentrierenden Abfallwirtschaftsprozessen gehören etwa nach stofflichen Kriterien ausgerichtete Sammel- und Sortierprozesse, selektiver Rückbau von Gebäuden und Infrastruktur und Müllverbrennungsanlagen nach dem Stand der Technik. Letztere erreichen für Siedlungsabfälle eine Reduzierung der RSE für einzelne Metalle von bis zu 50 % (Rechberger 1999). Höhere Werte sind technisch möglich, jedoch besteht kaum Nachfrage für solche weiterentwickelten Verfahren, da sie als zu teuer in den Investitions- und Behandlungskosten gelten und technisch als zu wenig erprobt eingestuft werden. Prinzipiell muss jedoch festgehalten werden, dass die Aufkonzentrierung von Stoffen technisch schwierig, aufwändig und daher teuer ist. Verdünnen (Mischen) von Stoffen ist dagegen verfahrenstechnisch die einfachere Aufgabe und daher ökonomisch in der Regel wesentlich günstiger zu erreichen. Billige Verdünnungsverfahren können jedoch keinen Beitrag zur geforderten konzentrierenden Wirkung der Abfallwirtschaft leisten. Aus diesem Grund ist die Steuerung relevanter Metallflüsse in abfallwirtschaftliche Verdünnungsprozesse möglichst zu vermeiden. Diese Forderung sollte bspw. beim Erstellen von Auflistungen geeigneter Abfälle (so genannter Positivlisten) für industrielle Verbrennungsprozesse berücksichtigt werden. Je mehr ein Verfahren in der Lage ist, nicht erneuerbare Ressourcen zu konzentrieren, desto größer sollte der ihm zugeteilte Stofffluss sein. Derzeit wird das Konzentrierungspotenzial von Abfallbehandlungsanlagen noch nicht in der abfallwirtschaftlichen Planung eingesetzt.
Ein zweiter Grund für die steigende Bedeutung der Abfallwirtschaft kann aus den Abbildungen 1 und 4 gefolgert werden. Der Prozess "Konsum" befindet sich nicht im Fließgleichgewicht, der Input ist größer als der Output. Der daraus resultierende Lageraufbau in Form von Gebäuden, Infrastruktur und langlebigen Gütern fand in den vergangenen fünf bis zehn Jahrzehnten statt. Die durchschnittliche Aufenthaltszeit der Güter im Lager beträgt einige Jahrzehnte. Das bedeutet, dass zukünftig mit einem erhöhten Output an Gütern aus dem Lager im Prozess Konsum und damit einem Anstieg an potenziellen Abfällen zu rechnen ist. Vereinfacht ausgedrückt: Das Lager von heute stellt die Abfälle und/oder Ressourcen von morgen dar. Durch die zeitliche Pufferwirkung sollte es möglich sein, die Abfallwirtschaft den zu erwartenden steigenden Abfallmengen kontinuierlich anzupassen und die geeigneten Konzentrierungsstrategien für wesentliche Ressourcen zu entwickeln. Erste Abschätzungen zeigen, dass mit heute bereits verfügbaren Methoden und Techniken die zukünftig anzustrebenden fallenden Gesamttrends der Messgrösse "Relative Statistische Entropie" zu erreichen sind. Eine Voraussetzung dafür ist jedoch auch eine bessere Kenntnis über die stoffliche Zusammensetzung des Lagers in absoluter, räumlicher und kategorialer Hinsicht. Dies stellt einen zentralen Forschungsschwerpunkt der Gruppe "Stoffhaushalt und Entsorgungstechnik" an der ETH Zürich dar.
Anmerkung
[1] Im Folgenden wird der Begriff "Stoff" gemäß seiner Definition in der Chemie (z. B. Atkins & Beran 1990) und im Sinne der Methode der Stoffflussanalyse nach Baccini & Brunner 1991 verwendet: Ein Stoff besteht aus gleichartigen Atomen (Element: Cd, C) oder Molekülen (Verbindung: CdCl2, CO2).
Literatur
Atkins, P.W.; Beran, J.A., 1990:
General Chemistry. 2nd Edition. W.H. Freeman and Company. Scientific American Books. S. 31.
Baccini, P.; Bader, H.-P., 1996:
Regionaler Stoffhaushalt. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag; S. 28.
Baccini, P.; Brunner, P.H., 1991:
Metabolism of the anthroposphere. Heidelberg: Springer Verlag.
Bertram, M.; Graedel, T.E.; Rechberger, H.; Spatari, S., 2002:
The contemporary European copper cycle: The waste management subsystem. Ecological Economics, accepted.
Gorter, J., 1990:
Zinc balance for the Netherlands. In: Material flow accounting: Experience of statistical institutes in Europe. Statistical Office of the European Communities, Brussels, 205-239.
Graedel, T.E.; Bertram, M.; Fuse, K.; Gordon, R.B.; Rechberger, H.; Spatari, S., 2002:
The Characterization of Technological Copper Cycles. Ecological Economics, accepted.
IZA (International Zinc Association), 2000:
Zinc Recycling. Brussels, Belgium.
Landner, L.; Lindeström, L., 1998:
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Rechberger, H., 1999:
Entwicklung einer Methode zur Bewertung von Stoffbilanzen in der Abfallwirtschaft. Wiener Mitteilungen, Wien: Institut für Wassergüte und Abfallwirtschaft.
Rechberger, H.; Graedel, T.E., 2002:
The European copper cycle: Statistical entropy analysis. Ecological Economics, submitted.
Rechberger, H.; Brunner, H.P., 2002a:
A New, Entropy Based Method to Support Materials Management Decisions. Environmental Science & Technology, in print.
Rechberger, H.; Brunner, P.H., 2002b:
Die Methode der Stoffkonzentrierungseffizienz (SKE) zur Bewertung von Stoffbilanzen in der Abfallwirtschaft. In: Hösel, Bilitewski, Schenkel, Schnurer (Hrsg.): Müll-Handbuch, Berlin: Erich Schmidt Verlag, Kapitel 8506.1, 1-19.
Spatari, S.; Bertram, M.; Fuge, D.; Fuse, T.; Graedel, H.; Rechberger, H., 2002:
The contemporary European copper cycle: One year stocks and flows. Ecological Economics, accepted.
Kontakt
Dipl. Ing. Dr. Helmut Rechberger
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich
Stoffhaushalt und Entsorgungstechnik
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