M. Perleth: Evidenzbasierte Entscheidungsunterstützung im Gesundheitswesen. Konzepte und Methoden der systematischen Bewertung medizinischer Technologien (Health Technology Assessment) in Deutschland

Rezensionen und Kurzvorstellungen von Büchern

M. Perleth: Evidenzbasierte Entscheidungsunterstützung im Gesundheitswesen. Konzepte und Methoden der systematischen Bewertung medizinischer Technologien (Health Technology Assessment) in Deutschland.

Berlin: Verlag für Wissenschaft und Kultur (WiKu-Verlag) Dr. Stein, 2003, 216 S., ISBN 3-936749-81-7, 34,80 €

Buchvorstellung von Christiane Muth, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Die Bereiche Technology Assessment und Health Technology Assessment (HTA) haben - zumindest historisch betrachtet - unterschiedliche Entwicklungswege eingeschlagen und daraus resultierend verschiedene Methoden entwickelt. Gerade in jüngster Zeit werden jedoch verstärkt Berührungspunkte beider Forschungsrichtungen erkennbar, die eine Annäherung beider Bereiche erfordern. So werden insbesondere im innovationsbezogenen HTA und in der Bearbeitung gesundheitsbezogener Themen in der Technikfolgenabschätzung Grenzbereiche fokussiert, die von einer Adaptation der Methoden des jeweils anderen Bereichs profitieren.

Während sich frühe Formen der Technikfolgenabschätzung bereits in den 60er Jahren in den USA entwickelt haben und im Auftrag des Office of Technology Assessment (OTA) ab Ende der 70er Jahre erste Arbeiten zu medizinischen Technologien erstellt wurden, findet in Deutschland erst seit 1995 eine systematische Annäherung an die medizinische Technologiebewertung statt.

Das vorliegende Buch ist das erste Handbuch zum Thema medizinische Technologiebewertung/Health Technology Assessment im deutschsprachigen Raum. Es vermittelt einen fundierten Gesamtüberblick über Inhalte, Methoden und Konzepte von HTA in Deutschland. Ausgehend von einer Erläuterung zentraler Begriffe, einem historischen Abriss wichtiger Entwicklungen und Tendenzen von HTA sowie Berührungspunkten zur parlamentarischen Technologiebewertung werden dem Leser die möglichen Anwendungsbereiche und prinzipiellen Vorgehensweisen von HTA in gut gegliederter Form erläutert.

HTA als eine Form der Politikfeldanalyse richtet sich an Entscheidungsträger als primäre Adressaten sowie an ein größeres Publikum, wie z. B. Fachgesellschaften, Krankenhäuser und Kliniker, aber auch an Forschung, Entwicklung und Industrie. Der Autor beschreibt HTA als einen Zyklus, beginnend mit der Identifikation zu evaluierender Technologien und der Prioritätensetzung zwischen verschiedenen, zur Auswahl stehenden Technologien. In der Bearbeitung des Themas wird die Evaluation der zu bewertenden Technologie unter Einschluss medizinischer, ethischer, ökonomischer, rechtlicher und weiterer relevanter Aspekte vorgenommen. Anschließend sollen geeignete Marketingstrategien dazu beitragen, dass die Ergebnisse von den Adressaten wahrgenommen werden und als evidenzbasierte Grundlage für ihre Entscheidungen herangezogen werden. In welchem Ausmaß die Ergebnisse des Health Technology Assessment in die Entscheidungsfindung einfließen und diese beeinflussen, ist Gegenstand von Impactanalysen, die formal den Abschluss eines HTA-Zyklus bilden.

Gerade in diesem Zusammenhang setzt sich der Autor kritisch mit den noch unfertigen HTA-Strukturen in Deutschland auseinander, identifiziert dabei Probleme und zeigt Ansätze für deren Lösung, die in einem separaten Kapitel ausführlich dargelegt werden.

In klar strukturierter Darstellung erhält der Leser dieses Buches einen Überblick über die wichtigsten beim HTA eingesetzten Methoden der qualitativen, quantitativen und gesundheitsökonomischen Evaluation. Er wird mit Frameworks, häufig verwendeten Informationsquellen und Qualitätsmerkmalen von HTA-Berichten vertraut gemacht. Der starke, im gesamten Buch vorhandene Kontextbezug wird in einer Darstellung zur Regulierung medizinischer Technologien in Deutschland zusammengefasst, wobei gesetzliche Rahmenbedingungen ebenso aufgenommen wurden wie der Bezug zu verschiedenen Akteursgruppen und Organisationen.

Die komplexe Thematik wird vom Autor umfassend und gut verständlich dargelegt. Zahlreiche Tabellen, eingängige Grafiken und die von ihm ausgewählten Praxisbeispiele unterstützen nicht nur das Verständnis beim Leser. Sie liefern auch eine Vielzahl an zusätzlichen und gut recherchierten Informationen in hoch komprimierter Form.

Darum ist dieses Buch für einen breiten Leserkreis zu empfehlen. Es liefert nicht nur eine umfassende Darstellung als Einstieg für Entscheidungsträger im Gesundheitswesen und HTA-Interessierte aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Es bietet darüber hinaus dem HTA-Experten eine übersichtliche Gesamtdarstellung und wertvolle Quellensammlung.

Als Leser und HTA-Anwender wünsche ich mir, dass dieses Buch trotz seiner unscheinbaren Aufmachung eine breite Öffentlichkeit erreicht und damit einen wertvollen Beitrag leistet, dass HTA auch in Deutschland die Bedeutung gewinnt, die es in anderen entwickelten Industrieländern bereits seit Jahren erlangt hat.