Nationale Politiken unter den Bedingungen der Globalisierung - Eine Einführung in den Schwerpunkt

Schwerpunktthema - Nationale Politiken unter den Bedingungen der Globalisierung

Nationale Politiken unter den Bedingungen der Globalisierung

Eine Einführung in den Schwerpunkt von Ulrich Dolata, Universität Bremen, artec - Forschungszentrum Nachhaltigkeit

1     Globalisierung und Nationalstaat: Befunde und Kontroversen

Die Handlungskoordinaten und -spielräume nationaler Politiken haben sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten gravierend verändert.

Durch die Globalisierung und Verselbständigung der Finanzmärkte, die schrittweise Internationalisierung der Märkte für Technologien, Güter und Dienstleistungen und die zunehmend internationale Auffächerung industrieller Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten hat sich die kapitalistische Wirtschaft sukzessive aus ihrer Einfassung in nationale Handlungsrahmen und Zusammenhänge gelöst. Mit dem Zusammenbruch des Sozialismus in Osteuropa hat sich der politische Systemwettbewerb, der auch mit außerökonomischen Leistungsvergleichen wie der Bereitstellung umfassender sozialer Sicherungssysteme geführt worden war, erledigt und einem vornehmlich an ökonomischen Leistungs- und Effizienzkriterien ausgerichteten Standortwettbewerb Platz gemacht. Der Aufwuchs globaler ökologischer Problemlagen z. B. im Bereich des Klimaschutzes oder des Erhalts der Biodiversität hat den Zwang zu internationalen Verhandlungs- und Abstimmungsprozessen verstärkt. Und schließlich haben auch einschneidende technologische Umbrüche vor allem im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien die Möglichkeiten einer internationalen Dislozierung und Vernetzung z. B. von Finanztransaktionen, Produktion und Vertrieb, Forschung und Wissenschaft wesentlich mitbefördert (Deutscher Bundestag 2002).

Nationale Politiken sind also spätestens seit Beginn der neunziger Jahre mit den Wirkungen qualitativ neuartiger ökologischer und technologischer, vor allem aber ökonomischer Internationalisierungsdynamiken konfrontiert, die sie mit ihren Liberalisierungs-, Deregulierungs- und Privatisierungspolitiken aktiv mitbefördert haben. Aber auch die Architekturen des Politischen selbst haben sich in diesem Zeitraum beträchtlich ausdifferenziert: Als Mehrebenensysteme, in denen die nationalstaatliche Politikebene durch eigenständige subnationale und europäische Politiken ergänzt wird ebenso wie in Form neuer, variantenreicher und heterogen strukturierter Global Public Policy Networks, in denen sich Staaten, internationale Organisationen, Vertreter der Industrie und der Zivilgesellschaft in oft unübersichtlichen Gemengelagen aufeinander beziehen.

Beides - Globalisierung und Mehrebenendifferenzierung - bietet heute nur noch wenig Anlass für grundlegende Kontroversen: Zu offenkundig sind die empirischen Befunde. Dies gilt nicht für die im Zentrum dieses Schwerpunkts stehende Frage danach, welche Rückwirkungen die skizzierten Veränderungen auf die Readjustierung und Modernisierung, den Stellenwert, die Leistungs- und die Gestaltungsfähigkeit nationaler Politiken und Institutionen haben - und zwar sowohl nach innen wie nach außen. Die zur Diskussion stehenden Antworten auf diese Frage fallen nach wie vor höchst unterschiedlich aus.

Der eine Pol der Debatte wird geprägt von der Vorstellung, eine radikale Globalisierung von Wissen, Technologie, Märkten und industriellen Aktivitäten führe zu einer allmählichen Exterritorialisierung und Auflösung nationaler Gesellschaften und beende die Geschichte der Nationalstaaten. Die Diagnose der Entzauberung, Erosion oder Ohnmacht des Nationalstaates in einer zunehmend durch Ortlosigkeit geprägten Gesellschaft geht hier einher mit einer z. T. radikalen Rücknahme politischer Gestaltungsansprüche zugunsten von Formen der Selbststeuerung und einer z. T. beträchtlichen Skepsis auch gegenüber den Regelungskapazitäten neuer Formen internationaler Governance (z. B. Koch 1995; Willke 2001).

In Kontrast zu dieser eher skeptischen Sicht werden in den verschiedenen Varianten der Diskussion um Global Governance neue Notwendigkeiten und Möglichkeiten der Gestaltung und regulativen Einfassung eines global entfesselten Kapitalismus betont, die freilich vornehmlich auf der internationalen Ebene, als Global Public Policy und komplexes Weltregieren jenseits des Nationalstaates verortet werden. Hoffnungen auf die Wiedergewinnung von politischen Gestaltungs- und Regelungskapazitäten werden in diesen Debatten vor allem in den Ausbau alter und den Aufbau neuer Institutionen internationaler Kooperation und Koordinierung und der Etablierung eines neuen global akzeptierten Ordnungsrahmens gesetzt (z. B. Commission on Global Governance 1995; Zürn 1998).

Demgegenüber insistieren Verfechter des Konzepts nationaler (regionaler, sektoraler) Innovations- und Politiksysteme, des Ansatzes der varieties of capitalism oder des domestic institutions approach darauf, dass sich trotz Internationalisierung und Mehrebenendifferenzierung auch heute sowohl distinkte Produktions- und Innovationsräume mit unverwechselbaren Profilen, nationalen Prägungen und regionalen Clustern als auch unterscheidbare nationale Politikmuster und Institutionengefüge identifizieren lassen. Innovationsprozesse seien keineswegs ortlos, die Nationalstaaten befänden sich nicht in Auflösung und die nationale Politik verfüge insbesondere im Vergleich zu Formen internationaler Governance nach wie vor über beträchtliche Handlungsspielräume und Einflussmöglichkeiten - sowohl als nationale Binnenpolitik etwa zur Förderung von Standortbedingungen als auch in internationalen Aushandlungsprozessen (z. B. Pavitt und Patel 1999; Hage und Hollingsworth 2002; Weiss 2003).

2     Leitfragen und Beiträge des Schwerpunktthemas

Die Beiträge des Schwerpunktthemas knüpfen aus unterschiedlicher Perspektive an diese Debatten an und gruppieren sich um zwei Leitfragen.

Zum einen kreisen sie um die Frage, welche Rückwirkungen die beschriebenen Internationalisierungsprozesse auf die Gestaltungspotenziale und Handlungsoptionen nationaler Binnenpolitiken haben.

Wolf-Michael Catenhusen und Frieder Meyer-Krahmer zeigen in ihren Beiträgen, dass die nationale Technologie- und Innovationspolitik auch heute durchaus noch über Handlungskapazitäten verfügt - vorausgesetzt, sie passt ihr Design den neuen Bedingungen an, nimmt sich bei der direkten Technikförderung zurück und konzentriert sich statt dessen auf die Gestaltung von industriell anschlussfähigen Innovationsumfeldern. Entsprechende Neujustierungen der staatlichen Politik stehen auch im Zentrum der Beiträge von Dirk Dohse und Raymund Werle: Sie skizzieren die zunehmende Orientierung der nationalen Technologiepolitik auf die Förderung neuer regionaler Innovationscluster, die maßgeblich über Wettbewerbsinitiativen erfolgt (Dohse), sowie die Fokussierung politischer Initiativen auf die Schaffung infrastruktureller bzw. rechtlich-institutioneller Rahmenbedingungen für die Nutzung des Internets, die in diesem Fall das noch bis Ende der neunziger Jahre verfolgte Ziel der Förderung nationaler Technologien und Champions abgelöst hat (Werle). Demgegenüber betont Johannes Weyer in seinem Artikel, dass auch die direkte staatliche Förderung von Großtechnologieprojekten und nationalen Champions keineswegs ein Auslaufmodell, sondern nach wie vor ein integraler Bestandteil nationaler Politiken ist. Jörg Huffschmid schließlich unterstreicht diesen Befund mit Blick auf die Industriepolitik, die nicht nur von Deregulierungs- und Privatisierungsinitiativen geprägt ist, sondern zugleich eine Renaissance direkter staatlicher Intervention zugunsten nationaler bzw. europäischer Unternehmen und Branchen erlebt.

Ein zweites Bündel an Beiträgen befasst sich demgegenüber stärker mit der Europäisierung ausgewählter Politikfelder und diskutiert die komplementäre Frage, in welchem Verhältnis die nationale und die europäische Politik zueinander stehen - insbesondere, welche Rolle nationale Politiken und Akteure in den Strukturen und Politikfindungsprozessen der Europäischen Union spielen (können).

Jakob Edler und Stefan Kuhlmann ziehen eine Zwischenbilanz der EU-Initiative „Towards a European Research Area“ und diskutieren deren Rückwirkungen auf die europäische Integration nationaler Forschungssysteme, die Herausbildung neuer europäischer Institutionen und die europäische Koordination nationaler Innovationspolitiken. Die Beiträge von Klaus Jacob und Axel Volkery sowie von Jürgen Hampel zeichnen demgegenüber die politischen Aushandlungen zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten in zwei umstrittenen Feldern der europäischen Rechtsetzung und Regulierung nach: Die aktuellen Auseinandersetzungen um die europäische Chemikalienrichtlinie REACH und die Kontroversen um die Regulierung der Gentechnik. Schließlich loten Hermann E. Ott und Min-ku Chung die Möglichkeiten einer Profilierung der Europäischen Union als außenpolitisch relevantem Akteur einer globalen Nachhaltigkeitspolitik aus, den sie als (potenzielles) Gegengewicht insbesondere zum unwilligen Hegemon USA in Szene setzen.

Die verschiedenen Themen und Argumentationslinien der Beiträge reizen natürlich zur Diskussion. Ich will dies im Folgenden tun: notgedrungen selektiv und fokussiert auf die Frage nach Handlungsspielräumen, Gestaltungsmöglichkeiten und Modernisierungserfordernissen nationaler Politiken nach innen und nach außen.

3     Anfang vom Ende der Nationalstaaten?

Alle Beiträge des Schwerpunktes zeigen, dass Vorstellungen vom „Ende des Nationalstaates“ (Willke 2001, S. 122) es sich zu leicht machen. Schon ein kurzer Blick auf die Architekturen des Regierens genügt, um dem Nationalstaat als politischer Organisationsform auch heute eine privilegierte Stellung einzuräumen, zu der es im internationalen Rahmen kein funktionales Äquivalent gibt. Ihr Steuermonopol sichert den führenden Nationalstaaten einen privilegierten Zugang zu finanziellen Ressourcen, ihr institutioneller Apparat ist weit ausdifferenzierter und ihre legitimatorische Bindungskraft weit größer als diejenige von internationalen Institutionen oder Regimen (Grande 2004).

Zudem fungieren die führenden Nationalstaaten als wesentliche Träger und Scharniere der Politikfindungsprozesse in Mehrebenenarrangements und internationalen Institutionen, die in hohem Maße von ihrer Kooperationsbereitschaft abhängen - und auch heute von nationalen Egoismen und Eigeninteressen ebenso wie von signifikanten Machtasymmetrien zwischen den Staaten geprägt werden. Besonders deutlich zeigt sich dies in der Politik der Vereinigten Staaten, die aufgrund ihrer ökonomischen und militärischen Macht in der Lage sind, sich multilateralen Lösungen für globale Probleme auf breiter Front - von der Klimaschutzpolitik über internationales Konflikt- und Krisenmanagement bis hin zur Rüstungskontrolle - zu verweigern und mit ihrem hegemonialen Unilateralismus alle Bemühungen einer konsensorientierten Weltinnenpolitik insbesondere im Rahmen der UNO in eine tiefe Krise gestürzt haben (Mahnkopf 2003; Ott und Chung in diesem Heft). Aber auch im Zusammenhang des vergleichsweise konsensorientierten und funktionsfähigen Mehrebenensystems der Europäischen Union heißt Politikentwicklung permanente und konfliktreiche Vermittlung divergierender, wenn nicht gegensätzlicher Interessen der Mitgliedstaaten, die maßgeblich am Zustandekommen europäischer Regeln und Regulierungen beteiligt sind (Scharpf 1999; Jacob und Volkery sowie Hampel in diesem Heft).

Doch nicht nur im Rahmen der politischen Mehrebenenarchitekturen selbst, sondern auch im Zusammenhang der ökonomischen Internationalisierung werden nationale Politiken keineswegs irrelevant. Sicherlich: Der akzentsetzende Einfluss der Politik auf die Wirtschaft selbst und auch ihre Handlungsspielräume im Bereich originärer Staatsaufgaben wie etwa der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik oder im Bereich der Techniksteuerung haben sich im Zuge der Internationalisierungs-, Deregulierungs- und Liberalisierungsprozesse der vergangenen zwanzig Jahre erkennbar verringert und insgesamt zu einem beträchtlichen Verlust an staatlicher Gestaltungsfähigkeit geführt - sofern man letztere als Möglichkeit versteht, zwischen alternativen politischen Optionen wählen und die favorisierte Option im Prinzip auch durchsetzen zu können (Jessop 2002).

Gleichwohl kann von einem generellen Bedeutungsverlust nationalstaatlicher Politik auch hier keine Rede sein - jedenfalls dann nicht, wenn die Internationalisierung der Wirtschaft nicht als ort- und umstandsloser Globalisierungsprozess begriffen wird, der nationale Unterschiede einebnet, sondern als sehr selektiv betriebene Standortwahl und Bündelung industrieller Invest- und Innovationsaktivitäten auf weltweit wenige Spitzenregionen und Lead Markets mit je distinkten Profilen und Spezialisierungsmustern. Dies ist nicht nur in vielen traditionellen Industriezweigen nach wie vor der Fall; es gilt in besonderer Weise auch für neue Technologie- und Innovationsfelder (Asheim und Gertler 2005; Dohse in diesem Heft). Internationalisierung und zunehmende Konzentration industrieller Aktivitäten auf weltweit wenige Regionen bilden keinen unvereinbaren Gegensatz, sondern sind zwei Seiten derselben Medaille.

Wenn dies so ist, dann lautet die wesentliche Aufgabenzuschreibung nationaler Politiken unter den Bedingungen ökonomischer Internationalisierung: Konzertierter Einsatz und Neujustierung wirtschafts-, innovations-, industrie- und strukturpolitischer Instrumente mit dem vorrangigen Ziel der Profilierung unverwechselbarer nationaler, regionaler und sektoraler Innovationsstärken, Spezialisierungsmuster und Lead Markets, die den eigenen Standort attraktiv für woher auch immer stammende Unternehmen machen.

Nicht Erosion, Rückzug oder (Selbst-) Abwicklung, sondern Neujustierungen und Qualitätsveränderungen prägen die nationale Politik. Diese aufzuspüren ist die gegenüber der flotten Beerdigung des Nationalstaates wesentlich ambitioniertere Aufgabe.

4     Neujustierungen und Gestaltungsperspektiven nationaler Politiken nach innen: Das Beispiel der Technologie- und Innovationspolitik

Neujustierungen und Gestaltungsperspektiven nationaler Politiken nach innen lassen sich, auch ausweislich der Beiträge dieses Schwerpunktthemas (Meyer-Krahmer, Catenhusen, Werle, Weyer, Dohse und Huffschmid in diesem Heft), exemplarisch anhand der Technologie-, Innovations- und Industriepolitik diskutieren. Sie folgt allerorten einer dezidiert kompetitiven Zielsetzung: Der Sicherung der technologischen Leistungsfähigkeit sowie der Profilierung des eigenen Wirtschafts- und Innovationsraums in der internationalen Konkurrenz der Standorte (BMBF 2004; Catenhusen in diesem Heft). Das Handlungsrepertoire des Staates umfasst dabei zwei wesentliche Steuerungsansätze: die klassische Form staatsmonopolistischer Konzertierung, die vor allem bei Großtechnologieprojekten nach wie vor präferiert wird, sowie neue Formen einer indirekten Kontextsteuerung, die vor allem im Umfeld neuer Schlüsseltechnologien und zur Restrukturierung infrastruktureller und institutioneller Rahmenbedingungen des Forschungs- und Innovationsprozesses sukzessive an Bedeutung gewonnen haben.

Vor allem im Bereich der Großtechnologien (z. B. Transrapid, Weltraumforschung, Verkehrstelematik, Rüstung), denen auch heute in den führenden Ländern ein beträchtliches Gewicht im staatlichen Förderprofil zukommt, ist die Persistenz klassischer Muster der Innovationsförderung und Industriepolitik offenkundig. Der Staat agiert hier, wie Weyer in seinem Beitrag betont, in seiner traditionellen Rolle als Technologietreiber und industriepolitisch aktive Steuerungsinstanz, die für das Zustandekommen und die Stabilisierung großtechnologischer Referenz- und Prestigeprojekte von zentraler Bedeutung ist. Und er setzt dazu (nicht nur in Deutschland, auch etwa in Frankreich) auch heute auf klientelistische Beziehungen mit der Großindustrie und das klassische Repertoire der direkten Intervention, der direkten Projektförderung, der Marktabschottung, der Förderung nationaler Großunternehmen und des Einsatzes von Nachfragemacht (Monopolkommission 2004; Huffschmid in diesem Heft).

Eine Ausweitung dieses klassischen Steuerungsansatzes staatsmonopolistischer Konzertierung auch auf die Förderung neuer Querschnittstechnologien wurde vor allem im Umfeld neuer Informations- und Kommunikationstechnologien immer wieder versucht - in den achtziger Jahren etwa als staatlich geschützter Aufbau nationaler Computer-Industrien und, wie Werle in seinem Beitrag zeigt, noch bis in die zweite Hälfte der neunziger Jahre hinein als industriepolitisch motivierte und auf die Förderung weltmarktfähiger nationaler Champions zielende Entwicklung einer nationalen Internet-Technologie. Entsprechende Versuche sind allerdings weithin erfolglos geblieben: zum einen, weil sie nicht zum Typ dieser neuen Technologien passen, deren Dynamiken sich am besten im Umfeld intensiver Wettbewerbs- und Konkurrenzkonstellationen entfalten können. Und zum anderen, weil sich auch die sie tragenden Akteurfigurationen signifikant vom überschaubaren Klientelismus großtechnologischer Projekte unterscheiden (Breshanan und Malerba 1999). Hinzu kommt, darauf verweist Meyer-Krahmer in seinem Beitrag, dass mit der zunehmenden Internationalisierung der Wirtschaft die Attraktivität eines Landes bzw. einer Region für transnationale Konzerne heute nicht mehr primär von der dort betriebenen direkten Technologieförderung abhängt: Das Innovationsumfeld - die Kombination aus zukunftsweisenden Märkten, hoch entwickelten Produktionsstrukturen und exzellenten Forschungsbedingungen - hat an Bedeutung gewonnen und ist zum entscheidenden Faktor industrieller Standortentscheidungen geworden.

Unter diesen veränderten Bedingungen hatte die Politik zum einen passfähige Förderansätze und -instrumente für einen neuen Set von Querschnittsechnologien - I&K-, Bio- oder Nanotechnologien - zu entwickeln, die sich deutlich von klassischen Großtechnologien unterscheiden: Sie prozessieren wesentlich staatsferner, marktförmiger und internationaler, werden von den Aktivitäten einer unübersichtlichen Zahl heterogener außerstaatlicher Akteure vorangebracht und entziehen sich direkter staatlicher Einflussnahme. Und zum anderen musste die Politik auf beträchtliche Veränderungen der industriellen Innovationsmuster konzeptionell und instrumentell reagieren: insbesondere auf die sehr selektiv betriebene und weltweit auf wenige Standorte konzentrierte internationale Auffächerung großindustrieller Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, aber auch auf die z. T. sprunghafte Zunahme technologisch motivierter industrieller Kooperationsbeziehungen sowie auf den Bedeutungszuwachs technologieorientierter start-up-Firmen im Innovationsgeschehen (Dolata 2003). Unter diesen Bedingungen wurde der klassische Steuerungsmodus staatsmonopolistischer Konzertierung mit seiner Fokussierung auf Großtechnologien und auf die Förderung nationaler Champions zwar nicht obsolet, aber doch zunehmend zu eng.

Seit der zweiten Hälfte der neunziger Jahre reagieren die führenden Industriestaaten auf diese veränderten Rahmenbedingungen mit in der Grundausrichtung durchaus ähnlichen Neujustierungen ihrer Technologie- und Innovationspolitiken, die konzeptionell auf die Etablierung international anschlussfähiger, sowohl wettbewerbsintensiver als auch kooperationsfähiger nationaler bzw. regionaler Innovationsräume und die damit verbundene Restrukturierung innovationsrelevanter Institutionen und Infrastrukturen zielen. Im Zentrum stehen seither die verstärkte programmatische Förderung neuer Schlüsseltechnologien, die Unterstützung entstehender Milieus von start-up-Firmen, die Stimulierung neuer regionaler Technologiecluster und Netzwerke sowie die wettbewerbs- und transferorientierte Restrukturierung der öffentlichen Forschungs- und Wissenschaftssysteme (Rammer et al. 2004; Dolata 2004). Dies geht einher mit einer Relativierung direkter, industriepolitisch motivierter und technikbezogener Steuerungsambitionen zugunsten einer Aufwertung indirekter, kontextorientierter Steuerungsansätze, die sich insbesondere auf die Veränderung institutioneller, infrastruktureller und rechtlicher Rahmensetzungen des Innovationsprozesses (Werle in diesem Heft) und auf den Einsatz von Wettbewerbs- und Vernetzungsinitiativen (Dohse in diesem Heft) konzentrieren.

Diese konzeptionellen und instrumentellen Neujustierungen vollziehen sich vor allem in den großen Ländern freilich nicht als radikaler Neubeginn und Bruch mit klassischen Mustern politischer Techniksteuerung und Industriepolitik. Neujustierung heißt nicht einfach, wie ein Großteil der diesbezüglichen Literatur nahe legt, Ablösung überkommener durch neue, gerne als weich, nicht-hierarchisch und nicht-direktiv bezeichneter Gestaltungsansätze und Steuerungsinstrumente. Sie bedeutet vielmehr Koexistenz unterschiedlicher Steuerungsmodi, die je nach den verschiedenen institutionellen und strukturellen Rahmenbedingungen, dem Spektrum der beteiligten Akteure und dem Typ von Technik, um den es geht, beträchtlich variieren.

Wir haben es nicht nur mit unterschiedlichen, parallel verfolgten politischen Gestaltungsansätzen und Steuerungsmodi zu tun, die sich nicht einfach entlang der Demarkation ‚alt und überkommen' versus ‚neu und zukunftsträchtig' abhandeln lassen. Mit beiden hier skizzierten Steuerungsvarianten kann die Politik auch heute durchaus Gestaltungseffekte im nationalen Rahmen erzeugen - wie immer man die in der Folgenabschätzung im Einzelnen auch bewerten mag.

So hat der zunehmende Einsatz neuer kontextorientierter Steuerungsinstrumente etwa in Deutschland die Herausbildung eines visiblen Sektors von start-up-Firmen befördern können, den es zuvor nicht gab. Er hat auch etwa die regionale Vernetzung relevanter Akteure und die Etablierung neuer High-Technology-Cluster stimuliert. Und er hat eine weit reichende Restrukturierung des öffentlichen Forschungs- und Wissenschaftssystems in Richtung Wettbewerb und Ressourcenkonkurrenz, Schwerpunktbildung und Transferorientierung in Gang gesetzt. Was zunächst wie eine Rücknahme staatlicher Steuerungsansprüche und -möglichkeiten aussieht - eine unmittelbare politische Einwirkung auf neue Techniken wird damit realistischerweise nicht mehr angestrebt -, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als zwar indirekte, aber doch impulssetzende und im Prinzip korrekturfähige Einflussnahme auf die infrastrukturellen, institutionellen und regulativen Rahmenbedingungen des Innovationsgeschehens.

Dass damit auch unintendierte Folgen und neue Dysfunktionalitäten ausgelöst werden können, sollte freilich nicht verschwiegen werden: Dohse beispielsweise verweist auf die Gefahr einer asymmetrischen Regionenentwicklung durch staatliche Wettbewerbsinitiativen, die dem ‚picking the winners'-Prinzip folgen und die ohnehin besten Regionen zusätzlich fördern. Ähnliche Kritikpunkte lassen sich etwa auch an der starken Fokussierung der staatlichen Forschungs- und Wissenschaftspolitik auf die industrielle Verwertbarkeit der akademischen Forschung, auf nationale Leitprojekte und Kompetenzzentren vorbringen, die vor dem Hintergrund zugleich sehr restriktiver öffentlicher Finanzrahmen das stark differenzierte, dezentral strukturierte und auch in der Breite qualitativ sehr gute deutsche Forschungssystem durchaus aus der Balance bringen könnten.

Die Steuerungseffekte, die die staatliche Politik im Zusammenhang großtechnologischer Vorhaben erzielen kann, sind demgegenüber sowohl unmittelbarer als auch risikobehafteter und irreversibler: Ohne das umfangreiche Engagement des Staates, allein getragen von industriellen Initiativen, wären entsprechende Projekte oft gar nicht durchführbar. Sie werden oft industriepolitisch begründet, zum Teil aber auch aus nationalen Prestigegründen verfolgt. Wie immer sie auch motiviert sind: Politische Förderentscheidungen gehen in diesen Fällen mit weit reichenden Festlegungen auf technologische bzw. industriepolitische Entwicklungspfade und entsprechenden Ressourcenbindungen einher. Dies ist eine riskante Strategie, die in der Vergangenheit oft nicht aufgegangen ist. Aber immerhin: Ohne industriepolitische Flankierung und staatliche Subventionen wären die Erfolge von EADS und Airbus, beides deutsch-französische Kooperationsprojekte, nicht möglich gewesen. Und keineswegs ausgeschlossen ist, dass sich das deutsche Mautsystem für LKW nicht doch noch zum Exportschlager entwickeln wird. Insoweit verfügt der Staat auch hier über beträchtliche Gestaltungsmöglichkeiten, ist freilich zugleich mit dem hohen Risiko großer und nur schwer korrigierbarer Fehlschläge konfrontiert.

5     Gestaltungspotenziale des Nationalstaats nach außen: Kooperation und Konkurrenz im Mehrebenensystem

Nun hat auch das Regieren jenseits des Nationalstaats, seit geraumer Zeit ein prominentes Thema der politikwissenschaftlichen Forschung, in den vergangenen zwanzig Jahren signifikant an Bedeutung gewonnen und sich in einer zunehmenden Delegation von Befugnissen insbesondere an die Europäische Union, aber auch an internationale politische Institutionen niedergeschlagen (Messner 1998). Damit ist die komplementäre Frage nach der politischen Gestaltungsfähigkeit des Nationalstaats nach außen, im Rahmen politischer Mehrebenenarchitekturen, aufgeworfen, mit der sich in diesem Heft ein zweites Bündel von Beiträgen befasst (Edler und Kuhlmann, Jacob und Volkery, Hampel, Ott und Chung). Im Zentrum stehen dabei Politikfindungsprozesse im Rahmen der Europäischen Union, die ich wiederum mit Blick auf die Rolle und den mitgestaltenden Einfluss der Mitgliedstaaten diskutieren möchte.

Die Frage nach dem Verhältnis zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten lässt sich freilich nicht pauschal beantworten: Es variiert stark zwischen verschiedenen Politikfeldern und Regelungsbereichen. Aus den Beiträgen dieses Schwerpunktes lassen sich gleichwohl drei wesentliche Varianten dieses Verhältnisses herausarbeiten:

  1. Die erste Variante lässt sich als Verteidigung nationaler Kompetenzen und Handlungsspielräume gegenüber der Union beschreiben, die in diesem Fall vornehmlich über ergänzende und ‚weiche' Koordinationsmöglichkeiten eigenständiger nationaler Politiken verfügt. Die Technologie- und Innovationspolitik kann hierfür beispielhaft angeführt werden.
  2. Die zweite Variante bilden die in der Regel langwierigen und konfliktbehafteten Aushandlungen zwischen der EU und den Mitgliedstaaten zur Etablierung gemeinschaftsweit verbindlicher Regelungen, an deren Zustandekommen (oder Scheitern) die Mitgliedstaaten und ihre nationalen Akteure mit eigenen Akzentsetzungen maßgeblich beteiligt sind. Dies ist im weiten Bereich europäischer Rechtsetzungs- und Regulierungsaktivitäten der Fall.
  3. Die dritte Variante schließlich bilden Bemühungen zur Etablierung der EU als auch außenpolitisch relevantem politischen Akteur, dessen Durchsetzungsfähigkeit in internationalen Verhandlungen wiederum stark von der Interessenkongruenz, Kooperationsbereitschaft und Unterstützung ihrer Mitgliedstaaten abhängt. Die globale Klimaschutz- und Nachhaltigkeitspolitik ist eine solche Arena, in der die Europäische Union als einheitlich handelnder strategischer Akteur gefragt wäre.

(Ad 1.)
Die Technologie- und Innovationspolitik ist ein Beispiel für die hartnäckige Verteidigung nationaler Kompetenzen und Handlungsspielräume gegenüber der Europäischen Union. Der weit überwiegende Teil der Institutionen, Instrumente und Ressourcen fällt in den Kompetenzbereich der nationalen Regierungen. Darüber hinaus gehören vor allem in den großen Mitgliedstaaten die nationalen Politiken zu den bevorzugten Ansatzpunkten im innereuropäischen Innovations- und Standortwettbewerb, der ihrer Integrationsneigung auf diesem Gebiet enge Grenzen setzt. Von daher verwundert es nicht, dass es der Europäischen Union trotz mehrerer Anläufe seit den achtziger Jahren nicht gelungen war, eine kohärente, für die Mitgliedstaaten verbindliche europäische Technologie- und Innovationspolitik zu entwickeln und durchzusetzen.

Seit 2000 unternimmt die EU-Kommission mit ihrer Initiative zur Etablierung einer „European Research Area“ einen erneuten Versuch, den Integrationsprozess auf diesem Gebiet voranzubringen (EU-Commission 2000, 2002). Edler und Kuhlmann zeigen in ihrer Zwischenbilanz dieser Initiative, dass sie durchaus die europäische Vernetzung der Forschung und die europäische Kooperation von Forschungs(förder)einrichtungen, aber auch Überlegungen zur Etablierung neuer europäischer Institutionen (z. B. eines ‚European Research Council') befördert hat. Eine substanzielle Koordinierung der nationalen Technologie- und Innovationspolitiken durch die Europäische Union hat die Initiative dagegen nicht ausgelöst; seitens der Kommission wurden nicht einmal mehr entsprechende Ansprüche formuliert. Die nunmehr von der Kommission als Steuerungsansatz favorisierte „Offene Methode der Koordinierung“ ist im Grunde eine Rücknahme weiterreichender europäischer Politikgestaltungsansprüche gegenüber den Mitgliedstaaten: Sie zielt nunmehr auf die Etablierung sehr weicher Formen europäischer Politikkoordination - etwa der Formulierung von allgemeinen Zielsetzungen oder der Etablierung von Benchmarking-Indikatoren der Technologie- und Innovationspolitik - und nicht mehr auf eine weiterreichende europäische Integration der nationalen Politiken selbst.

Eine solche Rücknahme direkter politischer Gestaltungsansprüche, die die Europäische Kommission vor allem gegenüber den großen Mitgliedstaaten machtpolitisch nicht durchsetzen könnte, könnte sich allerdings - paradoxerweise - durchaus zu einem zukunftsträchtigen Steuerungsmodus entwickeln: Er belässt den im Wettbewerb stehenden nationalen Technologie- und Innovationspolitiken beträchtliche Gestaltungsspielräume - und setzt sie zugleich über die Entwicklung einheitlicher Bewertungskriterien stärker als zuvor in vergleichbare Bezüge zueinander. Und er konzediert, dass es auch heute nationale bzw. regionale Innovationsräume mit distinkten Infrastrukturen, Spezialisierungsprofilen, Institutionen und Kulturen gibt, deren Modernisierung und Restrukturierung dann sinnvollerweise zuvörderst in den Aufgabenbereich nationaler (und subnationaler) Politiken fallen sollte.

(Ad 2.)
In vielen Bereichen der (technikbezogenen) Rechtsetzung und (sektoralen) Regulierung sind europäische und nationale Politiken dagegen erheblich enger und zugleich unübersichtlicher gekoppelt. Aushandlungsprozesse finden hier maßgeblich auf der europäischen Ebene statt, und am Ende erfolgreicher Verhandlungen stehen für die Mitgliedstaaten verbindliche Entscheidungen (z. B. in Gestalt von Richtlinien oder Verordnungen), die im nationalen Kontext mit überschaubaren Variationsmöglichkeiten umzusetzen sind.

Anhand der europäischen Chemikalienpolitik und der Gentechnikregulierung (Jacob und Volkery sowie Hampel in diesem Heft) lässt sich allerdings exemplarisch zeigen, dass der Implementierung europäischer Regelungen in aller Regel langwierige Verhandlungen vorausgehen, in denen nationale Initiativen oder Blockadehaltungen, nationale Verbandspolitiken und nationale Diskurse eine gewichtige Rolle spielen und immer wieder miteinander abgeglichen werden müssen. Die nationalen Regierungen (oder ihre federführenden Ministerien) selbst greifen nicht nur als Sachwalter ihrer industriellen Klientel, sondern auch beeinflusst durch nationale Diskurs- und Konfliktkonstellationen um den Gegenstand der Regulierung gezielt und mit eigenen Initiativen in den europäischen Verhandlungsprozess ein. Und auch nationale Lobbyorganisationen, zuförderst die industriellen Interessenverbände, betreiben „komplexes venue-shopping“ (Jacob und Volkery): Sie machen über ihre europäischen Dachverbände nicht nur direktes Lobbying in Brüssel, sondern nehmen über ihre traditionell engen Kontakte zu den nationalen politischen Entscheidungsträgern zugleich Einfluss auf deren Positionierung im europäischen Verhandlungsprozess.

Auch am Zustandekommen europäischer Rechtsetzungen und Regulierungen sind nationale Regierungen und Akteure also maßgeblich beteiligt. Die Dynamiken und Outcomes des Verhandlungsprozesses kontrollieren und steuern können sie freilich nur eingeschränkt. Sie können nationale Interessen über zwischenstaatliche Koalitionsbildungen oder über den Einsatz ökonomischer und politischer Macht mit entsprechendem Druck versehen, sie können auch den Verhandlungsprozess verzögern und obstruieren - all dies gehört zum täglichen Geschäft europäischer Politikfindung -, haben sich allerdings zugleich kooperations- und konsensbereit zu zeigen, sofern sie selbst ein Interesse an einer europäischen Regelung haben. Hinzu kommt: Nationale Interessen, dies zeigt Hampel in seinem Beitrag zur Gentechnikdebatte, sind keineswegs derart fest gefügt, dass sie Regierungswechsel oder aufbrechende nationale Diskurse und Kontroversen unbeschadet überstehen würden. So standen in der europäischen Auseinandersetzung um die Gentechnikregulierung in den neunziger Jahren nicht einfach stabile nationale Interessenlagen gegeneinander; vielmehr provozierten neu aufbrechende nationale Konflikte und Kontroversen etwa in Frankreich oder Großbritannien z. T. weit reichende Neupositionierungen dieser Länder im europäischen Verhandlungsprozess.

(Ad 3.)
Die Mitgliedstaaten spielen schließlich nicht nur in der europäischen Binnenpolitik eine gewichtige Rolle, sondern auch bei der Profilierung der EU als außenpolitisch, im Rahmen transnationaler Politikregime ernstzunehmendem Akteur. Ott und Chung entwickeln in ihrem Beitrag gute Gründe dafür, die „kooperative Weltmacht EU“ in internationalen Regimen als Anwalt und beispielgebenden Vorreiter einer globalen Nachhaltigkeits- und Klimaschutzpolitik zu profilieren - insbesondere auch gegenüber dem nicht nur in dieser Frage unwilligen Hegemon USA.

Eine solche Positionierung ist freilich sehr voraussetzungsvoll: Das außenpolitische Gewicht der EU hängt in diesem Fall nicht nur davon ab, ob sie sich und ihre Mitgliedstaaten programmatisch und vertraglich auf eine konsistente Nachhaltigkeitsstrategie festlegt und ob sie auf dieser Grundlage etwa in internationalen Umweltverhandlungen als Motor eines vorsorgenden Umweltschutzes auftritt. Es hängt insbesondere auch davon ab, ob sie nach innen, im Rahmen der Europäischen Union selbst eine weit reichende und beispielgebende Nachhaltigkeits- und Klimaschutzpolitik verfolgt und durchsetzen kann. Dazu ist sie wiederum nicht nur auf die Kooperations- und Konsensbereitschaft der Mitgliedstaaten, sondern auch auf ihren Willen und ihre Fähigkeit zur nationalen Umsetzung europäischer Ziele und Vorgaben angewiesen. Selbst die großen Mitgliedstaaten, die in der Vergangenheit als Antreiber einer gemeinsamen Klimaschutzpolitik aufgetreten sind, stehen heute allerdings unter einem massiven Druck ihrer Wirtschaftslobbys, weiterreichende umweltpolitische Zielsetzungen zugunsten wirtschaftspolitischer Prioritätensetzungen zu schleifen. Und trotz des nun angelaufenen Emissionshandels ist der überwiegende Teil der Mitgliedstaaten weit davon entfernt, bis zum Jahr 2012 die Emission von Treibhausgasen tatsächlich in dem Umfang zu reduzieren, wie es die EU-interne Lastenverteilung vorsieht.

Auch die Tragfähigkeit und Reichweite einer europäischen Nachhaltigkeits- und Klimaschutzpolitik hängt damit ganz wesentlich von ihrer nationalen Stützung und Umsetzung ab: davon, ob die Regierungen selbst sich im öffentlichen Diskurs als Vorreiter einer entsprechenden Politik insbesondere gegenüber Wirtschaftsinteressen durchsetzen können. Und davon, wie konsequent sie nationale Nachhaltigkeits- und Klimaschutzstrategien tatsächlich verfolgen und instrumentell untersetzen. Nur so wird sich auch die Europäische Union als glaubwürdiger Anwalt eines genuin europäischen Entwicklungspfades in der Nachhaltigkeits- und Klimaschutzpolitik profilieren können.

Aber lesen sie selbst.

Literatur

Asheim, B.; Gertler, M.S.., 2005:
The Geography of Innovation: Regional Innovation Systems. In: Fagerberg, J.; Mowery, D.C.; Nelson, R.R. (eds.): The Oxford Handbook of Innovation. Oxford: Oxford University Press, S. 291-317

BMBF - Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.), 2004:
Bundesbericht Forschung 2004. Bonn

Bresnahan, T.F.; Malerba, F., 1999:
Industrial Dynamics and the Evolution of Firms' and Nations' Competitive Capabilities in the World Computer Industry. In: Mowery, D.C.; Nelson, R.R.. (eds.): Sources of Industrial Leadership. Studies of Seven Industries. Cambridge: Cambridge University Press, S. 79-132

Commission on Global Governance, 1995:
Our Global Neighbourhood. Oxford: Oxford University Press

Deutscher Bundestag (Hrsg.), 2002: Schlussbericht der Enquete-Kommission „Globalisierung der Weltwirtschaft“. Opladen: Leske + Budrich

Dolata, U., 2003:
Unternehmen Technik. Akteure, Interaktionsmuster und strukturelle Kontexte der Technikentwicklung: Ein Theorierahmen. Berlin: edition sigma

Dolata, U., 2004:
Unfassbare Technologien, internationale Innovationsverläufe und ausdifferenzierte Politikregime. Perspektiven nationaler Technologie- und Innovationspolitiken, Bremen (artec - Forschungszentrum Nachhaltigkeit: artec-paper Nr. 110 / März 2004, 35 Seiten; http://www.artec.uni-bremen.de/files/papers/paper_110.pdf)

EU-Commission (ed.), 2000:
Towards a European research area, Brussels (COM [2000]6)

EU-Commission (ed.), 2002:
The European research area: Providing new momentum. Strenghtening - Reorienting - Opening up new perspectives, Brussels (KOM[2002]565)

Grande, E., 2004:
Vom Nationalstaat zum transnationalen Politikregime - Staatliche Steuerungsfähigkeit im Zeitalter der Globalisierung. In: Beck, U.; Lau, Chr. (Hrsg.): Entgrenzung und Entscheidung: Was ist neu an der Theorie reflexiver Modernisierung? Frankfurt: suhrkamp, S. 384-401

Hage, J.; Hollingsworth, J.R., 2002:
Institutional Pathways, Networks, and the Differentiation of National Economies. In: Hollingsworth, J.R.; Müller, K.H.; Hollingsworth, E.J. (eds.): Advancing Socio-Economics. An Institutionalist Perspective. Lanham, Boulder, New York, Oxford: Rowman & Littlefield, S. 381-398

Jessop, B., 2002:
The Future of the Capitalist State. Cambridge: Cambridge University Press

Koch, C., 1995:
Die Gier des Marktes. Die Ohnmacht des Staates im Kampf der Weltwirtschaft. München: Hanser

Mahnkopf, B., 2003:
Politik (in) der Globalisierung. In: Dies. (Hrsg.), Management der Globalisierung. Akteure, Strukturen und Perspektiven. Berlin: edition sigma, S. 13-52

Messner, D. (Hrsg.), 1998:
Die Zukunft des Staates und der Politik. Möglichkeiten und Grenzen politischer Steuerung. Bonn: Dietz

Monopolkommission, 2004:
Wettbewerbspolitik im Schatten „Nationaler Champions“. Fünfzehntes Hauptgutachten der Monopolkommission 2002/2003. Berlin: BT-Drucksache 15/3610 v. 14.7.2004

Rammer, Chr.; Polt, W.; Engeln, J.; Licht, G.; Schibany, A., 2004:
Internationale Trends der Forschungs- und Innovationspolitik. Fällt Deutschland zurück? Baden-Baden: Nomos

Pavitt, K.; Patel, P., 1999:
Global corporations and national systems of innovation: who dominates whom? In: Archibugi, D.; Howells, J.; Michie, J. (eds.): Innovation Policy in a Global Economy. Cambridge: Cambridge University Press, S. 94-119

Scharpf, F.W., 1999:
Regieren in Europa. Effektiv und demokratisch? Frankfurt: Campus

Weiss, L. (ed.), 2003:
States in the Global Economy. Bringing domestic institutions back in. Cambridge: Cambridge University Press

Willke, H., 2001:
Atopia. Studien zur atopischen Gesellschaft. Frankfurt: suhrkamp

Zürn, M., 1998:
Regieren jenseits des Nationalstaats. Globalisierung und Denationalisierung als Chance. Frankfurt: suhrkamp

Kontakt

PD Dr. Ulrich Dolata
Universität Bremen
artec - Forschungszentrum Nachhaltigkeit
Postfach 33 04 40, 28334 Bremen
Tel.: +49 (0) 421 / 218 - 42 04
E-Mail: dolata∂artec.uni-bremen.de
Internet: http://www.artec.uni-bremen.de/team/dolata