Clusterorientierte Technologiepolitik in Deutschland: Konzepte und Erfahrungen

Schwerpunktthema - Nationale Politiken unter den Bedingungen der Globalisierung

Clusterorientierte Technologiepolitik in Deutschland: Konzepte und Erfahrungen

von Dirk Dohse, Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel

Als wichtigste übergeordnete Zielsetzung von Technologiepolitik wird gemeinhin die Förderung von wissenschaftlich-technischen Innovationen zur Sicherung der wirtschaftlichen und technologischen Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften angesehen. In der Literatur ist spätestens seit den frühen 90er Jahren bekannt, dass regionale Cluster einen wichtigen Nährboden für die Entstehung und Ausbreitung neuen Wissens darstellen und einen bedeutenden Einfluss auf die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit ganzer Volkswirtschaften haben können. Es erscheint daher folgerichtig, dass eine Politik zur Förderung der nationalen Wettbewerbsfähigkeit die räumliche Struktur der Wirtschaft berücksichtigt und für ihre Zwecke zu beeinflussen sucht. Deutschland hat bei der Entwicklung einer solchen clusterorientierten Technologiepolitik eine Vorreiterrolle in Europa übernommen. In dem vorliegenden Beitrag werden zunächst die beiden Prototyp-Modelle der clusterorientierten Technologiepolitik in Deutschland - der BioRegio-Wettbewerb und der InnoRegio-Wettbewerb - analysiert und gegenübergestellt. Daran anschließend werden die wichtigsten Folgeprogramme diskutiert und konzeptionelle Stärken und Probleme der neuen Politik herausgearbeitet.

1     Einführung: Eine neue Form der Technologiepolitik

Innovative Cluster können allgemein als spezifische Formen der Zusammenarbeit verschiedener Akteure auf regionaler Ebene (Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Politik und Verwaltung) charakterisiert werden, die das Ziel verfolgen, ein günstiges Umfeld für Innovationen zu schaffen und die Anpassungsfähigkeit der lokalen Wirtschaft an sich verändernde globale Rahmenbedingungen zu verbessern. Herausragende Beispiele solcher komplexen regionalen Netzwerke sind das „Silicon Valley“ in Kalifornien und die „Route 128“ in Boston. Regionale Gebietskörperschaften überall auf der Welt versuchen, diese Erfolgsbeispiele zu kopieren und wetteifern um mobiles Kapital und hoch qualifizierte Arbeitskräfte.

Bemerkenswert ist, dass seit einigen Jahren auch die nationale Technologiepolitik die Bedeutung regionaler Cluster für die Entstehung und Ausbreitung neuen Wissens und ihren Einfluss auf die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit ganzer Volkswirtschaften erkannt hat. Deutschland hat hierbei eine Vorreiterrolle in Europa übernommen: Waren die traditionellen Bezugseinheiten bundesdeutscher Technologiepolitik einzelne Unternehmen, Technologien oder Wirtschaftsbereiche, so ist seit Mitte der 90er Jahre die regionale Ebene als Bezugsebene technologiepolitischer Initiativen hinzugekommen. Instrumente wie der BioRegio-Wettbewerb, der Städtewettbewerb Multimedia oder der Wettbewerb der Nanotechnologie-Kompetenzzentren haben national wie international große Beachtung gefunden. Während diese frühen Instrumente einer wettbewerblichen, regionenbezogenen Technologiepolitik auf einzelne Technologiefelder beschränkt waren, stellt der gegenwärtig in der Umsetzungsphase befindliche InnoRegio-Wettbewerb einen technologiefeldübergreifenden Ansatz dar. Zentrale Elemente der neuen Politik sind die Stimulierung des Wettbewerbs zwischen Regionen, die Förderung der regionalen Clusterbildung und der Versuch, die Funktionsfähigkeit regionaler Innovationssysteme zu verbessern.

Im Folgenden sollen zunächst die beiden Prototypen der neuen Politik, der BioRegio-Wettbewerb und der InnoRegio-Wettbewerb analysiert und gegenübergestellt werden. Daran anschließend werden die wichtigsten Folgeprogramme diskutiert und konzeptionelle Stärken und Probleme der neuen Politik herausgearbeitet. Ein kurzer Ausblick beschließt den Beitrag.

2     Prototypen der neuen Politik: BioRegio versus InnoRegio

2.1     Der BioRegio-Wettbewerb

Im Zuge der Standortdebatte der frühen 90er Jahre wurde vielfach konstatiert, dass Deutschland die Entwicklung in dem zukunftsträchtigen Bereich der Biotechnologie verschlafen habe. Der BioRegio-Wettbewerb wurde ins Leben gerufen, um den bestehenden technologischen Rückstand in diesem vielfach als Schlüsseltechnologie für das 21. Jahrhundert angesehenen Bereich aufzuholen. Unmittelbares Ziel war es, Firmenneugründungen oder Ansiedlungen ausländischer Biotech-Firmen in Deutschland zu stimulieren, das beschleunigte Wachstum bestehender Unternehmen anzuregen und für eine ausreichende Bereitstellung von Risikokapital zu sorgen. Das ehrgeizige Langfrist-Ziel besteht darin, Deutschland im Bereich der Biotechnologie zur Nr. 1 in Europa zu machen.

Protagonisten in diesem Wettbewerb sind die Biotechnologie-Regionen in Deutschland. Jede Region, die an dem Wettbewerb teilnehmen wollte, musste eine Präsentation ihrer Stärken in der biotechnologischen Forschung und kommerziellen Anwendung der Biotechnologie sowie ein Entwicklungskonzept für die Zukunft vorlegen. Beurteilt wurden diese vorgelegten Konzepte von einer unabhängigen Jury aus Wissenschaftlern, Industrie- und Gewerkschaftsvertretern auf der Grundlage der Kriterien in Tabelle 1.

Tab. 1: Kriterien zur Auswahl der BioRegio-Modellregionen

  1. Vorhandene Industrieunternehmen mit Biotechnologie-Orientierung in der Region
  2. Art, Zahl, Profil und Leistungsfähigkeit biotechnologisch orientierter Forschungseinrichtungen in der Region
  3. Interdisziplinäre Vernetzung der biologischen Forschung in der Region
  4. Unterstützende Dienstleistungsangebote (Patentbüros, Informationsnetze, Beratung)
  5. Strategien zur Umsetzung biotechnologischen Wissens in neue Produkte, Verfahren und Dienstleistungen
  6. Maßnahmen zur Ansiedlung bzw. Neugründung biotechnologisch orientierter Unternehmen in der Region
  7. Finanzierungsbereitschaft bei Banken und Privatanlegern für Biotechnologie-Unternehmen
  8. Kooperation von Forschungseinrichtungen und Kliniken in der Region
  9. Genehmigungsverfahren für Biotechnologie-Anlagen und Freisetzungsversuche in der Region

Quelle: BMBF 1996

Die Bio-Regionen formten sich spontan, d. h., weder die Zahl der teilnehmenden Regionen noch deren Größe oder interne Organisationsstruktur waren vorgegeben. Insgesamt beteiligten sich 17 außerordentlich heterogene Regionen an dem Wettbewerb. Als Sieger-Regionen ausgewählt wurden die Bio-Regionen Rheinland, Rhein-Neckar-Dreieck und München. Die Region Jena erhielt ein Sondervotum als beste ostdeutsche Bio-Region.

Die Wahl zur Modell-Region brachte zwei entscheidende Vorteile mit sich: Zum einen wurden für jede Siegerregion 50 Mill. DM an Fördergeldern reserviert, die innerhalb von 5 Jahren abgerufen werden mussten. Dies war sozusagen das unmittelbare Preisgeld für den BioRegio-Wettbewerb. Der zweite - und wesentlich wichtigere - Vorteil bestand darin, dass das Urteil der Jury dazu diente, die Vergabe von Fördermitteln aus dem Biotechnologie 2000-Programm der Bundesregierung räumlich zu strukturieren. An allgemeinen Fördermitteln für die Biotechnologie standen für den Zeitraum 1997 bis 2001 1,5 Mrd. DM zur Verfügung, und Anträge aus den Modellregionen genossen automatisch höchste Priorität.

2.2     Prototyp B: InnoRegio

Während es bei BioRegio darum ging, den Rückstand in einem als Schlüsseltechnologie angesehenen Technologiebereich aufzuholen, ist es das erklärte Ziel von InnoRegio, einen regionalen Innovations- und Entwicklungsrückstand aufzuholen. Durch den Aufbau regionaler Innovationsnetzwerke in den neuen Ländern sollen Innovationspotenziale in den Regionen erschlossen und damit ein Beitrag zum Aufbau Ost geleistet werden.

InnoRegios sind einer Definition des BMBF zufolge „Raumeinheiten, kleiner als Bundesländer, in denen sich unterschiedliche Personen und Institutionen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Politik und Verwaltung, Vereinen und Verbänden zusammenschließen, mit dem Ziel, technische, wirtschaftliche und soziale Neuerungen zu entwickeln, die bislang innerhalb der Region oder sogar außerhalb ihrer Grenzen noch nicht realisiert sind“ (BMBF 1999, S. 6). Insgesamt nahmen 444 sehr heterogene Projekte an der ersten, der so genannten „Qualifizierungsphase“ des InnoRegio-Wettbewerbs teil. In dieser Phase, die von April bis Oktober 1999 dauerte, ging es darum, das regionale Innovationsprofil zu identifizieren, den erwarteten Nutzen des Wettbewerbs für die Region aufzuzeigen und die geplante Vorgehensweise beim Aufbau der regionalen Zusammenarbeit sowie die geplante Kooperation von Personen und Institutionen in den weiteren Phasen darzulegen.

Aus der Vielzahl von Bewerbungen wählte eine unabhängige Jury 25 „InnoRegios“ aus. Zentrale Bewertungskriterien waren dabei die Neuheit des Ansatzes, die Überzeugungskraft der regionalen Kooperation und der zu erwartende Nutzen für die Region (BMBF 1999). Diese InnoRegios nahmen an der zweiten Phase des Wettbewerbs, der so genannten „Entwicklungsphase“ teil. Jede Siegerregion erhielt bis zu 300.000 DM für die Entwicklung eines Umsetzungskonzepts, das bis Sommer 2000 vorgelegt werden musste. Dann stellten sich die Siegerregionen mit den Ergebnissen ihrer Arbeit erneut einem Juryentscheid, bei dem folgende Kriterien zu Grunde gelegt wurden (Tab. 2):

Tab. 2: Auswahlkriterien in der 2. Phase von InnoRegio

  1. Neuheit der Ansätze
  2. Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit und die Beschäftigungssituation der Region
  3. Dynamisches Potenzial der Projekte für die Region (Abbau von Innovationshemmnissen)
  4. Spezieller Nutzen der Vorhaben für die Region
  5. Dauerhaftigkeit der mit der Konzeptumsetzung beginnenden Entwicklung in der Region
  6. Plausibilität und Umsetzungsreife des geschilderten Konzeptes
  7. Qualität der entwickelten Kooperation
  8. Einbindung und Zusammenwirken der (neuen) Akteure der Region
  9. Eigenleistung der Region
  10. Übertragbarkeit der Ansätze auf andere Regionen

Quelle: BMBF 1999

Vergleicht man diese Kriterien mit den Auswahlkriterien für den BioRegio-Wettbewerb, so fällt auf, dass die bereits vorhandene „Hardware“ (Zahl und Größe bereits vorhandener Unternehmen und Forschungseinrichtungen), die bei BioRegio im Vordergrund stand, hier zugunsten der „Software“ (erwartete Entwicklungen der Zukunft, Originalität der Ansätze, Vernetzungsstrategien) in den Hintergrund tritt. Die auf der Grundlage der Kriterien in Tabelle 2 ausgewählten Konzepte und Projekte werden bis Ende 2005 (einige auch darüber hinaus) in der dritten Phase („Umsetzungsphase“) des Wettbewerbs gefördert, wofür das BMBF insgesamt rund 250 Mill. Euro zur Verfügung stellt.

Unterschiede zu BioRegio

Während BioRegio von der Prämisse ausgeht, dass es sich bei der Biotechnologie um eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts handelt und die Notwendigkeit staatlicher Förderung aus den erwarteten positiven externen Effekten dieser Technologie abgeleitet wird, ist InnoRegio nicht auf bestimmte Industrien oder Technologien fixiert, sondern fördert ein breites Spektrum von Projekten, das von speziellen Nutzungen moderner Informationstechnologien über zukunftsfähige Bildungsprojekte bis zu spezifischen Formen des sanften Tourismus reicht. Allerdings ist der regionale Fokus von InnoRegio auf Ostdeutschland beschränkt, während bei BioRegio keine Regionen von vornherein von der Förderung ausgeschlossen waren. Waren die Teilnehmer am BioRegio-Wettbewerb im Regelfall ganze Städte oder Städtenetzwerke, so sind die Teilnehmer am InnoRegio-Wettbewerb keine Raumeinheiten im eigentlichen Sinne, sondern eher als Projekte oder Initiativen in diesen Regionen zu bezeichnen (Tab. 3).

Tab. 3: Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen BioRegio und InnoRegio

InnoRegio BioRegio
Technologiefeld übergreifend Technologiefeld spezifisch
Beschränkt auf die neuen Bundesländer Nicht auf bestimmte Bundesländer beschränkt
Stärkung (auch) der strukturschwachen Regionen Stärkung der starken, dynamischen Regionen
Ausgleichs- und Wachstumszielsetzung Wachstumszielsetzung
Teilnehmer sind regional abgegrenzte Projekte Teilnehmer sind Städte oder Städtenetzwerke
Große Zahl teilnehmender Projekte (ca. 440 Bewerbungen) Geringe Zahl teilnehmender Regionen (17 Bewerbungen)

Der Hauptunterschied zwischen den beiden Konzepten liegt jedoch in der unterschiedlichen Philosophie hinsichtlich der Frage, was Technologiepolitik letztendlich bewirken soll: Beim BioRegio-Wettbewerb geht es darum, die technologische Leistungsfähigkeit Deutschlands im Bereich der Biotechnologie zu erhöhen, d. h., der Wettbewerb verfolgt eine klare gesamtwirtschaftliche Wachstumszielsetzung, während es bei InnoRegio darum geht, das „endogene Entwicklungspotenzial“ zurückgebliebener Regionen zu fördern, wobei bislang kaum auszumachen ist, ob die regionale Ausgleichszielsetzung oder die gesamtwirtschaftliche Wachstumszielsetzung dominiert.

3     Die wichtigsten Folgeprogramme

Neben den beiden Prototyp-Modellen BioRegio und InnoRegio sind in den letzten Jahren zahlreiche weitere Förderprogramme aufgelegt worden, die sich hinsichtlich ihrer Zielsetzungen, ihrer konzeptionellen Ausgestaltung und ihres regionalen Bezuges mehr oder weniger stark voneinander unterscheiden. Die wichtigsten Folgeprogramme des BioRegio-Wettbewerbs sind die Programme BioFuture, BioChance und BioProfile (s. Tabelle 4).

Die wichtigste Zielsetzung von BioFuture ist die Förderung von wissenschaftlichen Karrieren und/oder Unternehmensneugründungen im Bereich der Biotechnologie, wobei Teams junger Wissenschaftler mit bis zu 1,5 Millionen Euro für einen Fünf-Jahreszeitraum gefördert werden.

Mit dem komplementären Programm BioChance werden Forschungsprojekte gefördert, die die Entwicklung kommerziell nutzbarer Projekte zum Ziel haben, welche sich aber noch in einer frühen (d. h. noch nicht marktreifen) Phase befinden. Zielgruppe sind junge Biotech-Unternehmen, insbesondere dann, wenn sie eng mit Universitäten und/oder außeruniversitären Forschungseinrichtungen kooperieren.

Ein Folgeprogramm, das eng an den BioRegio-Wettbewerb angelehnt ist, ist der BioProfile-Wettbewerb. Ähnlich wie bei BioRegio konkurrieren hier ganze Regionen um Fördermittel des Bundes. Anders als bei BioRegio ging es hier jedoch darum, Regionen auszuwählen, die sich in Teilbereichen der Biotechnologie spezialisiert haben und in diesen besonders wettbewerbsfähig sind. Dadurch, dass nicht die biotechnologische Kompetenz im Ganzen, sondern die Kompetenz in Teilgebieten das Wettbewerbskriterium war, kamen hier kleinere, stark spezialisierte Biotech-Regionen zum Zuge.

Tab. 4: Die wichtigsten Programme der clusterorientierten Technologiepolitik im Überblick 

 

BioRegio-Familie InnoRegio-Familie
(„Unternehmen Region“)
Sonstige Pro-gramme [a]
BioRegio InnoRegio  
Innovative Regionale Wachstumskerne Lernende Regionen
BioFuture Interregionale Allianzen InnoNet (BMWA)
BioChance Zentren für Innovationskompetenz ProInno (BMWA)
BioProfile   InnoWatt (BMWA)
[a]     Die Liste der sonstigen Programme ist nicht vollständig, da hier nur die wichtigsten Programme berücksichtigt wurden.

Die „InnoRegio-Familie“ besteht neben dem InnoRegio-Wettbewerb aus den Programmen Interregionale Allianzen für die Märkte von morgen, Zentren für Innovationskompetenz und Innovative Regionale Wachstumskerne. [1]

Das Programm Interregionale Allianzen dient der Bildung regionsübergreifender Innovationsnetzwerke und stellt hierfür eine Anschubfinanzierung von bis zu 85.000 Euro zur Verfügung. Es ist damit als Ergänzung zu dem auf intraregionale Netzwerkbildung fokussierten InnoRegio-Ansatz zu verstehen.

Ebenfalls komplementär zu InnoRegio ist das Programm Zentren für Innovationskompetenz. Ziel dieses Programms ist es, exzellente Forschungsabteilungen an ostdeutschen Universitäten oder Forschungsinstituten zu international wettbewerbsfähigen Kompetenzzentren auszubauen.

Das in konzeptioneller Hinsicht vielleicht interessanteste der jüngeren Programme ist das Programm Innovative Regionale Wachstumskerne. Obwohl vom BMBF als Mitglied der „InnoRegio-Familie“ klassifiziert, kombiniert dieses Programm Elemente der beiden Prototyp-Modelle BioRegio und InnoRegio, weshalb hier argumentiert wird, dass Innovative Regionale Wachstumskerne ebenso gut als BioRegio-Folgeprogramm klassifiziert werden könnte (s. die Darstellung in Tab. 4). Ähnlich wie InnoRegio ist Innovative Regionale Wachstumskerne regional auf Ostdeutschland beschränkt, nicht an eine bestimmte Technologie gebunden und hat die Förderung intraregionaler Kooperationsprojekte zum Ziel. Allerdings ist das Programm strikt wachstumsorientiert und orientiert sich eng an dem ökonomischen Potenzial der geförderten Netzwerke, worin es eher BioRegio als InnoRegio ähnelt.

Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die clusterorientierte Technologiepolitik in Deutschland nicht länger auf die Prototyp-Modelle BioRegio und InnoRegio und deren Folgeprogramme beschränkt ist. Inzwischen sind eine Reihe von Programmen entwickelt worden, die sich weder der „BioRegio-Familie“ noch der „InnoRegio-Familie“ zuordnen lassen. Ein markantes Beispiel hierfür liefert das BMBF-Programm Lernende Regionen, das die Bildung regionaler Netzwerke und innovativer Konzepte im Bereich der Aus- und Weiterbildung fördert. Neben dem BMBF hat auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) eine Reihe von Programmen der clusterorientierten Technologiepolitik aufgelegt. Zu den bekanntesten dieser Maßnahmen zählen die Programme InnoNet, ProInno und InnoWatt (s. Tab. 4).

Das Programm Innovative Netzwerke (InnoNet) unterstützt Kooperationsprojekte zwischen kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU) und öffentlich geförderten Forschungseinrichtungen, die die Entwicklung neuer Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen zum Ziel haben. Eine Mindestanforderung an zu fördernde Projekte ist die Beteiligung von mindestens vier KMU und zwei Forschungseinrichtungen.

Während InnoNet Projekte fördert, die noch weit von der Marktreife entfernt sind, zielt das BMWA-Programm ProInno auf die Förderung von marktnahen Kooperationen von Unternehmen und Forschungseinrichtungen und den Austausch von FuE-Personal.

Am 1. Januar 2004 trat das BMWA-Programm InnoWatt in Kraft. Dieses Programm ist ähnlich wie die Programme der InnoRegio-Familie auf Ostdeutschland beschränkt und zielt darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit, die Innovationskapazität und die FuE-Aktivitäten ostdeutscher KMU zu stärken.

Ebenfalls im Jahre 2004 haben BMBF und BMWA angekündigt, ihre jeweiligen Technologieförderprogramme für KMU im Rahmen eines gemeinsamen „High Tech Master Plan“ abzustimmen bzw. zu bündeln. Aus diesem „High Tech Master Plan“ der Bundesregierung geht u. a. hervor, dass Ansätze der clusterorientierten Technologiepolitik in Deutschland auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden.

4     Vorteile der neuen Politik

4.1     Stärkere Regionenorientierung der Technologiepolitik

Obwohl die neuen Instrumente weniger aus theoretischen, sondern vielmehr aus rein pragmatischen Überlegungen entstanden sind, lassen sich aus der jüngeren Literatur eine Reihe von Argumenten für eine stärkere Einbeziehung der regionalen Ebene in die Technologiepolitik ableiten:

Die konzeptionelle Basis der regionenorientierten Innovationspolitik liefert die Vorstellung, dass Innovationen vorwiegend in miteinander vernetzten regionalen Innovationssystemen entstehen. Regionale Innovationssysteme sind Systeme kollektiver Ordnung, die auf Vertrauen, Reziprozität und gegenseitigem Vorteil der Akteure im regionalen Innovationsprozess basieren (Cooke 1998, S. 16). Die Regionen selbst werden als Orte kollektiven technologischen Lernens verstanden, und technologische Kompetenz wird als ein in der Region entwickeltes und verwurzeltes „asset“ angesehen. Die hier diskutierten neuen Instrumente der Technologiepolitik haben mit dem Konzept der regionalen Innovationssysteme die Grundannahme gemein, dass das regionale Umfeld von entscheidender Bedeutung für den Innovationsprozess ist, und verfolgen das Ziel, eine kollektive Ordnung aufzubauen, die auf Vertrauen und Reziprozität basiert, um Innovationshemmnisse zu beseitigen.

Auch in der institutionenökonomischen Literatur finden sich Konzepte, die recht gut auf die neuen Instrumente anwendbar sind. Von Frey und Eichenberger (1995) stammt das Konzept der Functional, Overlapping, Competing Jurisdictions (FOCJ). Die Teilnehmerregionen am BioRegio-Wettbewerb [2] sind aber im Grunde nichts anderes als FOCJ:

Nach Frey und Eichenberger (1995) haben FOCJ im Wesentlichen drei Vorteile:

4.2     Gründe für die Stimulierung des Wettbewerbs zwischen Regionen

Ob der Technologiewettbewerb zwischen Ländern bzw. Regionen die gesamtwirtschaftliche Effizienz fördert oder hemmt, ist in der theoretischen Literatur umstritten. Laut Krugman ist der Wettbewerb zwischen Ländern bzw. Regionen eine unsinnige und gefährliche Obsession vieler Regierungen. Dieser Wettbewerb sei nicht analog zum Gütermarktwettbewerb und habe von daher auch nicht dieselben Effizienzeigenschaften. Wettbewerb bzw. Wettbewerbsfähigkeit auf Länder oder Regionen bezogen seien aber nicht nur unsinnige Konzepte, sondern sie seien auch gefährlich, weil sie zu schlechten Politiken wie Subventionswettläufen und Protektion heimischer Industrien führten (Krugman 1994).

Auf der anderen Seite kann Wettbewerb zwischen Regionen - verstanden als Wettbewerb der Regierungen und Institutionen - dazu beitragen, verkrustete Strukturen aufzubrechen, das Kartell der politischen Klasse zu bestreiten und innovative Kräfte freizusetzen. Seine große Stärke liegt darin, dass er ein experimentelles Verfahren zur Aufdeckung überlegener institutioneller Arrangements darstellt: „Ohne die Möglichkeit zu experimentieren, und ohne Wettbewerb zwischen alternativen potenziellen Lösungen können wir nicht wissen, welche konstitutionellen Arrangements oder politischen Ordnungen besser geeignet sind, den Interessen der Bürger zu dienen.“ (Vanberg 1994, S. 29). Zur Durchsetzung überlegener institutioneller Arrangements bedarf es nicht unbedingt einer „Abstimmung mit den Füßen“; in vielen Fällen genügt bereits die Drohung der „Abstimmung mit dem Stimmzettel“, wenn eine Region eine deutlich schlechtere Performance an den Tag legt als andere.

4.3     Gründe für eine Förderung der regionalen Clusterbildung

Ein zentrales Element der regionenorientierten Technologiepolitik ist die Förderung der regionalen Clusterbildung. Eine notwendige - wenngleich noch nicht hinreichende - Bedingung für den Erfolg einer solchen Politik liegt darin, dass von der regionalen Konzentration innovativer Aktivitäten tatsächlich in nennenswertem Umfange positive Externalitäten ausgehen. Ob diese Voraussetzung tatsächlich erfüllt ist, wird angesichts der gegenwärtig herrschenden „Clustermania“ nur selten hinterfragt. Typisch ist in diesem Zusammenhang die geradezu euphorisch anmutende Einschätzung der OECD:

    „In many countries, clusters of innovative firms are driving growth and employment. Innovative clusters of economic activity are becoming magnets for new technology, skilled personnel and research investment. These groups of enterprises tend to be well established and stable, innovating through strong backward and forward linkages with suppliers and customers" (OECD 1999, S. 7).

Die empirische Evidenz ist allerdings eher spärlich und meist nur auf einzelne Technologiebereiche bezogen. Immerhin gibt es Hinweise, dass die Geschwindigkeit, mit der neue Technologien in einer Region eingeführt werden, positiv von der Zahl der bereits in der Region ansässigen Nutzer dieser Technologie abhängt, was man als Indiz dafür ansehen kann, dass Innovationen innerhalb regionaler Technologiecluster schneller diffundieren als anderswo (Baptista 2000). Außerdem konnte in einer jüngst erschienenen Studie gezeigt werden, dass junge, wissensintensiv produzierende Unternehmen in humankapitalreichen Agglomerationen schneller wachsen als in Regionen, die weniger gut mit Humankapital ausgestattet sind (Audretsch, Dohse 2004).

5     Probleme der neuen Politik

5.1     Prototyp A: BioRegio

Hier lassen sich drei wesentliche Kritikpunkte benennen:

5.2     Prototyp B: InnoRegio

Während der BioRegio-Wettbewerb eindeutig eine Wachstumszielsetzung verfolgt, verfolgt der InnoRegio-Wettbewerb sowohl ein Ausgleichs- als auch ein Wachstumsziel: Ziel ist es zum einen, das innovative Potenzial des Standortes Deutschland insgesamt zu erhöhen, zum anderen einen Aufholprozess strukturschwacher Regionen (Ostdeutschland gegenüber Westdeutschland, besonders strukturschwache Regionen in Ostdeutschland gegenüber stärkeren Regionen) in Gang zu setzen. Beide Ziele mit einem Instrument erreichen zu wollen ist problematisch, da ein klarer „Trade off“ zwischen diesen Zielen besteht: Eine Wachstums- bzw. Effizienzzielsetzung erfordert, Fördermittel dort einzusetzen, wo sie den höchsten sozialen Grenznutzen stiften. Dies ist in der Regel dort, wo bereits ein gewisses Ausmaß an Forschungsinfrastruktur, technologischer Kompetenz etc. vorhanden ist, d. h., eine Wachstumszielsetzung erfordert in vielen Fällen eine „Stärkung der Starken“ wie im BioRegio-Wettbewerb. Die Ausgleichszielsetzung erfordert hingegen eine Förderung strukturschwacher Regionen, was unter gesamtwirtschaftlichen Effizienzgesichtspunkten bedenklich ist.

Weiterhin erscheint problematisch, dass die klare Regionenorientierung der Technologiepolitik, die bei BioRegio im Vordergrund steht, bei InnoRegio (zumindest teilweise) verloren geht: Während BioRegio die Regionen als Ganzes anspricht und auch den Wettbewerb innerhalb der Regionen fördert, bezieht sich die InnoRegio-Förderung eher auf einzelne Akteure bzw. einzelne innovative Projekte in den Regionen, so dass die Grenzen zur Projektförderung fließend sind. Von der Idee konkurrierender funktionaler Regionen ist InnoRegio damit weiter entfernt als BioRegio.

5.3     Allgemeine Probleme

Ein generelles Problem des regionenorientierten Ansatzes besteht darin, dass es leicht zu einer Diskriminierung innovativer Unternehmen außerhalb der Zielregionen der Förderpolitik kommen kann. Als schmale Gratwanderung erweist sich überdies die Bestimmung des angemessenen Maßes an Selektivität der Förderpolitik: eine klare regionale und technologische Schwerpunktsetzung wie im Falle von BioRegio impliziert wie oben ausgeführt eine „Anmaßung von Wissen“ (Hayek), während eine breit gestreute Förderung kleinerer Projekte wie im Falle von InnoRegio möglicherweise wirkungslos bleibt, weil die erforderlichen kritischen Massen nicht erreicht werden.

Zudem ist unklar, ob von der regionalen Clusterbildung innovativer Aktivitäten in einem Technologiebereich tatsächlich in nennenswertem Umfang positive Externalitäten ausgehen. Dies hängt nicht zuletzt davon ab, in welcher Phase des Industrie-Lebenszyklus sich die entsprechende Industrie befindet: Die Clusterbildung scheint geeignet, das Wachstum von Industrien bzw. Technologien, die sich in einer frühen Phase des Industrie-Lebenszyklus befinden, zu stimulieren; sie erscheint weniger geeignet für reifere Industrien bzw. Technologien.

6     Ausblick

Cluster ökonomischer Aktivitäten bestehen an verschiedenen Orten der Welt und in nahezu allen Wirtschaftszweigen. Diese Cluster, die sich ganz überwiegend spontan durch Eigeninitiative der lokalen Akteure herausgebildet haben, sind sehr verschiedenartig und jeweils stark durch lokale Gegebenheiten geprägt. Auch gibt es kein eindeutiges empirisches Bild im Hinblick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen von Clustern: Einzelfallstudien zeigen zumeist positive Wirkungen auf Beschäftigung, Umsatz, Produktivität und/oder Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Positive makroökonomische Wirkungen z. B. auf die Produktivität in einer Region sind jedoch oft schwierig zu identifizieren.

Die Politik kann die Bildung von innovativen Clustern am besten fördern, indem sie für geeignete Rahmenbedingungen und ein innovationsfreundliches Klima in den Regionen sorgt. Erste Erfahrungen mit den Prototyp-Modellen einer clusterorientierten Innovations- und Technologiepolitik (den Wettbewerben BioRegio und InnoRegio des BMBF) sind dabei durchaus ermutigend. Freilich sollte dabei nicht vergessen werden, dass es Jahrzehnte dauern kann, bis sich ein Cluster etabliert hat und erkennbar positive Auswirkungen auf die regionale Wirtschaft zeitigt.

Anmerkungen

[1] Die vier Programme der InnoRegio-Familie sind vom BMBF jüngst unter dem Dach der Innovationsoffensive „Unternehmen Region“ zusammengefasst worden. Von 1999 bis 2007 setzt das BMBF über 500 Mio. Euro für die Förderung der einzelnen Maßnahmen von „Unternehmen Region“ ein.

[2] Für die Teilnehmer am InnoRegio-Wettbewerb trifft dies weniger zu (s. a. Abschnitt 5.2).

Literatur

Audretsch, D.B.; Dohse, D., 2004:
The Impact of Location on Firm Growth. CEPR Discussion Paper 4332. London: Centre for Economic Policy Research

Baptista, R., 2000:
Do Innovations Diffuse Faster Within Geographical Clusters? In: International Journal of Industrial Organization 18, S. 515-535

BMBF - Bundesministerium für Bildung und Forschung, 1996:
BioRegio-Wettbewerb - Entscheidung im November. Pressemitteilung vom 25. Oktober. Bonn

BMBF - Bundesministerium für Bildung und Forschung,1999:
Ausschreibungsbroschüre: Innovative Impulse für die Region. Berlin

Cooke, P., 1998:
Introduction: Origins of the Concept. In: Braczyk, H.-J.; Cooke, P.N.; Heidenreich, M. (eds.): Regional Innovation Systems. London: UCL-Press, S. 2-25

Dohse, D., 2000:
Technology Policy and the Regions: The Case of the BioRegio Contest. In: Research Policy 29, S. 1111-1133

Frey, B.S.; Eichenberger, R., 1995:
Competition among Jurisdictions: The Idea of FOCJ. In: Gerken, L. (ed.): Competition among Institutions. London: Basingstoke, S. 209-229

Glaeser, E.L.; Kallal, H.D.; Scheinkman J.A.; Shleifer, A., 1992:
Growth in Cities. In: Journal of Political Economy 100, S. 1126-1152

Jaffe, A.; Trajtenberg M.; Henderson, R., 1993:
Geographic Localization of Knowledge Spillovers as Evidenced by Patent Citations. In: Quarterly Journal of Economics 108, S. 577-598

Krugman, P., 1994:
Competitiveness: A Dangerous Obsession. In: Foreign Affairs 73, S. 28-44

OECD, 1999:
Boosting Innovation: The Cluster Approach. Brüssel

Vanberg, V., 1994:
Wettbewerb in Markt und Politik: Anregungen für die Verfassung Europas. Sankt Augustin: COMDOK-Verlag

Kontakt

Dr. Dirk Dohse
Leiter der Forschungsgruppe Regionales Wachstum und Raumstruktur
Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel
Düsternbrooker Weg 120, 24105 Kiel
Tel.: +49 431 8814-460
E-Mail: ddohse∂ifw.uni-kiel.de