Energie aus Biogenen Reststoffen und Abfällen

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Energie aus Biogenen Reststoffen und Abfällen

von Ludwig Leible, ITAS

Biogene Reststoffe und Abfälle haben einen großen Anteil am gesamten deutschen Abfallaufkommen. In einer systemanalytischen Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) wurde untersucht, welche Chancen mit der energetischen Nutzung von biogenen Rest- und Abfallstoffen verbunden sind. Nachfolgend werden einige Ergebnisse aus dem vorläufigen Abschlussbericht dargestellt (Leible et al. 2002a).

1     Einführung und Zielsetzung

Das Aufkommen an biogenen Reststoffen und Abfällen in Deutschland wird mengenmäßig insbesondere durch die Land- und Forstwirtschaft, den privaten Verbrauch (kommunale Abfälle) und das produzierende Gewerbe bestimmt. Mit Blick auf das potenziell nutzbare Aufkommen besteht die Erwartungshaltung, dass eine effiziente energetische Nutzung dieser Stoffe wesentlich zum Ziel beitragen könnte, den Anteil der erneuerbaren Energieträger an der Energieversorgung zu erhöhen. Hierdurch würde mittel- und längerfristig eine nachhaltige Entwicklung sowohl in der Energiebereitstellung als auch bei der Abfallverwertung merklich unterstützt.

Maßgeblich für diese Erwartungshaltung sind vor allem folgende Punkte: 

Weitergehende Erläuterungen zu diesen Entwicklungslinien, die insbesondere durch Vorgaben der Politik bestimmt sind, finden sich bei Leible et al. (2002b).

Vor diesem Hintergrund hat ITAS eine systemanalytische Studie (Technikfolgenabschätzung) durchgeführt mit dem Ziel, die spezifischen Chancen und Risiken einer energetischen Nutzung von biogenen Reststoffen und Abfällen zu analysieren und einer Bewertung zuzuführen. Bei der Bearbeitung standen insbesondere die nachfolgenden Fragestellungen im Vordergrund: 

In der methodischen Vorgehensweise wurde angestrebt, technologieübergreifend möglichst einheitliche Abschätzungsmethoden bei den wichtigen Kenngrößen zu den Prozessketten der Bereitstellung, als auch bei den Verfahren der energetischen Nutzung der biogenen Reststoffe und Abfälle anzuwenden. Bei den Angaben zu den Aufkommens- und Verwendungsmengen an biogenen Rest- und Abfallstoffen sei angemerkt, dass diese aufgrund der bestehenden Lücken bei den zur Verfügung stehenden statistischen Daten nur einen orientierenden Charakter haben können und folglich keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit erheben.

Für die Auswahl der biogenen Rest- und Abfallstoffe waren vor allem nachfolgende Fragen bestimmend:

Vor dem Hintergrund dieser Fragestellungen wurden in der Studie folgende Rest- und Abfallstoffe in den Mittelpunkt der Untersuchungen gestellt: Gülle, Getreidestroh, Waldrestholz, Industrierestholz, Altholz, Küchenabfälle, Bioabfall aus der Biotonne, Klärschlamm und Restmüll (Hausmüll).

Mit Blick auf die Bereitstellung der biogenen Rest- und Abfallstoffe fanden bei der Analyse mehr als 50 verschiedene Verfahren eine Berücksichtigung. In Abhängigkeit vom biogenen Rest- und Abfallstoff setzt sich die Prozesskette der Bereitstellung aus unterschiedlichen Technologien der Erfassung, Konditionierung, des Transports und der Lagerung zusammen. Hierbei muss den jeweils spezifischen Anforderungen der Stoffe hinsichtlich Aufkommensort und Erfordernissen an die Konditionierung und den Transport Rechnung getragen werden. Maßgeblich für die auszuwählende Kombination von Prozessgliedern ist insbesondere die daran anschließende Art der energetischen Nutzung. Hierfür wurden rd. 40 höchst heterogene Technologien der Wärme- und Stromerzeugung aus biogenen Rest- und Abfallstoffen analysiert, von der Bio- und Klärgasgewinnung über die Verbrennung bis hin zur Vergasung.

In diesem Zusammenhang ist anzuführen, dass im Gegensatz zu den Verfahren der Bio- und Klärgasgewinnung bzw. der Verbrennung die Verfahren der Vergasung in fast allen Varianten noch nicht die Phase der erfolgreichen Demonstration im Dauerbetrieb erreicht haben. Deshalb müssen sich die ökonomischen Abschätzungen zur Vergasung darauf beschränken, welche spezifischen Kosten im Verlaufe der nächsten ca. 15 Jahre als möglich erscheinen, wenn man "Lernkurven" beim Übergang zu größeren Stückzahlen der Fabrikation von derzeit zugrunde gelegten Modellanlagen unterstellt. Abstriche bei der Belastbarkeit der Daten zu den Vergasungsverfahren sind dabei unvermeidlich.

Den aufgeführten Technologien zur Wärme- und/oder Stromerzeugung aus biogenen Rest- und Abfallstoffen wurden zur Beurteilung der Kosten, CO2-Emissionen und Beschäftigungseffekte entsprechende Technologien gegenüber gestellt, die fossile Energieträger einsetzen (= fossile Referenzen).

In Abbildung 1 ist stark vereinfacht dargestellt, wie prinzipiell bei der Analyse und Bewertung der Bereitstellung und energetischen Nutzung der biogenen Rest- und Abfallstoffe vorgegangen wurde. Zunächst wurden - jeweils in Abhängigkeit des Rest- und Abfallstoffs - die wesentlichen Kennwerte der Erfassung (technische, ökonomische, umweltrelevante, sozioökonomische) ermittelt. Daran schloss sich in gleicher Weise die Bearbeitung der Verfahren zur Konditionierung, Lagerung und Transport an. Am Ende der Prozesskette für die biogenen Rest- und Abfallstoffe standen jeweils deren energetische Nutzung und der Vergleich mit den fossilen Referenzen. Dieser Vergleich stellt die Basis für Abschätzungen dar, in welchem Umfang fossile Energieträger (Heizöl, Steinkohle) substituiert werden können, welche Mehrkosten damit verbunden sind bzw. welche CO2-Minderung oder zusätzlichen Beschäftigungseffekte realisiert werden können.

Abb. 1: Schematischer Aufbau der Prozesskettenanalyse

Abb. 1: Schematischer Aufbau der Prozesskettenanalyse

Nachfolgend werden als Überblick einige Ergebnisse zum Aufkommen, zur Zusammensetzung, Bereitstellung und energetischen Nutzung der biogenen Reststoffe und Abfälle vorgestellt. Bei den Ergebnissen zur energetischen Nutzung ist jeweils die Gesamtkette der Bereitstellung (Erfassung, Konditionierung, Lagerung, Transport) mit enthalten. Anhand der Kenngrößen "Stromgestehungskosten", "CO2-Minderung", "CO2-Minderungskosten" und den realisierbaren "Netto-Beschäftigungseffekten" wird jeweils dargelegt, wie sich die energetischen Verfahren im Vergleich zu den fossilen Referenzen darstellen.

2     Ergebnisse

2.1     Aufkommen an biogenen Reststoffen und Abfällen

In Deutschland beträgt das jährlich verfügbare Aufkommen an biogenen Reststoffen und Abfällen (Basis: 1999), das energetisch genutzt werden könnte, rd. 75 Mio. Mg an organischer Trockensubstanz (oTS). Davon kommen rd. 60 % aus der Land- und Forstwirtschaft (Abb. 2). Nicht berücksichtigt in diesen Potenzialabschätzungen ist das Pflegegut von Landschaftspflegeflächen, insbesondere aber von stillgelegten bzw. brachgefallenen Flächen in der Landwirtschaft. Dieses Aufkommen ist in den Angaben zur kommunalen Erfassung von Bio- und Grünabfall nicht enthalten. Darüber hinaus könnte auch der Festmist aus der Landwirtschaft über die Biogasgewinnung zur energetischen Nutzung herangezogen werden. In gleicher Weise ist - mit Ausnahme des Industrierestholzes - nicht berücksichtigt, inwieweit biogene Rest- und Abfallstoffe aus dem produzierenden Gewerbe energetisch genutzt werden könnten.

Aufgrund dieser zusätzlich noch darstellbaren biogenen Rest- und Abfallstoffe, die in Abbildung 2 noch nicht aufgeführt sind, könnte das Aufkommen, wie eigene Abschätzungen zeigen, von 75 Mio. Mg oTS um ca. 5-15 Mio. Mg oTS erhöht werden. Die aufgezeigte Abschätzung zum technisch erschließbaren Potenzial für eine energetische Nutzung ist folglich eher als konservativ zu klassifizieren.

Abb. 2: Aufkommen an biogenen Reststoffen und Abfällen zur energetischen Nutzung in Deutschland

Abb. 2: Aufkommen an biogenen Reststoffen und Abfällen zur energetischen Nutzung in Deutschland

Wie aus Abbildung 2 ersichtlich ist, sind Schwach-/Waldrestholz, Stroh (Überschussstroh), Gülle und der Restmüll (Hausmüll) mengenmäßig die dominanten Reststoffe und Abfälle.

Das angeführte Aufkommen an biogenen Rest- und Abfallstoffen von 75 Mio. Mg oTS entspricht einem jährlichen Pro-Kopf-Aufkommen von 0,9 Mg oTS oder einem Heizwert von rd. 450 Liter Heizöl. Dies entspricht rd. 9 % unseres Primärenergiebedarfs. Werden, wie oben ausgeführt, weitere biogene Rest- und Abfallstoffe mit einem Aufkommen von ca. 5-15 Mio. Mg oTS berücksichtigt, könnte dieser relative Anteil auf über 11 % erhöht werden. Mit dieser Perspektive ist das angeführte Potenzial an biogenen Rest- und Abfallstoffen für eine energetische Nutzung keinesfalls als gering einzustufen.

2.2     Zusammensetzung der biogenen Reststoffe und Abfälle

Die chemisch-physikalische Zusammensetzung der biogenen Rest- und Abfallstoffe ist hinsichtlich ihres TS- und oTS-Gehaltes, ihrer Schüttdichte und des Heizwertes (vgl. Tab. 1) aber auch hinsichtlich der Nährstoff- und Schadstoffgehalte sehr unterschiedlich. In der durchgeführten Studie wurden hierzu sehr detaillierte Daten zusammengestellt; hierauf kann an dieser Stelle jedoch nicht näher eingegangen werden.

Tab. 1: Biogene Reststoffe und Abfälle - Gehalte an TS und oTS, Schüttdichte und Heizwert (Hu)

Tab. 1: Biogene Reststoffe und Abfälle - Gehalte an TS und oTS, Schüttdichte und Heizwert (Hu)

Die verfügbaren technischen Verfahren zur energetischen Nutzung biogener Rest- und Abfallstoffe basieren im Wesentlichen auf biologischen und thermischen Prozessen. Für eine direkte energetische Nutzung, wie z. B. bei der Verbrennung oder Vergasung, ist der Heizwert (Hu) die wesentliche wertbestimmende Eigenschaft. Anhand der Beispiele Waldrestholz und Klärschlamm ist in Tabelle 1 veranschaulicht, welchen Einfluss der TS-Gehalt (Grad der Entwässerung bzw. Trocknung) auf den Heizwert hat. Zur Beurteilung der Höhe des Heizwertes ist anzuführen, dass ab einem Heizwert von 5 bis 6 MJ/kg Frischmasse (FM) von einer selbstgängigen Verbrennung der biogenen Reststoffe ausgegangen werden kann. Dies bedeutet, dass kein zusätzlicher Energieträger (z. B. Erdgas, Heizöl) nötig ist, um eine Verbrennung zu gewährleisten. Der Heizwert wird im Wesentlichen vom Trockensubstanzgehalt (TS-Gehalt) und von den organischen Inhaltsstoffen (z. B. Zellulose, Lignin, Proteine, Kohlenhydrate oder Fette) bestimmt.

Durch entsprechende zusätzliche Konditionierungsverfahren, wie z. B. Entwässerung, Trocknung oder Mischen mit anderen Reststoffen, kann die Konsistenz der biogenen Reststoffe und Abfälle entsprechend angepasst werden, um weitere technische Nutzungsmöglichkeiten zu erschließen. So benötigt z. B. ein effizientes Vergasungsverfahren Ausgangsstoffe mit einem TS-Gehalt von annähernd 90 %, so dass hierfür die biogenen Reststoffe in der Regel zuvor getrocknet werden müssen. Darüber hinaus hat der TS-Gehalt wesentlichen Einfluss auf das Transport- und Lagerverhalten der Rest- und Abfallstoffe.

2.3     Bereitstellung der biogenen Reststoffe und Abfälle

Wie sich die Bereitstellungskosten je nach Art und Aufbereitung des Reststoffs bzw. Abfalls unterscheiden können, veranschaulicht Abbildung 3. Dabei wird nach den Prozessschritten Erfassung (z. B. Ernte, Einsammeln), Aufbereitung (z. B. Entwässern, Trocknen, Häckseln, Pelletieren), Transport (einheitlich mit Lkw, 30 km Transportentfernung) und Sonstiges unterschieden. Hinter Sonstiges verbergen sich u. a. Kosten für Lagerung und Kostenansätze für Humusersatz- und Düngerwert.

Abb. 3: Kosten der Bereitstellung verschiedener biogener Reststoffe und Abfälle

Abb. 3: Kosten der Bereitstellung verschiedener biogener Reststoffe und Abfälle

Aus den Ergebnissen wird deutlich, dass sich ein niedriger TS-Gehalt (= hoher Wassergehalt) der biogenen Rest- und Abfallstoffe negativ auf die Bereitstellungskosten auswirkt, da i. d. R. eine technisch aufwendige Aufbereitung erforderlich ist bzw. hohe Transportkosten anfallen. Am Beispiel Klärschlamm ist zu ersehen, wie die Transport- und Bereitstellungskosten durch eine mechanische Entwässerung von 3 % auf 25 % TS bzw. durch thermische Trocknung auf 90 % TS reduziert werden können.

Mit hohen Kosten ist auch die Erfassung kleiner Chargen (z. B. Bioabfall) verbunden, die personalintensiv eingesammelt werden müssen. Ähnlich verhält es sich mit der aufwendigen Erfassung (Ernte) von Reststoffen im Bestand (z. B. Waldrestholz). Demgegenüber schneidet beispielsweise Industrierestholz (trocken, vorzerkleinert, bereits sortenrein erfasst) mit Bereitstellungskosten von unter 50 € pro Mg Trockenmasse (TM) sehr günstig ab.

Werden die Reststoffe mit dem größten Mengenpotenzial für eine thermische Verwertung - Stroh und Waldrestholz - betrachtet, so zeigt sich, dass die Erfassungskosten bei beiden in der gleichen Größenordnung liegen. Beim Transport weist Stroh aufgrund der niedrigeren Dichte trotz Verdichtung in Strohballen eher höhere Werte auf. Beim Waldrestholz (Hackschnitzel = HS) können Lagerkosten (s. Sonstiges) wesentlich zur Kostensteigerung beitragen. Bei Waldrestholz liegen die Bereitstellungskosten je nach TS-Gehalt - unterstellte Lagerung bzw. thermische Trocknung - zwischen 75 und 120 €/Mg TM. Stroh kann bei gleichen Transportentfernungen zu rd. 85 €/Mg TM frei Anlage geliefert werden. Diese Angaben resultieren aus Vollkostenrechnungen; in der Praxis kann es aufgrund spezifischer Rahmenbedingungen zu deutlich davon abweichenden Bereitstellungspreisen seitens des Anbieters kommen.

2.4     Energetische Verwertung biogener Reststoffe und Abfälle

Wie bereits ausgeführt, wurden im Rahmen der Studie rd. 40 höchst unterschiedliche Technologien zur Wärme- und Stromerzeugung aus biogenen Rest- und Abfallstoffen untersucht, von der Biogas- und Klärgasgewinnung (anaerobe Klärschlammstabilisierung) über die Verbrennung bis hin zur Vergasung. Nachfolgend sind als Überblick einige Ergebnisse zur Stromerzeugung dargestellt; auf eine Darstellung entsprechender Ergebnisse zur alleinigen Wärmeerzeugung muss hier verzichtet werden.

2.4.1     Stromgestehungskosten

Die Kosten der Stromproduktion über Biogas/ Klärgas, Verbrennung und Vergasung sind in Abbildung 4 dargestellt, in Abhängigkeit von der elektrischen Leistung der Anlagen. Als Vergleich dienen die Stromerzeugungskosten in einem Steinkohlekraftwerk, die bei rd. 45 €/ MWhel liegen, und der Bereich für die Stromvergütung nach dem EEG (2000) für die Einspeisung von Strom aus biogenen Rest- und Abfallstoffen. Diese Einspeisevergütung liegt in einem Bereich zwischen 66,5 und 101 €/MWhel, in Abhängigkeit vom eingesetzten Rest- und Abfallstoff, vom technischen Verfahren und der Anlagengröße. Anlagen mit einer elektrischen Leistung größer als 20 MWel und Anlagen zur Co- Verbrennung bzw. Co-Vergasung sind von der Förderung durch das EEG ausgeschlossen.

Trotz der erwähnten Einspeisevergütung sind bei den gegenwärtigen Preisen für fossile Energieträger nur die größten Biogas- und Klärgasanlagen wettbewerbsfähig. Mit der Co-Vergärung in Biogas- und Klärgasanlagen kann die Stromerzeugung zu geringeren Kosten erfolgen als bei der Verbrennung und Vergasung von Waldrestholz und Stroh. Die Ursache dafür ist hauptsächlich darin zu sehen, dass für die Anlagenbetreiber die Abnahme der Co-Substrate in teilweise sehr unterschiedlichem Umfange mit Erlösen verbunden ist, je nach Co-Substrat und Region. Alternativ müssten diese Co-Substrate mit deutlich höheren Kosten entsorgt werden, z. B. durch Verbrennung in Müllverbrennungsanlagen. Wie aktuelle negative Beispiele jedoch belegen, muss die Verwendung der Co-Substrate (z. B. strukturschwache Bioabfälle, Abfälle aus der Ernährungsindustrie, Küchenabfälle) einer regelmäßigen Überwachung unterzogen werden, um einem möglichen Missbrauch vorzubeugen.

Bei den strukturarmen Bioabfällen könnten Kläranlagen zukünftig - im Falle bestehender Reserven bei der Faulturmkapazität und bei der Abwasserreinigung - zunehmend zu Konkurrenten um geeignete Substrate für die Co-Vergärung werden. Durch Auslastung der kommunalen Faulräume lassen sich so für Kommunen deutliche Kostenvorteile erzielen, insbesondere wenn sich dadurch der zusätzliche Betrieb von reinen Bioabfallvergärungsanlagen vermeiden lässt.

Die ökonomische Analyse im Bereich der Verbrennung und Vergasung ergibt das folgende Bild: Trotz der im EEG festgelegten Einspeisevergütungen stellen sich die Stromgestehungskosten in Heizkraftwerken und Kraftwerken auf der Brennstoffbasis von Waldrestholz und Stroh als nicht wirtschaftlich dar. Ein wirtschaftlicher Betrieb dieser Biomasseanlagen wird unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen des EEG nur dadurch erreicht, dass kostengünstigere Alt- und Industrieresthölzer mit verbrannt werden.

Die Co-Verbrennung von Waldrestholz und Stroh im Steinkohlekraftwerk stellt eine vergleichsweise kostengünstige Möglichkeit dar, den fossilen Brennstoff Steinkohle bei gleichbleibender Kapazität teilweise zu substituieren. Sie wurde bereits bei unterschiedlichsten Feuerungsanlagen erfolgreich großtechnisch demonstriert, einschließlich bei der in Deutschland weit verbreiteten Staubfeuerung. Wie die Ergebnisse in Abbildung 4 zeigen, kann über die Co-Verbrennung von Waldrestholz und Stroh in einem Steinkohlekraftwerk Strom zu ca. 90 bis 95 €/MWhel weitaus günstiger als im Biomassekraftwerk produziert werden. Dies ist zwar rund doppelt so teuer wie eine Stromerzeugung ausschließlich über Steinkohle, es wären aber deutlich niedrigere Einspeisevergütungen nach dem EEG nötig, um die bestehenden Wettbewerbsnachteile auszugleichen.

Als Ausblick auf zukünftige Entwicklungen wurde in der Studie ein breiter Bereich von Vergasungstechnologien betrachtet. Diese Vergasungstechnologien für biogene Abfälle, einschließlich der zugehörigen Gasreinigung und -nutzung, befinden sich derzeit bei vielen Varianten noch in frühen Stadien der technischen Entwicklung und Demonstration. Obwohl die Datenbasis und die darauf aufbauende Bewertung der Vergasungstechnologien mit einer hohen Unsicherheit behaftet sind, lassen sich mit Vorbehalten einige Schlussfolgerungen ziehen: Für eine wirtschaftliche Stromerzeugung durch die Festbettvergasung von Waldrestholz im niedrigen elektrischen Leistungsbereich unter 500 kWel sind keine günstigen wirtschaftlichen Perspektiven zu erkennen. Für größere Vergasungsanlagen ab etwa einer elektrischen Leistung von 5 MWel ist am Beispiel von Anlagen mit Wirbelschichtfeuerung das Potenzial für Vorteile bei den Stromerzeugungskosten gegenüber den Verbrennungstechnologien erkennbar (vgl. Abb. 4).

Abb. 4: Stromgestehungskosten bei biogenen Reststoffen und Abfällen

Abb. 4: Stromgestehungskosten bei biogenen Reststoffen und Abfällen

2.4.2     CO2-Minderung und CO2-Minderungskosten

Ein Schwerpunkt der durchgeführten Studie lag in der Analyse und Gegenüberstellung der CO2-Minderung und der CO2-Minderungskosten der untersuchten Technologien zur energetischen Nutzung biogener Reststoffe und Abfälle. Unter CO2-Minderung wird dabei der Netto-Effekt verstanden, d. h. in diesem Umfang kann durch die Substitution fossiler Energieträger die bisherige CO2-Emission reduziert werden. Die durch die Bereitstellung der biogenen Reststoffe bedingten CO2-Emissionen sind hierbei berücksichtigt. Neben CO2 wurden in gleicher Weise auch CH4 und N2O bei dieser Analyse mit einbezogen und in der Summe als CO2-Äquivalente (CO2-Äq.) dargestellt, unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen Treibhauswirksamkeit.

Bei Biogas und Klärgas liegt die erzielbare CO2-Minderung zwischen 0,8 und 1,2 Mg CO2-Äq./MWhel. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Methanemission, welche bei der bisherigen Lagerung von Gülle und Klärschlamm entsteht, nicht berücksichtigt ist. Bei einer Berücksichtigung dieser vermiedenen Methanemissionen würde sich die CO2-Minderung um 25 bis 30 % erhöhen.

Bei der CO2-Minderung unterscheiden sich die rein stromgeführten Anlagen (Kraftwerke) deutlich von den Anlagen mit gekoppelter Erzeugung von Strom und Wärme (Heizkraftwerke, Blockheizkraftwerke). Dies wird vor allem bei der Verbrennung deutlich. Während bei alleiniger Stromerzeugung die Minderung knapp unter der spezifischen CO2-Emission des als Referenz betrachteten 500 MWel Steinkohlekraftwerks (0,96 Mg CO2-Äq./MWhel) liegt, kann bei den gekoppelten Anlagen eine CO2-Minderung zwischen 1 und 2 Mg CO2-Äq./MWhel realisiert werden. Bestimmend für diese Spanne ist das Ausmaß, inwieweit neben Strom zusätzlich auch aus fossilen Energieträgern bereitgestellte Wärme substituiert werden kann. Mit den Verfahren der Vergasung lässt sich eine CO2-Minderung im Bereich von 0,9 bis 1,1 Mg CO2-Äq./MWhel erzielen. Durch eine verbesserte Wärmenutzung ließe sich bei den Verfahren der gekoppelten Strom- und Wärmeproduktion die CO2-Minderung teilweise noch deutlich erhöhen.

In Abbildung 5 sind die Bereiche der CO2-Minderungskosten der verschiedenen betrachteten Technologien im Überblick aufgezeigt. Die CO2-Minderungskosten ergeben sich aus der erzielten CO2-Minderung auf der einen Seite und den Mehrkosten gegenüber der fossilen Referenz auf der anderen Seite. Mit ihrer Hilfe kann dargestellt werden, wie teuer die jeweilige Technologie bei der Verfolgung einer CO2-Minderungsstrategie ist. Die CO2-Minderungskosten sind folglich aufgrund der CO2-Reduktionsziele auf nationaler und internationaler Ebene für den Einsatz und die Förderwürdigkeit der verschiedenen betrachteten Technologien von zentralem Interesse.

Abb. 5: CO<sub>2</sub>-Minderungskosten bei der energetischen Nutzung biogener Reststoffe und Abfälle

Abb. 5: CO2-Minderungskosten bei der energetischen Nutzung biogener Reststoffe und Abfälle

Zur vergleichenden Bewertung dieser Ergebnisse wurden CO2-Minderungskosten aus einer Studie für das BMWi (2001) mit CO2-Minderungsszenarien zur Verfolgung der Minderungsziele der Bundesregierung herangezogen (= Referenzbereich). Diese Studie für das BMWi - ähnlich wie auch ältere Untersuchungen - belegt, dass sich für alternative Technologien zur Strom- und Wärmeerzeugung oder Wärmeeinsparung bei einem CO2-Minderungsziel von 25 % oder gar von 40 % mittlere CO2-Minderungskosten zwischen 50 und 100 €/Mg CO2-Äq. ergeben. Diese können angesichts teurerer Alternativen durchaus als akzeptabel eingestuft werden. Verglichen mit diesem Referenzbereich stellen sich die erzielbaren CO2-Minderungskosten bei der Bio- und Klärgasnutzung oder bei der Verbrennung und Vergasung von biogenen Reststoffen und Abfällen als sehr interessant dar. Beispielsweise lassen sich mit der reinen Gülle-Vergärung CO2-Minderungskosten zwischen 30 € (Großanlage) und 130 € (Kleinanlage) pro Mg CO2-Äq. realisieren. Werden zusätzlich Co-Substrate eingesetzt und die hierdurch erzielbaren Erlöse mit einbezogen, reduzieren sich diese Kosten auf ca. -20 € (Großanlage) und 55 € (Kleinanlage) pro Mg CO2-Äq.

Bei der Verbrennung sind die CO2-Minderungskosten der kleinen Heizkraftwerke besonders günstig. Dies liegt an der unterstellten guten Wärmenutzung und somit an der Substitution von Wärme, die ansonsten mit fossilen Energieträgern erzeugt würde. Praktisch realisieren lassen sich solche Anlagen, die möglichst ganzjährig Wärme an Wohn- und Gewerbegebiete abgeben können, jedoch nicht an jedem Standort. Sie sind vielmehr als günstige Fallbeispiele zu bezeichnen. Als Fazit ist festzuhalten, dass sich unter günstigen Rahmenbedingungen die CO2-Minderung teilweise ohne zusätzliche Mehrkosten realisieren lässt.

2.4.3     Beschäftigungseffekte

Mit der Bereitstellung biogener Reststoffe und Abfälle und deren energetischen Nutzung gehen positive Beschäftigungseffekte einher, wobei auf die bestehenden Unsicherheiten in der Abschätzung, insbesondere aber hinsichtlich der volkswirtschaftlichen Gesamtwirkung, hinzuweisen ist. Einen Überblick zu den erzielbaren Netto-Beschäftigungseffekten gibt Abbildung 6.

Abb. 6: Netto-Beschäftigungseffekte bei der energetischen Nutzung biogener Reststoffe und Abfälle

Abb. 6: Netto-Beschäftigungseffekte bei der energetischen Nutzung biogener Reststoffe und Abfälle

Zur besseren Vergleichbarkeit sind die Angaben zur Nettobeschäftigung auf die realisierte Netto-Stromproduktion der dargestellten Anlagen bezogen. In dieser Übersicht sind die Mehrbeschäftigungswerte (Arbeitskräfte (AK) pro TWhel) abgebildet, die sich für Anlagen mit biogenen Reststoffen und Abfällen gegenüber Anlagen mit fossilen Energieträgern ergeben. Als Referenz ist die Bruttobeschäftigung in einem Steinkohlekraftwerk (500 MWel) von rd. 500 AK/TWhel mit angegeben. Zur Illustration der Basis TWhel mag dienen, dass 1 TWhel dem durchschnittlichen jährlichen Stromverbrauch von ca. 300.000 Haushalten entspricht.

Betrachtet man die Netto-Beschäftigungseffekte, so ist ein ähnliches Muster wie bei den Stromgestehungskosten zu erkennen (vgl. Abb. 4). Besonders große Effekte werden bei den kleineren Anlagen erzielt, die auch die höchsten Mehrkosten gegenüber den fossilen Referenzen ausweisen. Durch die geringeren elektrischen Wirkungsgrade bei den kleinen Anlagen wird dieser Effekt noch verstärkt. Die abgeschätzten Netto-Beschäftigungseffekte werden vor allem von der Bereitstellung der biogenen Rest- und Abfallstoffe getragen. Diese relative Bedeutung der Bereitstellung der Energieträger nimmt mit steigender Anlagengröße zu. Besonders hoch ist dieser Anteil - mit bis zu 90 % - bei der Co-Verbrennung bzw. Co-Vergasung.

Mit Blick auf eine regionale Zuordnung der Beschäftigungseffekte kann davon ausgegangen werden, dass beispielsweise die entfallenden Arbeitsplätze im Bereich der Kohleverstromung weniger im ländlichen Raum anzusetzen sind. Dem steht gegenüber, dass der Arbeitskräftebedarf für die Bereitstellung der biogenen Rest- und Abfallstoffe vorwiegend in der Land- und Forstwirtschaft anzusiedeln ist.

Angesichts des begrenzten Umfangs der insgesamt möglichen zusätzlichen Beschäftigung können solche Auswirkungen zwar als positiv zu wertende Nebeneffekte anerkannt werden, sie können jedoch nicht das Hauptmotiv für die Förderung der energetischen Nutzung von biogenen Reststoffen und Abfällen sein. Stärkere Argumente für eine solche Strategie liegen vielmehr in den bereits diskutierten möglichen Beiträgen zur Minderung der Emission von treibhausrelevanten Gasen und in den hierfür vergleichsweise attraktiven Minderungskosten.

3     Schlussfolgerungen

Nach ersten Abschätzungen für einen längerfristigen Zeitraum von etwa 30 Jahren könnte im günstigsten Fall davon ausgegangen werden, dass biogene Reststoffe und Abfälle aus der Land- und Forstwirtschaft, aus dem Produzierenden Gewerbe und den Haushalten bis zu 10 % zur Deckung des heutigen Primärenergiebedarfs Deutschlands beitragen könnten. Dies wäre gleichbedeutend mit einem Beitrag von bis zu 40 % zum CO2-Reduktionsziel der Bundesregierung. Um dieses Szenario zu realisieren, sind zusätzliche massive Anstrengungen nötig. Die derzeitige energetische Nutzung von biogenen Reststoffen und Abfällen liegt - trotz der bestehenden Unsicherheiten in der absoluten Höhe - bei lediglich rd. 15 % des abgeschätzten Potenzials.

Obwohl die erneuerbaren Energien in Deutschland heute schon ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sind, stellen sie sich i.d.R. hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit noch nicht als Selbstläufer dar. Dies trifft auch auf die energetische Nutzung von biogenen Rest- und Abfallstoffen zu. Mit der Einführung des EEG wurden die bestehenden Wettbewerbsnachteile zwar deutlich gemindert bzw. teilweise sogar beseitigt; es müssen aber künftig eine Reihe von weiteren Maßnahmen ergriffen werden, um ihren Ausbau voranzutreiben. Gerade für KWK-Anlagen könnte durch eine gezielte Förderung der Wärmenutzung ("Wärmevergütung") eine effizientere Brennstoffnutzung und in Folge davon ein bedeutender Beitrag zur CO2-Minderung erschlossen werden.

Literatur

BiomasseV, 2001: BiomasseV, 2001:
Verordnung über die Erzeugung von Strom aus Biomasse (Biomasseverordnung - BiomasseV). BGBl I (29), 1234-1236

BMWi (Hrsg.), 2001:
Energiepolitische und gesamtwirtschaftliche Bewertung eines 40 %igen-Reduktionsszenarios. Endbericht von Prognos, EWI und BEI, Juli 2001. Gutachten erstellt im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWI), Dokumentation Nr. 492, Berlin

EEG, 2000:
Gesetz über den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG) sowie zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes und des Mineralölsteuergesetzes (vom 29. März 2000). BGBl 13, S. 305-309

Leible, L.; Arlt, A.; Fürniß, B.; Kälber, S.; Kappler, G.; Lange, S.; Nieke, E.; Rösch, Chr.; Wintzer, D., 2002a:
Bereitstellung und energetische Nutzung organischer Rest- und Abfallstoffe sowie Nebenprodukte als Einkommensalternative für die Land- und Forstwirtschaft - Möglichkeiten, Chancen und Ziele (FKZ: 97/NR219). Vorläufiger Abschlussbericht (unveröffentlicht). Karlsruhe: Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse

Leible, L., Arlt, A.; Seifert, H.; Kälber, S.; Nieke, E.; Wintzer, D.; Fürniß, B., 2002b:
Energie aus biogenen Abfällen - Stand und Perspektiven in Deutschland. In: DGMK (Hrsg.): Beiträge zur DGMK-Fachbereichstagung "Energetische Nutzung von Biomassen", 22. bis 24. April 2002 in Velen/Westfalen. DGMK-Tagungsbericht 2002-2, S. 63-70

Kontakt

Dr. Ludwig Leible
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Karlstr. 11, 76133 Karlsruhe
Tel.: +49 721 608-24869
E-Mail: ludwig leible∂kit edu