Internationale Konferenz: Regional Cycles: Regional Economy towards Sustainability (Leipzig, 31. Oktober - 02. November 2002)

Tagungsberichte und Tagungsankündigungen

Regional Cycles: Regional Economy towards Sustainability

Leipzig, 31. Oktober - 02. November 2002

Konferenzbericht von Bettina-Johanna Krings, ITAS

Auf nationaler wie europäischer Ebene wird das Konzept der Region als wirtschaftliche und soziokulturelle Einheit in vielfacher Hinsicht als Hoffnungsträger einer nachhaltigen Entwicklung bezeichnet. Doch welche Rolle können Regionen hier wirklich einnehmen?

Lassen sich selbsttragende Netzwerke zwischen Wirtschaftsakteuren aufbauen, die eine effizientere Ressourcennutzung und eine Verringerung von Stoffströmen ermöglichen? Können ökologisch orientierte Unternehmen dem in der Regel global ausgerichteten Wettbewerbsdruck standhalten? Welche Zukunft hat die Arbeit im regionalen Kontext? Entstehen neue Märkte und ein anderes Konsumverhalten durch direkte Produzenten-Kundenbeziehungen? Welche Auswirkung hat die Stärkung regionaler Identität auf soziale Netzwerke?

Die internationale Konferenz "Regional Cycles: Regional Economy towards Sustainability", die Ende Oktober 2002 im Rahmen der EUREGIA-Messe in den imposanten Leipziger Messehallen durchgeführt wurde, stellte die Abschlussveranstaltung eines gleichnamigen Forschungsprogramms des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) dar, das sich genau diesen Fragen widmete. Das Programm förderte für die Dauer von vier Jahren (1998-2002) Projekte, die in einem praxisorientierten Verfahren Modellprojekte ins Leben riefen. Diese Projekte waren gezielt in einem regionalen Kontext verankert und beinhalteten den Anspruch, die Ökologie, die Ökonomie sowie soziale Fragen miteinander zu versöhnen.

Wie der englischsprachige Titel der Konferenz schon signalisiert, wurde die Veranstaltung mit zwei Zielsetzungen durchgeführt: zum einen sollten die Ergebnisse der Modellprojekte des o. g. Programms präsentiert und diskutiert werden, und zum anderen sollte ein internationaler Austausch mit ähnlich angelegten Projekten in europäischen Nachbarländern sowie Ländern aus Übersee vorangetrieben werden. Vor allem den osteuropäischen Ländern wurde aufgrund der Osterweiterung der Europäischen Union ein prominenter Platz eingeräumt. Die Konferenz wurde vom BMBF finanziert und von The International Council for Local Environmental Initiatives (ICLEI) durchgeführt.

Die Region als Hoffnungsträger für eine nachhaltige Entwicklung

Ähnlich wie die inhaltliche Struktur des o. g. Programms war auch die Konferenz in folgende thematische Schwerpunkte organisiert: 

Diese Themenbereiche wurden im ersten Konferenzteil als methodisch-konzeptionelle Fragen organisiert und mit dem Modell einer nachhaltigen Entwicklung verknüpft.

Die in den Eröffnungsvorträgen gestellten Fragen nach den Möglichkeiten einer nachhaltigen Entwicklung, die auf der Basis von regionalen Wirtschaftskreisläufen entstehen, wurden durchweg positiv beurteilt. Beispiele aus Lokale Agenda 21-Prozessen in Europa sowie aus wirtschaftlichen Entwicklungsprojekten in den Ländern der südlichen Hemisphäre zeigten seit vielen Jahren, dass im Rahmen dieses Ansatzes große Potenziale sowohl für neue Wirtschaftskreisläufe als auch für soziale Lernprozesse liegen. Die Argumente für die positive Bewertung kleinräumig orientierter Wirtschaftsstrukturen wurden in der Überschaubarkeit der sozialen Akteure, der Reduzierung der Transportleistungen, der Optimierung der Materialflüsse und Energienutzung sowie - und dieses Argument wurde immer wieder betont - in der soziokulturellen Anbindung der Menschen in einer Region gesehen. Vor allem angesichts fortscheitender Globalisierungsprozesse wurde dem letztgenannten Aspekt für die nächsten Jahrzehnte eine bedeutsame Rolle zugesprochen.

Die in der Konferenz präsentierten Modellprojekte unterlagen in ihrer thematischen Vielfalt dieser Bewertung. So wurden die Projekte insgesamt als weitgehend erfolgreich dargestellt, wobei sich der Erfolg auf die sozialen Impulse bemaß, die durch die Modellprojekte im jeweiligen regionalen Kontext angestoßen wurden. Diese Impulse hatten bei vielen Projekten zu wirtschaftlichen Aktivitäten geführt, die sozialverträgliche und ökologische Kriterien im Wirtschaftkreislauf berücksichtigten. Aufgrund der Vielzahl der Projekte werden sie hier nicht im Einzelnen aufgeführt, sie sind jedoch für Interessierte auf der Webseite des Programms (s. u.) detailliert beschrieben.

Die wiederholten Fragen aus dem Auditorium machten jedoch schnell deutlich, worin die zentrale Problematik dieser regionalen Ansätze bestand: zum einen in der Übertragbarkeit eines Modellprojektes auf andere Regionen oder gar Länder und zum anderen in der wissenschaftlich-rationalen Messbarkeit der Resultate.

Regionale Nachhaltigkeit als Modell für die europäische Osterweiterung

Eine Konferenzeinheit widmete sich den Transformationsprozessen zum einen in den ostdeutschen Regionen und zum anderen in den Ländern, die jüngst in die EU integriert wurden. Die Präsentationen der meist hochrangigen Vertreter aus Wissenschaft und Politik standen in einem eigentümlichen Kontrast zu dem Kongressthema. Es wurde recht schnell deutlich, dass diese Transformationsprozesse auf hoher politischer Ebene nicht vorrangig unter den Gestaltungswillen einer nachhaltigen Entwicklung gestellt wurden, sondern dass es eher darum ging, die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit der Regionen nach dem Vorbild des westlichen Industrialisierungsmodells rasch voranzutreiben.

Exemplarisch wurde dies an den Regionen Leipzig/Sachsen, Kroatien und Slowakei vorgeführt, deren Vertreter vehement die Angleichung des wirtschaftlichen, politischen und sozialen Entwicklungsstandards in ihren Regionen forderten. Vor allem betonten sie die Notwendigkeit des intensiven Ausbaus der Infrastrukturen (Bau von Autobahnen, Ausbau der Schifffahrt, nach intensivem Nachfragen von Seiten des Auditoriums auch den Ausbau des Schienennetzes), um die Regionen an externe Wirtschaftsaktivitäten anschließen zu können.

Als Beispiel für eine erfolgreiche Regionalentwicklung stellte der amtierende Bürgermeister von Leipzig Holger Tschense die Stadtentwicklung von Leipzig und Umgebung vor. Er erläuterte, dass unter einem unvergleichbar hohen Investitionsaufkommen von Bund und teilweise auch der EU wirtschaftliche Förderpläne aufgelegt wurden, die vor allem im Bereich Tourismus angesiedelt wurden. Die Gestaltung der Stadt Leipzig berücksichtige in diesen Plänen auch das Modell einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Dies beinhalte die Ausweisung von Fahrradwegen genauso wie beispielsweise verkehrsberuhigte Zonen oder die Erhaltung der Grüngürtel im Stadtgebiet. Gleichzeitig erzählte er nicht ohne Stolz, dass sein verspätetes Eintreffen mit dem Umstand zu tun habe, dass am gleichen Tag eine Delegation des olympischen Komitees in der Stadt eingetroffen sei. Die Stadt habe sich als Gastgeberin für die Olympischen Spiele im Jahre 2012 beworben und habe vermutlich große Chancen, den Zuschlag zu bekommen. Dieser Zuschlag würde eine enorme Bautätigkeit in Gang setzen, um die Stadt "olympiareif" zu machen. So könne auch dem größten Problem der Stadt, der Arbeitslosigkeit, entgegengewirkt werden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Auditorium griffen alle die oben beschriebene Diskrepanz auf und fragten sehr allgemein, ob auf politischer Seite überhaupt ein Interesse an dem Modell einer nachhaltigen Entwicklung bestünde. Eine Teilnehmerin aus Australien beschrieb sehr anschaulich die Verkehrssituation in den australischen Großstädten und fragte, ob in den osteuropäischen Regionen nicht ein Interesse bestünde, aus den "Fehlern" der Industriestaaten zu lernen. Die anderen Fragen gingen in die gleiche Richtung und alle wurden auf dieselbe Art und Weise beantwortet: man würde das Modell einer nachhaltigen Entwicklung dann berücksichtigen, wenn es die wirtschaftlichen Umstände erlaubten.

Ferropolis als Modellprojekt für eine nachhaltige Entwicklung

Für Interessierte wurde am letzten Konferenztag eine Exkursion zum Bauhaus Dessau und Ferropolis angeboten. Sowohl die vollständige Renovierung des Bauhauses und der Meisterhäuser in Dessau als auch das Projekt "Ferropolis" wurden als kulturtouristische Projekte in der Region gefördert. Dr. Joachim Borner vom Kolleg für Management und Gestaltung nachhaltiger Entwicklung, Berlin, referierte während der Busfahrt einige Ergebnisse aus dem Projekt: "Zukunft der Arbeit und nachhaltiges regionales Wirtschaften in der Region Dessau-Bitterfeld-Wittenberg". Dieses Projekt wurde ebenfalls im Rahmen des o. g. Forschungsprogramms des BMBF gefördert.

Der Besuch des Bauhauses in Dessau, das nach den Entwürfen von Walter Gropius eine neue Epoche der Architektur und des Industriedesigns eröffnete, war seit seiner Fertigstellung im Jahre 1926 über lange Zeit architektonische, kulturelle und künstlerische Wirkstätte bedeutender Künstler. 1932 wurde die Schließung von den Nationalsozialisten erzwungen und seitdem wurde es in vielerlei Hinsicht fremdgenutzt. Erst im Jahre 1996 wurde das Bauhaus zusammen mit den Meisterhäusern in Dessau Weltkulturerbe der UNESCO. Die Renovierungsarbeiten an den Meisterhäusern wurden 2002 abgeschlossen, während das Bauhaus in den nächsten Jahren noch umfangreich restauriert werden wird. Es beherbergt jedoch heute schon die Stiftung Bauhaus Dessau, die sich der Bewahrung des Bauhauserbes und der Gestaltung einer neuer Lebensumwelt widmet, sowie Teile der Fachhochschule Anhalt.

Ferropolis ist die Halbinsel auf dem stillgelegten Braunkohle-Tagebau Golpa-Nord bei Bitterfeld. Sie ist heute ein begehbares Museum. Die fünf riesigen Bagger auf der Insel sind als künstlerisch gestaltete Skulpturen Zeugen der Vergangenheit, heute jedoch auch die Kulisse für Großveranstaltungen. Die Idee entstand 1989 im Bauhaus Dessau, umgesetzt wurde sie im Dezember 1995 vom damaligen Wirtschaftsminister von Sachsen-Arnhalt, der symbolisch die Stadt Ferropolis gründete, in der seit dem Jahr 2000 Veranstaltungen statt finden.

Wie J. Borner auch bestätigte, beinhalten beide Projekte ein großes Potenzial für Entwicklungsmöglichkeiten im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung, vor allem deswegen, weil die Region nach dem politischen Wechsel 1989 wirtschaftlich zusammengebrochen ist, die Industrie wurde völlig stillgelegt, der Boden und das Grundwasser sind durch den Kohleabbau auf Jahrzehnte schwer chemisch belastet, die Region erschien jahrelang in einem hoffnungslosen Zustand. Die Entwicklung der Tagebau-Folgelandschaft hat zu einem riesigen Seengebiet geführt, das sich nun langsam zu einem attraktiven Naherholungsgebiet entwickeln könnte. Das Problem, so Borner, sei jedoch die Zeit. Während sich in den Dörfern und Städten langsam sozio-kulturelle Strukturen entwickelten, die ein enormes kulturelles Potenzial für neue, an Nachhaltigkeit ausgerichtete Lebensformen in sich bergen, würden attraktive Strandzonen oder andere Gebiete in der Region jedoch schon von Investoren "aufgekauft", zu touristischen Zentren umgestaltet oder weite Teile der Region würden als Bauland für Gewerbegebiete zur Verfügung gestellt.

Um diesen Prozess aufzuhalten, hat beispielsweise der Umweltverband BUND begonnen, in der Region Waldgebiete aufzukaufen, um diese vor der schnellen Bebauung zu schützen. Dennoch zeige diese Entwicklung, dass die Politik hier aufgefordert sei, dem Modell einer nachhaltigen Entwicklung in der Gestaltung der Region Priorität einzuräumen, bleibe dies aus, so blieben auch kulturtouristische Attraktionen wie das Bauhaus in Dessau oder Ferropolis singuläre Erscheinungen in der Gesamtentwicklung der Region.

"Move and let move: Regions towards sustainability"

Die Erfahrungen mit den Modellprojekten sowohl im Forschungsprogramm des BMBF als auch im internationalen Kontext haben zu der Empfehlung: move and let move: regions towards sustainability geführt, deren Leitideen als Input vorab in die Konferenz eingespeist wurden. Die zentralen Aspekte können als inhaltliches Fazit für die intensiven Diskussionen im Rahmen der Konferenz zusammengefasst werden: 

Die Ergebnisse der Konferenz haben sehr anschaulich gezeigt, dass nicht nur die politischen und wirtschaftlichen Umbrüche in den osteuropäischen Ländern als Anlass genommen werden sollten, um über regional angelegte Wirtschaftskreisläufe nachzudenken. Auch in den hochindustrialisierten Ländern wird angesichts der zunehmenden Arbeitslosigkeit und der Ausgrenzung vieler Menschen aus den Wirtschaftsprozessen die Region wieder ein wichtiger Ort sein, von dem ein Anfang mit neuen Lebens- und Arbeitsmodellen gewagt werden kann.

Nähere Informationen zu dem Forschungsprogramm Regional Economy towards Sustainability sind zu finden unter: http://www.regional-sustainability.de/