Interdisziplinäres Kolloquium: Technik WELT Kultur - Technische Zivilisation und kulturelle Identitäten im Zeitalter der Globalisierung (Aachen, 01. - 02. Oktober 2002)

Tagungsberichte und Tagungsankündigungen

Technik WELT Kultur - Technische Zivilisation und kulturelle Identitäten im Zeitalter der Globalisierung

Aachen, 1. - 2. Oktober 2002

Tagungsbericht von Karl R. Kegler, Forum "Technik und Gesellschaft", RWTH Aachen

Seit den 80er Jahren verbindet sich mit dem Schlagwort "Globalisierung" eine gesellschaftspolitische Debatte um die weltweiten Veränderungsprozesse der modernen Weltzivilisation. Angesichts der komplexen und quasi "unaufhaltsamen" Wirkungsmacht, die einer über Kulturräume hinaus wirksamen Technik im Globalisierungsprozess zukommt, ist ein verstärktes Bemühen um ein besseres Verständnis dieser Mechanismen erforderlich. Neben Studien zu Technikverständnis und nationalen Technikstilen in den großen westeuropäischen Nationen, den Vereinigten Staaten, Japan und Korea gibt es noch zu wenige Einzelstudien zu Stellenwert und Technikgeschichte in anderen kulturellen Räumen. Die hier vorgestellte Aachener Konferenz thematisierte die Wechselwirkungen zwischen Technik als Motor und Effekt der Globalisierung und der unterschiedlichen kulturellen Einbettung von Technik.

Ursprünglich ein Begriff aus dem Kontext der internationalen Finanzmärkte und Kapitalströme, bezeichnet "Globalisierung" heute ein sehr viel weiteres Problemspektrum: weltweite Konkurrenz von Volkswirtschaften vor dem Hintergrund der komparativen Kosten von Arbeit und Produktion, global arbeitsteilige Entwicklung und Produktion von Gütern und ihre weltweite Vermarktung, Internationalisierung großer Unternehmen sowie staatlicher und nichtstaatlicher Interessenzusammenschlüsse, weltweite Migrationsströme und sich abzeichnende Umwelt- und Ressourcenprobleme planetarischen Ausmaßes. Globalisierung meint damit all jene Prozesse, die sich jenseits staatlicher Grenzen und Regelungsräume vollziehen.

Alle genannten Phänomene sind erst auf Basis technischer Innovationen, moderner Verkehrs-, aber vor allem Informations- und Medientechnologien in ihrer heutigen Tragweite möglich geworden. Globalisierung kann man so als einen weltweiten, durch technische Rahmenbedingungen bestimmten Modernisierungsprozess begreifen.

1     Welchen Stellenwert haben kulturelle Identitäten in der Globalisierung?

Neben Interessen und Institutionen, die diese Prozesse der Globalisierung steuern oder beeinflussen, sind unterschiedliche kulturelle Identitäten eine dritte ausschlaggebende Größe. Kulturen stellen Horizonte gemeinschaftlicher Erfahrungen und Orientierungssysteme angesichts neuer Herausforderungen dar. Diese Orientierungsrahmen werden dann bedeutsam, wenn sie als Selbstzuschreibungen von Individuen Anreize zum Handeln und zur Abgrenzung zu anderen Gemeinschaften bilden.

Technik wiederum ist kein unabhängig wirkendes Agens, sondern stets auch kulturelles Produkt der sie hervorbringenden oder die Art ihres spezifischen Einsatzes bestimmenden Gesellschaft. Mit der Beschleunigung technischen Fortschritts und dem Einsatz und Transfer von Technik im Zuge der Globalisierung erhält die Frage nach der kulturellen Relevanz von Technologien eine neue Qualität. Technik ist eine Grundkonstituente der modernen Zivilisation. Sie stellt eine Größe dar, die im Prozess der Globalisierung immer stärker in alle Lebensvollzüge eingreift und damit kulturelle Entwicklungen zunehmend formt und bestimmt. Dieser Prozess besitzt weltweite Bedeutung und beeinflusst sowohl die Umgestaltung von Arbeitsalltag und Privatleben wie von Wirtschaft und Politik.

Die durch Technik hervorgerufenen Modernisierungsprozesse sind - auch binnenkulturell - per se konfliktträchtig, da sie Lebensinhalte, Strukturen und Einflussmöglichkeiten verändern. Sie werden im Zeitalter der Globalisierung zu interkulturellen Vorgängen.

2     Technik als Motor kultureller Angleichung?

Der überwiegende Anteil der technischen Systeme, die heute weltweit zum Einsatz kommen, hat seinen Ursprung in den westlichen, säkularisierten und demokratischen Staaten. Faktisch mag dies darauf hinauslaufen, dass andere Kulturräume, die diese Systeme übernehmen werden, auch sehr viel von den kulturellen Rahmenbedingungen übernehmen, in denen diese Technik in ihrer spezifischen Ausprägung entstanden ist. Der Export westlicher Technik, Ausbildungssysteme, Populärkultur, Verhaltensmuster und Konsumgewohnheiten stellt für andere Kulturräume aber auch oft ein verschärftes Identitätsproblem, da er nicht allein mit neuen Konsummöglichkeiten, sondern mit der ungleichen Verteilung von Ressourcen und mit einer massiven Umwandlung des eigenen Lebensbereiches verbunden ist. Aus der Frage nach der eigenen Identität resultiert mitunter die Empfindung von Modernisierung als Bedrohung und als Gegenreaktion die Flucht in eine in Abgrenzung konstruierte kulturelle Identität.

Das Forum "Technik und Gesellschaft" der RWTH Aachen griff diese Themen im Spannungsfeld zwischen einer global wirksamen Technik und einer Vielfalt von sehr unterschiedlich geprägten Kulturräumen der Erde in seinem sechsten interdisziplinären Kolloquium auf, das am 1. und 2. Oktober 2002 in Aachen stattfand. Das Forum ist ein Zusammenschluss fachübergreifend denkender und handelnder Hochschullehrer und Institute der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, dem heute 57 Mitglieder angehören. Im Mittelpunkt der Aktivitäten des Forums, das seit 1989 aktiv ist, steht die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Geistes- und Gesellschaftswissenschaften auf der einen Seite und den Natur- und Ingenieurwissenschaften auf der anderen Seite. Neben Aktivitäten in Forschung und Lehre veranstaltet das Forum in zweijährigem Rhythmus internationale und interdisziplinäre Kolloquien zu übergreifenden Themen der Technikentwicklung.

3     Technik und Lebenskulturen

Die erste Sektion der Tagung widmete sich kulturellen Handlungsmustern in der Gestaltung von technischen Produkten und im Umgang mit ihnen. Den Auftakt für diese Tagungssektion setzte Professor Dr. Wiebe E. Bijker, (Maastricht, Niederlande) mit der These der "Social Construction of Technology": technologische Entwicklungen beinhalten nicht ausschließlich technische Inhalte, sondern sind implizit und oft unerkannt durch eine Vielzahl von Einflüssen aus anderen Bereichen geprägt. Die Logik technischer Entwicklungen ist folglich nicht durch einen folgerichtigen Fortschritt bestimmt, sondern es gibt, so Bijker, immer Wahlmöglichkeiten und Einflussfaktoren, die die Entwicklung in einem Land anders verlaufen lassen als in einem anderen.

Inwiefern sich unterschiedliche Selbstverständnisse und Arbeitskulturen auf die Modernisierungsprozesse und Innovationskraft von Volkswirtschaften auswirken, führte Professor Dr. Ryoichi Koda von der Kumamoto-Gakuen Universität (Japan) am Beispiel der Einführung computergesteuerter Werkzeugmaschinen in Japan aus. Während die ersten programmgesteuerten Werkzeugmaschinen in den späten vierziger Jahren in den USA entwickelt und diese Entwicklungen dann Mitte der fünfziger Jahre in Deutschland aufgenommen wurden, entwickelte sich Japan ab den siebziger Jahren zum führenden Hersteller und Exporteur von NC-gesteuerten Werkzeugmaschinen.

Grund für die schnellere Übernahme in Japan war eine spezifische japanische Arbeits- und Innovationskultur. In Japan gebe es - so Koda - trotz der Gruppenorientierung der Beschäftigten zwischen den einzelnen Gruppen einen sehr scharfen Wettbewerb, der ein einzigartiges Arbeitsmuster bedingt. Jede Gruppe möchte genau über den Fortschritt der anderen Gruppen Bescheid wissen und sobald eine Gruppe eine bessere Maschine oder eine bessere Arbeitsmethode entwickelt, versucht die andere, sie sofort zu übernehmen. Dies bewirkt eine schnelle Übernahme der jeweils modernsten Technologien.

Mit unterschiedlichen nationalen Technikstilen und Innovationskulturen setzte sich auch Professor Dr. Wolfgang König (Technische Universität Berlin) auseinander. Während auf dem großen einheitlichen US-amerikanischen Markt in der Phase der ersten Hochindustrialisierung um 1900 höhere komparative Arbeitskosten im Maschinenbau früh zu Bestrebungen der Technisierung und Mechanisierung der Produktion beitrugen, hatten europäische Maschinenbauer demgegenüber ihr Angebot auf einen differenzierten und wählerischen Binnenmarkt auszurichten. Während folgerichtig in den USA bessere Chancen für Typisierung, Normierung und Massenproduktion bestanden, dominierte im europäischen Maschinenbau Kleinserien- und Einzelfertigung. Der amerikanische Maschinenbau ließe sich, so König, daher mit dem Begriff der Produktionskultur charakterisieren, der europäische mit dem der Konstruktionskultur.

Als weitere Differenzierung kommt hinzu, dass die britische und amerikanische Industrialisierung weitgehend ohne schulische Ausbildungsstätten für Ingenieure auskam. Dagegen etablierte sich in Frankreich und Deutschland früh eine (quasi) universitäre Ausbildung für Ingenieure. Für die Ingenieurausbildung und das Selbstverständnis von Ingenieuren in Großbritannien und in den USA lässt sich daher der Begriff der Praxiskultur, für Frankreich und Deutschland der Begriff Schulkultur heranziehen.

Verschiedene Konstruktions- und Schulkulturen werden auch heute noch beim Transfer von Technologien wirksam, wie König am Beispiel der Automobilproduktion des Volkswagen-Konzerns in China illustrierte.

4     Produktionskulturen

Die zweite Tagungssektion war der Frage gewidmet, inwiefern Produktionssysteme ohne Berücksichtigung kultureller Kontexte übertragbar sein können und welche spezifischen Ausprägungen sie an einzelnen Standorten in unterschiedlichen Kulturräumen oder im Kontext unterschiedlicher Unternehmenskulturen erhalten.

Den einführenden Vortrag zu dieser Sektion hielt Herr Professor Günter Spur vom Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik in Berlin. Technik bestimmt nicht nur das Innovationspotenzial der Wirtschaftswelt, sie durchdringt auch massiv die Lebenskultur. Angesichts ihrer komplexen und unaufhaltsamen Dynamik ist ein verstärktes Bemühen um ein besseres Verständnis dieser Mechanismen erforderlich. Einerseits wirkt der technologische Wandlungsprozess unserer Industriegesellschaft in seiner rationalen Ausrichtung produktiv auf das Wirtschaftssystem, in seiner globalen Ausstrahlung aber auch initiativ auf die differenzierte Entwicklung der verschiedenen Kulturkreise. Die Globalisierung der Märkte hat zwar durch den Wettbewerb zu einer technologischen Anpassung der einzelnen Wirtschaftsregionen geführt, nicht aber zu einer stabilen Angleichung der Lebensqualität der unterschiedlichen Gesellschaftskulturen. Die eingesetzte Technik ist damit über die Grenzen volkswirtschaftlicher Produktionssysteme hinausgewachsen und als globales Korrektiv der gesellschaftlichen Entwicklung wirksam. Aus dem Vorhandensein eines derartig nachhaltig wirksamen Technologiepotenzials ergibt sich die Notwendigkeit, Fortschritt auch an ethischen und ökologischen Kriterien politisch zu bewerten und neue Dimensionen gesellschaftlicher Verantwortung für die Technik als einem Gradienten des kulturellen Fortschritts zu entwickeln.

Die Wirkungsweisen dieser Mechanismen aus der Perspektive und im Selbstverständnis eines global tätigen Unternehmens wurde durch den Vortrag von Herrn Professor Dr.-Ing. Joachim Milberg, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der BMW-Group, dargestellt. Milberg widmete sich in seinem Vortrag Unternehmenskultur und Globalisierung am Beispiel der BMW-Group. Der Begriff der "Unternehmenskultur" wird im Kontext von unterschiedlichen Netzwerkbeziehungen im Unternehmen als "Vertrauenskultur" wirksam, die sich sowohl nach innen zum Mitarbeiter wie nach außen zum Kunden richtet. Neben Einstellungen, Werten, Verhaltensweisen der Beteiligten sowie den Unternehmensleitlinien und -zielen zeichnet nach Milberg die konkrete Gestaltung der Arbeits- und Führungsorganisation die Kultur eines Unternehmens aus. Fragen nach Gerechtigkeit, dem Wert von Arbeit und materiellem Wohlstand werden in verschiedenen Kulturen jedoch völlig unterschiedlich gestellt und aus völlig unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Dementsprechend fallen auch die Antworten auf solche Fragen oft völlig unterschiedlich aus.

Als Lösungsstrategie vor diesem Problemhintergrund schlug Milberg eine verstärkte Mitarbeiterbeteiligung vor sowie, die betrieblichen Arbeits- und Produktionsprozesse in einer Weise zu organisieren, die selbständiges Handeln zulässt und die Mitarbeiter entsprechend qualifiziert und informiert.

Eine davon stärker abweichende Sichtweise vertrat Dr. Herbert Demel, der scheidende Präsident von Volkswagen do Brasil. Gegenüber den Premiumsegmenten in der Automobilbranche, auf die sich Hersteller wie BMW, Mercedes oder Audi eingestellt haben, gibt es in den Entwicklungsländern bei den Einstiegsmodellen im Automobilsektor Potenziale für eine Vielzahl markt- und regionaltypischer Varianten, die eine Reihe von markttypischen Spezifikationen aufweisen. Im hochindustrialisierten und -reglementierten Europa aber können solche Modelle schon allein deshalb nicht verkauft werden, weil sie nicht alle geltenden gesetzlichen Bestimmungen erfüllen. Bei dem prognostizierten Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens wird in den Entwicklungsländern auch ein erheblicher Anstieg des Motorisierungsgrades folgen. Dies bedingt - vor allem bei den Einstiegsmodellen - eine größere Vielzahl von speziell für diese Märkte und Mobilitätskulturen entworfenen Lösungen.

Kulturell bedingte Schwierigkeiten durch unterschiedliche Ausbildungssysteme oder nationale Technikstile sah Demel im Unterschied zu Professor König dagegen nicht. Die Qualifikation der Arbeiter sei entweder da oder, wenn sie nicht da ist, sei sie trainierbar. Es könne vielleicht etwas mehr Aufwand bedeuten, aber es spreche nichts dagegen, auf eine grüne Wiese im Irgendwo eine Fabrik zu setzen, Mitarbeiter zu trainieren, die nie Autos gebaut haben und sie dann - mehr oder weniger aus dem Stand - in die USA zu exportieren.

5     Wissenskulturen

Wissenstransfer und Wissenstradierung sind, so Professor Gerd Antos (Univ. Halle), zentral für das Funktionieren jeder Kultur. Antos eröffnete die dritte Sektion der Tagung, die sich unterschiedlichen kulturellen Praxen und Organisationsformen im Umgang mit Wissen zuwandte. Über Vererbung (und die Verehrung des Vererbten) definieren und legitimieren sich seit alters her Kulturen. Technik ist demgegenüber eine bereichsspezifische Suprakultur, die über bestimmte Nationalkulturen hinaus reicht. Auf der Welt gibt es eine Vielzahl solcher bereichsspezifischen Suprakulturen, wie Medizin, Medien- und Musikkultur, Wissenschaft oder Ökologie. Bereichsspezifische Suprakulturen konkurrieren heute einerseits in vielen Ländern mit autochthonen, ethnisch, religiös und geoökologisch geprägten Kulturen. Andererseits relativierten diese Suprakulturen und damit auch die "Suprakultur Technik" diese überkommenen Kulturen und beschnitten sie in ihrem Anspruch und ihren Fähigkeiten, ungebrochene Identitäten zu stiften. Fundamentalismus könne als eine der weltweit spektakulärsten Reaktionen auf diesen Erfolg der Technik als Weltkultur betrachtet werden.

Antos folgerte, dass Technik ihren kulturellen und interkulturellen "Mehrwert" durch Projekte deutlich machen müsse, die Wissen für die Zukunft bereitstellen. Diese Aufgabe habe auch einen normativen Aspekt, denn Techniker konstituieren eine Wertegemeinschaft. Glaube an Kausalität, Rationalität, an den Wert von Präzision und Qualität, Disziplin, Informationsfreiheit, die Macht von Erfahrungstatsachen, vor allem aber an die "Macht des Wissens" und damit auch an die Wirkung der Verbreitung von Wissen seien Grundinhalte dieser Wertegemeinschaft der Technik.

Inwiefern unterschiedliche Verständnisse von Wirtschaft, Umwelt und Technik in der Umsetzung internationaler Vereinbarungen reale Folgen zeitigen, illustrierte Dr. Anita Engels (Univ. Bielefeld) am Welthandel mit CO2-Emissionszertifikaten. Der internationale Handel mit CO2-Emissionszertifikaten ist von Festlegungen für ein weltweites Monitoring und für entsprechende technische Standards abhängig, damit Klarheit besteht, womit gehandelt werden kann. Kulturelle Differenzen zwischen westlichen Industrienationen und afrikanischen, südamerikanischen oder asiatischen Entwicklungsländern können in diesem Kontext nicht überraschen. Engels arbeitete jedoch heraus, dass auch innerhalb der Gruppe der einkommensstarken OECD-Länder große Differenzen bestehen, die im Rahmen des Risikomanagements für globalen Klimawandel eine zentrale Rolle spielen. Zwar hat sich auf der Ebene internationaler Verhandlungen eine eigenständige Wissenskultur herausgebildet, in der globale Risikomanagementmodelle erzeugt werden. Diese Wissenskultur wird von sogenannten epistemischen Gemeinschaften getragen, in denen gemeinsame Werte, Überzeugungen und Wissensbestände genutzt werden, um jenseits der vorhandenen Differenzen verallgemeinerbare Lösungen mit universalistischem Anspruch zu generieren. Die Möglichkeiten und Grenzen der Umsetzung solch globaler Modelle des Risikomanagements werden jedoch auf nationaler Ebene sehr unterschiedlich wahrgenommen und bewertet.

Engels konstatierte abschließend eine Vielheit nationaler Wissenskulturen im Prozess der Globalisierung. Da auch internationale Abkommen lokal und regional umgesetzt werden müssen, ist eine Kenntnis dieser nationalen Sonderkulturen ausschlaggebend für den Erfolg und für die Handhabung der internationalen Risikomanagementmodelle.

Wie der Umgang mit solchen unterschiedlichen Wissenskulturen in internationalen Unternehmen operationalisiert werden kann, entfaltete abschließend Dr. Adrian Walti von der Boston Consulting Group Zürich in einem Überblick über "Kulturübergreifende Kommunikation als Herausforderung der globalen Wissensgesellschaft". Während, wie Walti ausführte, das Management von explizit vorhandenem, relativ stabilem und daher standardisierbarem Wissen heute mit Wissensmanagementsystemen in Unternehmen gut unterstützt wird, stellt der Umgang mit impliziten und innovativen Wissenselementen nach wie vor eine grosse Herausforderung dar. Zusätzlich erschwert wird diese Aufgabe durch Globalisierungsprozesse, welche Wissensmanagement in einen multikulturellen Kontext stellt und dadurch die Komplexität der Kommunikation erheblich erhöht. Ein rein technischer und informationslogisch basierter Ansatz helfe, so Walti, hier nur begrenzt weiter. Demgegenüber schlug Walti eine Integration interkulturellen Wissensmanagements in die Unternehmenskultur vor.

6     Fazit

Angesichts der komplexen und quasi "unaufhaltsamen" Wirkungsmacht, die einer über Kulturräume hinaus wirksamen Technik im Globalisierungsprozess zukommt, ist ein verstärktes Bemühen um ein besseres Verständnis dieser Mechanismen erforderlich. Neben Studien zu Technikverständnis und nationalen Technikstilen in den G7-Nationen gibt es noch zu wenige Einzelstudien zu Stellenwert und Technikgeschichte in anderen kulturellen Räumen. Insbesondere eine differenzierte Studie zu Technikauffassung und Technikbewusstsein in der muslimischen Welt stellt ein Desiderat dar.

Eine ähnliche Bestandsaufnahme ist für den Bereich des "tacit-knowledge" zu formulieren. Dieses Konzept stellt zwar für das Verhältnis von explizierbarem und transferierbarem Technikwissen zu je kulturell verschiedenen, nicht explizierten Formen des Wissens einen Schlüsselbegriff dar, jedoch gibt es keine Studien, die jenseits von Einzelbeispielen einen Überblick über die hier greifbar werdenden unterschiedlichen Kompetenzen und Verhaltensweisen zusammenbringen. Allerdings ist ein solches Vorhaben von großer Komplexität geprägt, da Kulturen keine einheitlichen Blöcke darstellen. Es besteht auch innerhalb der großen Kulturkreise eine Vielzahl von unterschiedlichen Zugängen, Traditionen und Praxen im Umgang mit Technik.

Für die Bearbeitung dieser Aufgaben erscheint der Austausch mit den Erfahrungen international tätiger Unternehmen und Institutionen als wichtige Vorbedingung.

Die Veröffentlichung der Tagungsergebnisse erfolgt Mitte 2003 im Kölner Böhlau-Verlag. Eine Vorveröffentlichung der gekürzten Beiträge ist im Januar 2003 im Wissenschaftsmagazin Wechselwirkung erschienen. Unter der unten angegebenen Internetadresse können die Schlussthesen der Tagung, Zusammenfassungen der Vorträge und zentrale Statements der Teilnehmer aus der Diskussion abgerufen werden.

Die Tagung im Internet:
http://www.twk.rwth-aachen.de.