Biologisch-dialogisch: Risikokommunikation zu Grüner Gentechnik

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Biologisch-dialogisch: Risikokommunikation zu Grüner Gentechnik

von Markus Hertlein, Eva Klotmann, Christoph Rohloff, IFOK GmbH - Institut für Organisationskommunikation

Im Projekt „Dialogmanagement Biologische Sicherheitsforschung“ erarbeitete das Institut für Organisationskommunikation (IFOK) für das BMBF mit Standortdialogen und Fokusgruppen Empfehlungen zur Risikokommunikation. Zusätzlich erstellte IFOK eine Studie über kommunikatives Risikomanagement. Im Ergebnis zeigte sich, dass das Potenzial professioneller Risikokommunikation zu Biologischer Sicherheitsforschung, aber auch zu anderen potenziellen Risikotechnologien noch nicht voll ausgeschöpft ist. In den Empfehlungen werden Maßnahmen zur verbesserten Risikokommunikation vorgeschlagen, die unterschiedliche Risikodimensionen in einen integrierten Risikomanagementansatz mit einbeziehen.

Die kommerziellen Anwendungen aus biotechnologischen Verfahren bleiben in der Öffentlichkeit weiterhin umstritten. Besonders im Bereich der Grünen Gentechnik sind die Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern seit Jahren verhärtet. Positiven Effekten, zum Beispiel Schädlingsbekämpfung mit weniger Pestiziden oder verbesserte Ernährungssicherheit durch qualitativ hochwertigere Erträge, stehen mögliche, noch unbekannte Auswirkungen auf das ökologische Gleichgewicht oder mögliche Beeinträchtigungen der Gesundheit von Mensch und Tier gegenüber. Die Food and Agricultural Organisation argumentiert, dass sich mit gentechnisch verändertem Reis Hunger und Vitaminmangel in Entwicklungsländern besser bekämpfen ließen (FAO 2004). Kritiker argumentieren, dass die Industrien der OECD-Welt lediglich neue Absatzmärkte suchten und verschärfte ökonomische Abhängigkeiten provozierten. Schließlich manifestiert sich der Konflikt auch in den nationalen und internationalen Wettläufen um Arbeitsplatzsicherung und Wettbewerbsförderung, die mit den Prinzipien des Vorsorgeprinzips, der Koexistenz und der Wahlfreiheit konkurrieren.

Vor diesem Hintergrund begleitet das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) schon seit 1987 die Entwicklung der Grünen Gentechnik in Deutschland mit Maßnahmen zur Biologischen Sicherheitsforschung. Hier sollen vor allem die biologischen und ökologischen Folgen der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen (GVP) wissenschaftlich untersucht und entsprechende Vorschläge u. a. auch zum Monitoring und Risikomanagement von GVPs erarbeitet werden.

Doch auch die Biologische Sicherheitsforschung birgt gesellschaftliches Konfliktpotenzial. Die Freisetzung von GVPs in Feldversuchen führt immer wieder zu Protestaktionen und auch Feldzerstörungen. Kritiker der Biologischen Sicherheitsforschung führen zwei Argumente ins Feld. Zum einen sei Sicherheitsforschung nichts anderes als „Akzeptanzforschung“, die den allgemeinen Einsatz von GVPs vorbereiten soll. Zum anderen weisen sie auf ein Paradox hin, das der Biologischen Sicherheitsforschung innewohnt: Sie provoziert für ihre Forschungsziele genau jene ungewollten Auskreuzungsrisiken, die sie beherrschen will. In geschlossenen Experimenten ist dies das herkömmliche Verfahren zur Risikoerforschung und -bewertung. In offenen Naturräumen hingegen lässt sich die unkontrollierte Auskreuzung mit möglicherweise irreversiblen Folgen nicht mehr ausschließen (vgl. hierzu allgemein Bechmann, Stehr 2000).

1     Das Projekt Dialogmanagement Biologische Sicherheitsforschung

Dem BMBF-Förderschwerpunkt „Sicherheitsforschung und Monitoring“ lag die Idee zugrunde, einen naturwissenschaftlichen Forschungsverbund, in dem Projekte der Biologischen Sicherheitsforschung gefördert werden, mit einer Reihe begleitender Projekte zu verknüpfen. Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Relevanz Biologischer Sicherheitsforschung sollten neben den naturwissenschaftlichen Förderprogrammen von Beginn an auch Maßnahmen zum Dialogmanagement Biologischer Sicherheitsforschung erprobt werden. Die Aufgabe dieser begleitenden Projekte bestand unter anderem darin, die vom BMBF geförderte Forschung in der Öffentlichkeit bekannter und deren Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. IFOK, das Institut für Organisationskommunikation, erforschte hierzu in Kooperation mit dem Institut für Wissenschafts- und Technikforschung an der Universität Bielefeld über einen Zeitraum von drei Jahren (April 2001 - Juni 2004) dialogische Maßnahmen zur kommunikativen sowie zur verfahrensrechtlichen Begleitung Biologischer Sicherheitsforschung (IFOK 2004).

Die für das Projekt geplanten Standortdialoge zwischen Sicherheitsforschern und Bürgern sollten dabei über einen bloßen Informationsaustausch hinausgehen. Moderierte Gesprächsrunden sollten es ermöglichen, Vorurteile abzubauen, Missverständnisse aus dem Weg zu räumen und auf beiden Seiten neue Bewertungsmöglichkeiten der jeweiligen Wahrnehmung der Faktenlage zu ermöglichen.

Im Projektverlauf zeigte sich jedoch, dass die Sicherheitsforscher und Standortbetreiber das bekannt werden ihrer Forschungsstandorte und damit möglicherweise einhergehende Feldzerstörungen befürchteten. Kritische Anrainer und Gentechnikgegner kritisierten mangelnde Ergebnisoffenheit des Dialogprojekts. Zudem war das Konzept „Biologische Sicherheitsforschung“ vielen Bürgern nicht geläufig und die Unterscheidung zwischen forschungsgetriebener und kommerzieller Aussaat blieb aus der Risikowahrnehmung der Anrainer heraus nicht ausreichend nachvollziehbar.

In einer daraufhin veränderten Projektanordnung wurde nun eine durch das Zufallsprinzip zusammengestellte Fokusgruppe mit Sicherheitsforschern zusammengeführt, die gemeinsam Empfehlungen zur Kommunikation der Biologischen Sicherheitsforschung erarbeiten sollten. Der Schwerpunkt der Gespräche verlagerte sich dabei schnell von speziellen Fragen zur Biologischen Sicherheitsforschung auf grundsätzlichere Fragen Grüner Gentechnik. Sind gentechnisch veränderte Lebensmittel noch natürlich? Wo ist der Punkt erreicht, an dem eine Rückkehr zu konventionellem Anbau und gentechnikfreien Produkten nicht mehr möglich ist? Welche Kontrollmöglichkeiten habe ich als Verbraucher?

Es zeigte sich in der Fokusgruppe deutlich, dass die Teilnehmer in einer moderierten Diskussion durchaus differenziert, sachlich und auch gemeinwohlorientiert mit den Sicherheitsforschern argumentieren konnten und wollten. Der aus den Naturwissenschaften oft zu hörende Vorwurf, dass Laien Expertenwissen nicht verstünden, konnte somit nicht bestätigt werden. Unsere Beobachtungen zeigten vielmehr, dass beide Seiten Schwierigkeiten hatten, die Kommunikationsebene und Rationalität der jeweils anderen Seite überhaupt anzuerkennen. Kommunikationsschwierigkeiten waren somit auf die ungenaue Adressierung der jeweiligen Risikodimensionen (Sach- und Wissensebene versus ethische und normative Dimension) zurückzuführen und weniger auf mangelndes Sachwissen oder Urteilsvermögen.

2     Lessons learned? Handlungsempfehlungen für Behörden und Unternehmen

In der Auswertung des Projekts und im theoretischen Studienteil interessierte uns daher vor allem, wie unterschiedliche Risikodimensionen kommunikativ besser adressiert werden können. Das mögliche aneinander vorbeireden von Sicherheitsforschern und Bürgern weist zumindest auf den Verbesserungsbedarf von Risikokommunikation hin (Hampel, Renn 2001).

Theoretisch lassen sich drei derartige Risikodimensionen unterscheiden: Wissenskonflikte, Unsicherheitskonflikte und Wertekonflikte. Bei den Wissenskonflikten geht es um die Interpretation komplexer sachlicher Zusammenhänge: Kann eine gentechnisch veränderte Pflanze mit Wildpflanzen auskreuzen? Was passiert, wenn es zu Hybriden kommt? Bei Unsicherheitskonflikten hingegen geht es um Unsicherheit als Folge von „Nichtwissen“: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich besonders angepasste genetisch veränderte Wildpflanzen evolutiv einen Vorteil verschaffen und sich ungebremst fortpflanzen? Konflikte, bei denen es um die unterschiedliche moralische oder weltanschauliche Bewertung solcher Fragen geht, sind Wertekonflikte: Wiegen die Risikopotenziale irreversibler Auskreuzungen die positive Wirkung auf die Ernährung in der Dritten Welt auf?

Kommunikatives Risikomanagement mit dieser Zielgenauigkeit und mit antizipierendem Anspruch steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Ohne professionelle Dialoggestaltung besteht bei der Einführung neuer Technologien immer wieder aufs Neue die Gefahr, dass gesellschaftliche Konfliktpotenziale eskalieren und sich die ökonomische und ökologische Chancenauswertung verzögert und verteuert (Carius, Renn 2003). Basierend auf den Beobachtungen im Projekt „Dialogmanagement Biologische Sicherheitsforschung“ und dem theoretischen Studienteil wurde als Empfehlung folgende Leitthese für eine „risikointegrierte Innovationsstrategie“ formuliert:

Risikotechnologien, wie die zahlreichen biotechnologischen Anwendungen, aber auch zunehmend die Nanotechnologie und konvergente Technologien, erfordern eine professionelle dialogische Begleitung mit gezielten Kommunikationsmaßnahmen (vgl. Meili 2003). Minimalziel jeder Risikokommunikation sollte dabei die Anbahnung der Fähigkeit zur Risikoakzeptanz sein. Verantwortungsvolle Risikokommunikation bedeutet also, Akzeptanzfähigkeit zu ermöglichen, nicht jedoch die Akzeptanz selbst herbeizuführen, die der jeweiligen individuellen Entscheidung vorbehalten bleiben sollte.

Folgende Maßnahmen können dieses Ziel unterstützen:

Voraussetzung für die Einbettung von Forschungsförderung in einen gesellschaftspolitischen Kontext ist, dass politische Akteure entscheidungsvorbereitende Partizipation als demokratische Grundregel aufwerten. Zwar lassen sich die meisten Konfliktfälle durch die verfassten Regeln der repräsentativen Demokratie kanalisieren. Wenn Regulierer ihre Kanalisierungsfunktion jedoch nicht mehr adressaten-, phasen- und konfliktgerecht wahrnehmen, entwickeln sich möglicherweise diskursive Schieflagen und schwer auflösbare gesellschaftliche Blockaden.

Um dies zu vermeiden, sollten regulative Entscheidungen bei Risikotechnologien vermehrt durch umfassende und mehrschichtige Partizipations- und Mediationsprozesse vorbereitet werden. Allerdings dürfen Dialogmaßnahmen nicht Harmonie und Konsens um jeden Preis bedeuten und bestehende Meinungsunterschiede zerreden oder weichspülen. Kommunikation ist nicht per se gut, sondern sollte - sofern echte Handlungsfreiräume bestehen - auch über den Dissens zu einem begründeten und nachvollziehbaren Sachstand führen. Alleine mit der Anerkennung der Wertewelt des jeweils anderen durch die streitenden Parteien ist schon viel gewonnen.

Nur geeignete kommunikative Prozesse und Methoden können zu einem zeitnahen gesellschaftlichen Konsens über das jeweils akzeptable Verhältnis von Chancennutzung und Risikoakzeptanz Grüner Gentechnik und anderer Risikotechnologien führen. Grundvoraussetzung für eine derartige konstruktive Konfliktbearbeitung ist die Aufdeckung zugrunde liegender Strukturen und Dynamiken, die komplex und wertebehaftet sind. Eine deutliche Schwerpunktverlagerung vom Management technischer Risikoabschätzungen hin zu den kommunikativen Aspekten bei der Regulierung und Implementierung von Risikomanagementprozessen ist in diesem Sinne überfällig.

Auf der Sachebene sollten zunächst mit Joint Fact Finding-Prozessen Themen identifiziert werden, in denen gesellschaftlicher Konsens oder Dissens besteht oder in Zukunft zu erwarten ist. Auf der Nutzenebene geht es dann vor allem um die Untersuchung der unterschiedlichen Interessenlagen. Damit diese Aushandlungsprozesse nicht in ein Nullsummenspiel münden, in dem der Gewinn des einen den Verlust des anderen bedeutet, sollte eine Lösung gefunden werden, die allen Beteiligten einen Nutzen beschert (win-win Konstellation). Auf der Ebene der Werte und Normen ist es wichtig, dass Wertekonflikte sich nicht mit Sachwissen auflösen lassen. Hier konkurrieren unterschiedliche Weltbilder und Normen miteinander, die es zu akzeptieren gilt und deren prinzipielle Gleichrangigkeit in einer offenen und pluralistischen Gesellschaft Voraussetzung für das respektvolle und friedliche Miteinander sind (vgl. Abb. 1).

Abb. 1: Matrix risikointegrierter Innovationsstrategien

Abb. 1: Matrix risikointegrierter Innovationsstrategien

In öffentlichen Diskursen ziehen sich Wissenschaftler jedoch nicht selten auf die ihnen vertraute Sachebene zurück, während Verbraucherschützer und Interessenverbände auf der Nutzenebene argumentieren. Für die Öffentlichkeit liegt der Schwerpunkt der Diskussion oft auf der normativ-ethischen Ebene. Um diese Ebenen dialogisch aufeinander zu beziehen, bedarf es auch struktureller und vor allem verfahrensrechtlicher Veränderungen im wechselseitigen Umgang von Behörden, Unternehmen und Öffentlichkeit (Münte, Bora 2004).

Für behördliche Entscheider und Regulierer sollte eine angemessene Risikokonflikt-Analyse für das jeweilige Konfliktfeld zumindest die drei Konfliktdimensionen „Komplexität“, „Unsicherheit“ und „Ambiguität“ sowie die drei entsprechenden Diskursebenen Sach-, Nutzen- und Werteebene identifizieren. Zudem sollte bestimmt werden, in welcher Phase sich der Konflikt befindet, wie er sich vermutlich weiter entwickeln wird und welches die jeweiligen Konflikttreiber sind, bevor über weitere Kommunikations- und Dialogmaßnahmen entschieden wird.

Für die Industrie und die anwendungsbezogene Forschung gilt, die Risikodimensionen in die jeweiligen Technologiezyklen zu integrieren und sie strategisch zu nutzen. So können auf jeder Diskursebene und in der jeweils geeigneten Phase ausgewählte Instrumente für klar definierte Akteure und Zielgruppen entwickelt und eingesetzt werden (vgl. Abb. 1).

Literatur

Bechmann, G.; Stehr, N., 2000:
Risikokommunikation und die Risiken der Kommunikation wissenschaftlichen Wissens. Zum gesellschaftlichen Umgang mit Nichtwissen. In: GAIA, Bd. 9, Nr. 2, S. 113-121

Carius, R., Renn, O., 2003:
Partizipative Risikokommunikation. Wege zu einer risikomündigen Gesellschaft. In: Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. Bd. 46, Nr. 7, S. 578-585

FAO, 2004:
The State of Food and Agriculture 2003-2004. Agricultural Biotechnology: Meeting the needs of the poor? FAO Report, Rom

Hampel, J.; Renn, O. (Hrsg.), 2001:
Gentechnik in der Öffentlichkeit. Wahrnehmung und Bewertung einer umstrittenen Technologie. Frankfurt am Main: Campus

IFOK - Institut für Organisationskommunikation, 2004:
Projektbericht „Dialogmanagement Biologische Sicherheitsforschung“ der IFOK GmbH - Institut für Organisationskommunikation im Auftrag des BMBF. Bensheim

Meili, Chr., 2003:
Parallelen zwischen der Gentechnik- und der Nanotechnologie-Debatte. Eskalation früh verhindern. In: riskBrief. Notizen aus dem Risiko-Dialog, Nr. 4, Dezember 2003, S. 1-2 (hrsg. Stiftung Risiko-Dialog, St. Gallen)

Münte, P.; Bora, A., 2004:
Strukturprobleme der Kommunikation zwischen Genehmigungsbehörde und Bürgern im Verwaltungsverfahren. Rechtspolitische Empfehlungen für das BMBF auf der Grundlage einer Untersuchung der Kommunikationsstrukturen im gentechnikrechtlichen Anhörungsverfahren. Abschlußbericht im Rahmen des Projektteils „Dialog“ des Projektverbundes „Kommunikationsmanagement in der Biologischen Sicherheitsforschung“ im BMBF-Förderschwerpunkt „Sicherheitsforschung und Monitoring“. Universität Bielefeld: Institut für Wissenschafts- und Technikforschung (IWT)

Kontakt

Dr. Christoph Rohloff
IFOK GmbH - Institut für Organisationskommunikation
Berliner Ring 89, 64625 Bensheim
Tel.: +49 6251 8416-958
E-Mail: christoph.rohloff∂ifok.de
Internet: http://www.ifok.de