Tagungsberichte zur NTA5

Tagungsberichte

Tagungsberichte zur NTA5

Bern, Schweiz, 30. Oktober – 1. November 2012

Zum fünften Mal traf sich die deutschsprachige TA-Community, um auf einer gemeinsamen wissenschaftlichen Tagung aktuelle Forschungsergebnisse zu diskutieren. Urte Brand liefert einen ausführlichen Überblick. Bei dieser Tagung, die heuer in Bern stattfand, feierte die TA-SWISS ihr 20-jähriges Bestehen. Dies nimmt Stefan Böschen zum Anlass, den Blick zurück nach vorn zu wenden.

Was denkt sich die TA? Bericht von der fünften Tagung des Netzwerks TA

von Urte Brand, Universität Bremen[1]

„Vordenken – mitdenken – nachdenken“ – unter diesem Motto stand die fünfte Konferenz des Netzwerks Technikfolgenabschätzung, die im Anschluss an die Jubiläumsfeier „20 Jahre TA-SWISS“ in Bern stattfand. In der Eröffnungsrede von Michael Decker wurden diese drei Funktionen der TA thematisiert: Vordenken als Entwicklung von Zukünften und Optionen, um exploratives Orientierungswissen und Zielvorstellungen zu generieren. Mitdenken als Monitoring und Sensibilisierung für aktuelle (gesellschaftliche) Themen und Kontroversen und schließlich Nachdenken als reflexive Analyse von Problemen und Konfliktsituationen, möglicherweise auch das Neu-Aufrollen und die Neuorganisation von Diskursen.

1    Podiumsdiskussion: Nachfrageorientierte Sichtweise der TA

Auf dem Podium diskutierten Ulla Burchardt (Vorsitzende des Deutschen Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung), Ruperta Lichtenecker (Abgeordnete zum Österreichischen Nationalrat) und Ruth Humbel (Schweizer Nationalrätin in der Staatspolitischen Kommission und Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit) unter der Moderation von Sergio Belucci (TA-SWISS) über ihre Sicht als Parlamentarierinnen auf die TA. Buchardt betonte, dass sich die Rahmenbedingungen des Gelingens von parlamentarischer TA in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich darstellen würden. Diese müssten systematisch erhoben und aufgearbeitet werden, um Angebote von TA-Einrichtungen adressatengerecht zu entwickeln und die parlamentarische Effektivität der TA zu erhöhen. Lichtenecker hob, neben dem vorzeitigen Erkennen von Technikfolgen und Schwachstellen, besonders die aktive Mitgestaltung am Technikwandel und die unabhängige und sachliche Information der Öffentlichkeit über Techniken als Aufgabe der TA hervor. Unabhängigkeit und Transparenz i. S. der Offenlegung von Prämissen seien Qualitätsmerkmale, die TA für die Politik von Lobbying unterscheide. Regelmäßiger Informationsaustausch und Dialog mit den Abgeordneten könnten die Entscheidungsqualität durchaus verbessern. Humbel betonte schließlich die Notwendigkeit einer ganzheitlichen, wissenschaftlich fundierten Entscheidungshilfe für die Politik. Hierfür sei ein intensiver persönlicher und institutionalisierter Austausch notwendig. Die abschließende Frage nach den Möglichkeiten einer verbesserten Kommunikation machte deutlich, dass Optimierungspotenzial v. a. in einer anwenderbezogenen, transparenten Aufbereitung und Bereitstellung von Informationen sowie in adressatenspezifischer Kommunikation liege. Die Aufgaben der Wissenschaft sahen die drei Teilnehmerinnen der Podiumsdiskussion in der vorausschauenden Themenfindung und -setzung sowie in der Entwicklung von Optionen und Methoden. Die eigentliche Bewertung und Auswahl der Optionen sei in erster Linie Aufgabe des Parlaments. Zum Abschluss der Diskussion betonten Burchardt, Lichtenecker und Humbel, dass v. a. die internationale Vernetzung bisher zu wenig Berücksichtigung in der TA finde.

2    Einblicke in die Sektionen

Sektion 1: Methodische Aspekte der TA

Diese Sektion wurde von Richard Beecroft (TU Darmstadt) mit der Vorstellung seiner in Zusammenarbeit mit Jan C. Schmidt entwickelten Methode des Scenario Mapping eröffnet. Hierfür lotete er zunächst die Grenzen der konventionellen Szenariomethode aus und gab dann Einblicke in die neue Methode, welche die Argumentstruktur von Szenarien ins Zentrum stellt. Am konkreten Beispiel zum Thema „Können Roboter Pflegepersonal im Bereich der Altenpflege ersetzen?“ stellte Beecroft anschaulich das Wechselspiel von Annahmen und Bewertungen, Tatsachen und Möglichkeiten vor, welches durch die Methode transparent werde. In der anschließenden Diskussion kamen Fragen nach den Anwendungsmöglichkeiten der Methode auf. In diesem Zusammenhang betonte Beecroft, dass das Scenario Mapping lediglich als Ergänzung zur Szenariomethode diene. Weiterhin wurde die hohe Transparenz der Methode gelobt. Abschließend äußerte Beecroft den Wunsch, die Methode an konkreten Projekten zu erproben.

Ausgehend von den drei Thesen einer Verwissenschaftlichung von Beratungsprozessen, einer neuen Unübersichtlichkeit von Wissenslagen sowie einer TA als kritische Reflexionswissenschaft stellte sich Stefan Böschen (ITAS) in seinem Vortrag den Fragen nach der Form und Gestaltungsweise von „Wissensprozessordnungen“. TA stehe seiner Meinung nach vor zwei Herausforderungen, nämlich zum einen, Wissen aus wissenschaftlichen, aber auch nicht-wissenschaftlichen Quellen für Entscheidungsprozesse bereitzustellen und zum anderen, Ungewissheiten und das Nichtwissen über die Zukunft zu berücksichtigen. Damit verbunden würden sich jedoch Probleme der Wissenshierarchisierung ergeben. In der Diskussion kam die Frage auf, wer denn überhaupt Richter über die Wissensprozessordnung sei. Hier wurden konkrete Beispiele wie REACH herangezogen und diskutiert.

Im zweiten Teil der Sektion schlug Reinhard Riedl (Fachhochschule Bern) unter dem Begriff der Open TA vor, in sozialen Medien (Web 2.0) Diskurse zu lancieren und die Reaktionen darauf wiederum technisch auszuwerten (Web 3.0). Durch die Iteration des Verfahrens sollte das Verfahren auch demokratieverträglich sein. Jan C. Schmidt diskutierte konzeptionelle und methodische Herausforderungen der TA. Am Beispiel der Synthetischen Biologie deckte er auf, dass ein Forschungsparadigma (hier: Selbstorganisation) bereits vor darauf aufbauenden Technologien bewertungsrelevant in einer „prospektiven TA“ sei. Walter Peissl (ITA Wien) stellte in seinem Vortrag „Vom ‚guten Leben’ mit neuen Technologien: Technikfolgenabschätzung als Lernexperiment“ schließlich einen Projekttag vor, an dem Schülergruppen sich je einem Technologiefeld widmeten. Die Resonanz: Eine Technikschule führte einen Ethikteil in ihren Abschlussarbeiten ein, eine Schülergruppe entwickelt mittlerweile in Eigenregie Schuhsensoren für Sehbehinderte.

Die vorgestellte Sektion trug insbesondere dazu bei, zum einen neue Methoden der TA aufzuzeigen und zum anderen die methodische Herangehensweise der TA zu reflektieren. Wünschenswert wäre gewesen, die Beiträge themenspezifisch im ersten bzw. zweiten Sektionsteil zu bündeln.

Sektion 2: Spannungsfeld Politik und Wissenschaft

In der parallel stattfindenden Sektion stellte Susanne Benöhr-Laqueur (Universität Bremen) die rechtliche und politische Situation der öffentlich vielfach diskutierten Reproduktionsmedizin in Deutschland und in der Schweiz vor. In beiden Ländern sei die Reproduktionsmedizin restriktiv geregelt und teils sehr alte Rechtsgrundsätze stünden neuen technischen Möglichkeiten gegenüber. Der rechtliche und politische Konflikt entflamme in dem Moment, in dem andere Länder die Reproduktionsmedizin anders regelten. Benöhr-Laqueuer plädierte für eine über die Nationalgrenzen gedachte rechtliche und politische Lösung dieses Problems.

Stephan Bröchler (Universität Duisburg-Essen) beschäftigte sich in seinem Beitrag mit der Fragestellung „Wie lassen sich die unterschiedlichen Zeithorizonte von langfristig angelegter TA und Politik vereinbaren?“ und widmete sich dabei dem Thema Risk Governance. Er stellte anhand verschiedener Theorien zu Zeitregimen eine Problemskizze und Diagnose der Zeitkrise in der angewandten Politikwissenschaft vor. Dabei sei Zeit eine Risikokategorie demokratischer Politik. Anschließend stellte Bröchler die Ergebnisse einer Untersuchung staatsbezogener politisch-administrative Ansätze und gesellschaftsbezogener Konzepte vor. Diese hatte zum Ziel, Hinweise für demokratieverträgliche Handlungsstrategien zu erhalten, wie sich die häufig langen Zeithorizonte von TA und die kurz- bzw. mittelfristigen Zeittaktungen von Politik besser vereinbaren lassen. In einem Großteil der Ansätze werde laut Bröchler unter dem Stichwort „Krise des Regierungsmanagements“ mehr Partizipation gefordert und diskutiert.

Im zweiten Teil der Sektion wurden die aktuellen Bedingungen und der Nutzen verschiedener Verfahren partizipativer TA diskutiert. Ulrich Egger (Egger, Philips + Partner) blickte auf seine Erfahrungen als Moderator von vier Schweizer PubliForen zurück. Er plädierte dafür, an diese sehr guten Erfahrungen anzuknüpfen und empfahl der TA-SWISS, wieder stärker auf große und aufwändige Partizipationsformate zu zentralen Themen zu setzen – anstatt auf kleinere Verfahren im Fokusgruppen-Format. Anschließend ging Stefanie Seitz (ITAS) der Frage nach, was Laienfokusgruppen zur Politikberatung in Governancefragen der Nanotechnologie beitragen können. Sie kam zu dem Schluss, dass sich Fokusgruppen gut eignen würden, um Einblicke in Empfindungen, Einstellungen und Meinungen sowie in die Risikowahrnehmung von BürgerInnen zu erhalten.

Insbesondere die beiden ersten Beiträge zeigten eindrucksvoll Beispiele für Spannungsfelder zwischen Politik und Wissenschaft auf. Eine bessere Verzahnung der Vorträge hätte ggf. zu einer noch fruchtbareren Diskussion geführt. So konnte bspw. nicht geklärt werden, welche Schlussfolgerung sich für die Reproduktionsmedizin ergeben würde, wenn sich das vorgestellte System des Risk Governance verwirklichen würde. Die anderen beiden Beiträge fokussierten vermehrt auf konkrete Verfahren, um Spannungsfelder zwischen Politik und Wissenschaft zu mindern – in beiden Fällen das Verfahren der partizipativen TA.

Sektion 3: Ethik und moralische Konflikte

In der nachfolgenden Sektion machte Oliver Bendel (Hochschule für Wirtschaft, Fachhochschule Nordwestschweiz) in seinem Beitrag darauf aufmerksam, dass sich in der Lehre weder Informatiker, Wirtschaftsinformatiker noch die philosophischen Fakultäten im deutschsprachigen Raum mit Fragen der Informationsethik beschäftigen würden und plädierte gleichzeitig für eine Verbesserung der Bedingungen. Lediglich an einer Berufsfachschule würde das Thema behandelt werden – in dem Fach „Religion“. Dies ergab eine Analyse der deutschsprachigen einschlägigen Literatur. Es liege mithin nicht nur eine Forschungslücke vor: Das Thema werde laut Bendel „vorsätzlich nicht behandelt“. Dem stehe gegenüber, dass sich IT-Unternehmen, wie etwa Microsoft, mit professionell gestalteten Webseiten der Thematik widmen – seiner Meinung nach um das Thema zu entdramatisieren. In der anschließenden Diskussion konnte jedoch nicht hinreichend geklärt werden, warum sich der von Bendel bezeichnete Widerstand gegenüber dem Thema Informationsethik manifestiert.

Anschließend stellte Marc Dusseldorp (ITAS) seine Untersuchung verschiedener Konfliktbegriffe, die in der TA eine wichtige Rolle spielen, vor. Er unterscheide dissensuale Konfliktbegriffe, mit denen Konflikte zwischen Personen thematisiert werden (z. B. Interessenkonflikt), und konsensuale Konfliktbegriffe, die Konflikte zwischen Normen benennen, über deren jeweilige Gültigkeit aber zugleich Konsens besteht. Die Untersuchung zielte auf die Frage, welche Rückschlüsse aus der prominenten Rolle konsensualer Konfliktbegriffe in der TA auf deren Selbstverständnis gezogen werden könnten.

Mit den beiden Vorträgen wurden einerseits das Thema (Informations-)Ethik und andererseits das Thema Konflikte angeschnitten, wie der Sektionstitel erwarten ließ. Hilfreich wäre jedoch eine ganzheitlichere Sicht und bessere Verzahnung der Vorträge gewesen.

Sektion 4: Lessons Learned

In dieser Sektion berichtete Benedikt Rosskamp (Université de Liège) berichtete in seinem Vortrag von den starken Dynamiken der TA in der Wallonie (Belgien) und den damit verbundenen Entwicklungen des TA-Instituts „Spiral“. Zurückzuführen seien diese Entwicklungen u. a. auf die 2008 durchgeführte Studie an der Université de Liège, im Rahmen derer über 50 Innovationsakteure zu ihrer Haltung gegenüber institutionalisierter TA in der Wallonie befragt worden seien. Die Hauptherausforderungen seit der Institutsgründung liegen laut Rosskamp in der räumlich engen Beziehung zu Brüssel, in der Konsolidierung und Wahrung einer politischen Unabhängigkeit sowie in der Finanzierung.

Während der zweiten Hälfte der Sektion stellte André Gazsó (ITA Wien) das noch bis 2013 laufende Projekt „Nanotrust“ vor und zog eine erste Bilanz. Als kontinuierlich verfolgte Ziele des Projektes definierte Gazsó neben der Erfassung von Risiko- und Wissensständen, das Identifizieren von Defiziten und die Etablierung einer Wissensplattform. Darüber hinaus solle Nanotrust zur Erleichterung von Debatten über Nanotechnik beitragen, indem es strukturiertes Wissen liefere.

Die beiden Referenten gaben dem Auditorium interessante Einblicke in ihre über deutsche Grenzen hinweg stattfindenden TA-Projekte und berichteten über eindrucksvolle Erfahrungen.

Sektion 5: Konflikte erkennen

Günther Clar (Steinbeis-Europa-Zentrum) beschäftigte sich im ersten Sektionsbeitrag mit der Gestaltung von Innovationsstrategien für das Cluster „MicroTEC Südwest“ aus einer Foresight-Perspektive. Die zentrale Aussage von Clar war, dass das Entwickeln von langfristigen Strategien und die Schulung von Personal in Fragen von TA und Foresight notwendig seien, damit ein Technologie-Cluster langfristig international wettbewerbsfähig bleiben könne.

Michael Ornetzeder (ITA Wien) setzte sich in seinem Vortrag anhand von drei Fallbeispielen mit Strategien einer innovationsorientierten TA auseinander. Diese werde immer stärker nachgefragt und bringe auch potenzielle Vorteile mit sich. Allerdings sei diese Form der TA projektlastig und damit nicht unbedingt geeignet, um Ergebnisse und Methoden zu generalisieren.

Beide Beiträge hatten insbesondere Strategien einer innovationsorientierten TA zum Thema. In diesem Zusammenhang kam in der anschließenden Diskussion die Frage auf, welche Art von TA betrieben und im NTA vertreten werden sollte – auf der einen Seite stehe die innovationsorientierte TA für Unternehmen und auf der anderen Seite die parlamentarische TA – was letztlich jedoch nicht geklärt werden konnte.

Sektion 6: Versachlichung

In der letzten Parallelsektion „Versachlichung“ setzte sich Armin Grunwald (ITAS) in einer „Polemik“ mit diesem bereits viel diskutierten Thema auseinander. Generell könne man nicht gegen die Versachlichung sein, doch fraglich wäre, was überhaupt sachlich sei und wer das bestimme. Bei der Definition einer Sache würden TA und ihre Multiperspektivität eine zentrale Rolle spielen. So sollten nicht nur die technische Betrachtungsebene, sondern auch die der Werte, Interessen und Hoffnungen Berücksichtigung finden. Man denke bspw. an das sozio-technische System Energiewende. Außerdem rief Grunwald dazu auf, den „Sachzwang“ zugunsten von Optionen und multiplen Zukünften aufzubrechen. Abschließend gab er drei Denkanstöße mit auf den Weg: Widerstand gegen die Okkupation von Versachlichung, Aufbrechen des Sachbegriffs und Versachlichung im Prozess.

Im nachfolgenden Beitrag zum Thema „Flächenkonkurrenz durch Energiepflanzen“ erläuterte Martin Knapp (ITAS) die beiden TAB-Studien „Chancen und Herausforderungen neuer Energiepflanzen“ und „Ökologischer Landbau und Biomasseproduktion“, in denen es um die Entwicklung von explorativen Anbau- und Nutzungsszenarien von Energiepflanzen bzw. um Zielkonflikte hinsichtlich des ökologischen Landbaus und der Biomasseproduktion geht.

Helge Torgersen (ITA Wien) verdeutlichte in seinem Vortrag an zwei Beispielen den Wandel der Funktionen von TA: Zum einen habe die TA im Gegensatz zu ihren klassischen Anfängen einen immer stärkeren Öffentlichkeitsbezug, und zum anderen setze TA – im Zuge der Auflösung der Grenzen zwischen Wissenschaft und Technikentwicklung – immer früher im Prozess der Technikentstehung an. Daraus würden höhere Unsicherheiten über die möglichen oder zu erwartenden Entwicklungen neuer Technologien resultieren. Beides gemeinsam fördere die Übertragung von Problem-Rahmungen aus vergangenen Debatten auf neue Technologien. Als Beispiel einer möglichen Übertragung führte er das Themenfeld „Synthetische Biologie“ an, welches auf drei verschiedene Arten kommuniziert werden könne, nämlich als Gentechnik 2.0, als Nanotechnologie oder als Informationstechnologie. Die Art der Kommunikation habe ganz entscheidende Wirkungen auf den Diskurs des Themas. Nutzen, Risiken Hoffnungen und Befürchtungen, die mit der Synthetischen Biologie verbunden sind, würden dementsprechend ganz anders wahrgenommen werden.

Grunwald und Torgersen machten in ihren Beiträgen deutlich, dass die TA vor neuen Herausforderungen steht und sich ein Wandel ihrer Funktionen vollzieht. Der Vortrag von Knapp schien thematisch nicht optimal platziert zu sein und wäre in der Sektion „Methodische Aspekte der TA“ besser aufgehoben gewesen.

3    Fazit und Ausblick auf die nächste Konferenz

Im Abschlussplenum zog Michael Nentwich (ITA Wien) seine Bilanz aus der NTA5. Er sieht eine Internationalisierung der TA als erstrebenswert an. Das Netzwerk EPTA, das Projekt PACITA und auch die NTA-Konferenzen seien bereits erste Schritte in die Richtung einer „Cross European TA“. Insgesamt solle jedoch auch das deutschsprachige TA Netzwerk bestehen bleiben, um die reflexive Tiefe in der deutschsprachigen Diskussion zu erhalten. Im Hinblick auf das viel diskutierte Verhältnis von TA und Politik rief Nentwich zu einer Neujustierung auf. Hierfür sei zunächst eine beständige Selbstreflexion erforderlich, was auf einer nächsten NTA-Konferenz näher beleuchtet werden sollte. Als nächstes Konferenzthema wurden im Auditorium drei mögliche Themen genannt: 1.) TA-Methoden sowie ihre kritische Reflexion, 2.) Partizipationsbedarf und -möglichkeiten und 3.) Reflexion und Verortung der TA.

Die angenehme Tagungsatmosphäre und das stilvolle Ambiente der NTA5 hinterließen einen durchweg positiven Eindruck. Aktuelle Themen wie die Beziehung zwischen Politik und TA konnten auf höchstem Niveau diskutiert werden. Auch während der Postersektion entfalteten sich zwischen den Experten, Gästen und den NachwuchswissenschaftlerInnen intensive Diskussionen. Mittlerweile zur Tradition der NTA-Konferenzen geworden, gibt sie dem wissenschaftlichen Nachwuchs Gelegenheit, seine TA-bezogenen Arbeiten vor einem fachkundigen Publikum vorzustellen und direkte Rückmeldungen dazu zu erhalten. Wünschenswert wäre gewesen, den Postern mehr Zeit an einem angemesseneren Ort einzuräumen. Im Allgemeinen ließ der Zeitplan für die Vorträge wenig Raum für ausgiebige Diskussionen. Hier könnte eine Öffnung der Struktur für alternative Formate wie z. B. speed presentations mehr Raum schaffen. Außerdem schien nicht jedes Thema richtig platziert zu sein. So wäre es vorteilhaft, die einzelnen Vorträge in den Sessions noch besser inhaltlich aufeinander abzustimmen.

Anmerkung

[1]  Unter Mitarbeit von Pantea Bashi, Richard Beecroft, Susanne Benöhr-Laqueur, Henrique Carvalho, Marc Dusseldorp, Torsten Fleischer, Hannah Kosow, Nils Kubischok, Ulrich Riehm, Melike Şahinol, Mandy Scheermesser, Markus Will.

Ein Blick zurück nach vorn – Bericht zu 20 Jahre TA-SWISS und NTA5

von Stefan Böschen, ITAS

Ein wichtiger Anlass der Tagung NTA5 war die Feier des zwanzigjährigen Bestehens der TA-SWISS. Der Festakt erlaubte einen Blick auf die Anfangsjahre und zeigte darin die Schwierigkeiten, aber eben auch die Gelegenheitsfenster, unter denen dieses immer auch umstrittene Projekt Technikfolgenabschätzung Realität werden kann. Zugleich artikulierten sich in den Statements von Persönlichkeiten aus Politik und Wissenschaft die präsenten Ansprüche an und die Herausforderungen für Technikfolgenabschätzung. Manches war wie ein Déjà-vu, insbesondere technokratische Wünsche nach besserer Regulierbarkeit, wofür TA entsprechendes Handlungswissen zur Verfügung stellen solle, und Hoffnungen von TA-Experten nach umfassenden Blicken und Analysen. Zugleich zeigte sich aber auch eine Bescheidenheit und Vorsicht, welche das Projekt TA und seine Herausforderungen viel stärker in den Horizont demokratischer Entwicklungen einrückte (so von René Longet); zugleich wurden die forschungsprogrammatischen Herausforderungen für TA zur Anleitung gesellschaftlicher Lernprozesse und Hilfen beim problembezogenen Entscheiden kenntlich gemacht (so von Armin Grunwald), so dass sich für die Zuhörer tatsächlich der Raum für eine Zwischenbilanz öffnete.

Was sind zentrale Problemstellungen, vor die sich TA gegenwärtig gestellt sieht? Hier können freilich nur ein paar Impressionen vom Betrachten einiger Bilder dieser „TA-Ausstellung“ mitgeteilt werden. Ein wichtiges Tableau stellen Governance-Prozesse dar, welche sich aufgrund der erfolgreichen Implementation von Vorsorgestrukturen selbst wieder vor ganz neue Probleme gestellt sehen. Eine wichtige Dimension sind dabei die Temporalstrukturen des Erwartens und Entscheidens, welche in vielen Bereichen immer stärker auf den Modus der Zukunft umgestellt und damit ganz neue Herausforderungen hinsichtlich der Effektivität und Legitimität von Entscheidungen konstituieren (Stephan Bröchler, Universität Duisburg-Essen). Eine andere Dimension ist die der Wissensstrukturen, da sich die Anforderungen an wissenschaftliches Wissen für Entscheidungsprozesse erheblich ausgeweitet und mitunter zu komplexen institutionellen Architekturen der Wissensgenese in Prozessen des Entscheidens geführt hat, wie im Falle des IPCC oder der europäischen Chemiepolitik (so Böschen/Dusseldorp/Lösch/Simon, ITAS). Eine weitere zentrale Problemstellung ergibt sich aus der Frage nach der Einbindung von Öffentlichkeit in Zeiten anderer Medien von Öffentlichkeit, welche etwa andere Modelle von Partizipation nahelegen. So sprach Reinhard Riedl (Fachhochschule Bern) über Open TA mit der Frage, inwieweit es Möglichkeiten des Crowd Sourcing in der TA gibt und von welchen Randbedingungen der Erfolg solcher Projekte letztlich abhängt. Die These war, dass das Zusammenspiel von Experten und Crowd, wenn es gut choreografiert ist, zu besseren Ergebnissen führt als ein reiner Expertendiskurs. TA kann hierbei in ganz unterschiedlicher Weise Anregungen und Inputs über das Web erhalten (sei es in Form von Verlinkungen, Archivbildung, offen Daten/Modelle, Visualisierungen, Simulation oder eben choreografierten Clowds). Eine andere Frage, die diesen Horizont von TA und Öffentlichkeit berührt, betraf TA und Bildung, wie es Walter Peissl (ITA, Wien) von TA als Lernexperiment präsentierte. In Projekten mit Schulen konnte TA als angewandte Ethik erfahrbar gemacht werden; diese Projekte zielten darauf ab, die Reflexionskapazitäten einzelner zu erhöhen, was durchaus auch zu eigenen Innovationen führte (Beispiel: „Walk Assist“©). Eine wichtige Frage nach der Positionsbestimmung ergibt sich aus der Relationierung von TA und Innovation, was ja schon bei der NTA4 eine zentrierende Problemstellung war. Michael Ornetzeder (ITA, Wien) stellte zwei grundlegende „Tracks“ von TA heraus, man könnte auch sagen Optionen der Kontextualisierung: richtet TA sich auf Regulierung (klassische TA) oder richtet sie sich auf die technologische Gestaltung (Innovation)? Um nur ein Beispiel herauszugreifen, zeigt sich bei Diskursprozessen aus dem Bereich der Nachhaltigkeit, wie durch TA-Projekte eine punktuelle Intervention entstand, welche soziales Lernen und ein kontextbezogenes Thematisieren normativer Kriterien erlaubte. Dabei erhöht sich die Reflexionskompetenz von Innovationsakteuren. Ein abschließendes „Bild“ sei behandelt, das die Frage der Positionierung von TA (Selbst- wie Fremdpositionierung) aufgriff und unter dem Stichwort der Versachlichung verhandelte (Armin Grunwald, ITAS). Das Argument der Versachlichung, seine Implikationen und die damit verbundenen Probleme, analysierend wurde sichtbar, dass die Sachlichkeit als Klassifikationsschema Argumentationsmuster stützt, die für bestimmte Interessen stehen und sich darin oftmals ein Hegemonialanspruch alter Schule manifestiert. Versachlichung muss als Form der Technokratie verstanden werden. Der Wunsch nach der einen Stimme der Wissenschaft (in Deutschland gerade auch die Formierung der Nationalen Akademien begleitend) sollte einen zur Vorsicht mahnen. Wichtig für TA sei das Aufbrechen von Sachzwang-Argumenten oder one-best-solution-Vorstellungen, um eine Optionen-Vielfalt zu ermöglichen. Letztlich, so könnte man als Schlussfolgerung daraus ziehen, kann man nicht allein auf Rationalisierung setzen, sondern muss Politisierung als legitime Form gesellschaftlicher Problemformierung und -lösung nicht nur respektieren, sondern gezielt kultivieren.

Was sind wichtige zukünftige Herausforderungen und Anforderungen für TA – als Stichworte: 1) Internationalisierung: Nachdem TA in einigen europäischen Ländern erfolgreich etabliert wurde, stellt sich zum einen die Frage nach der weiteren europäischen Erstreckung, zum anderen aber auch nach der Vernetzung im transnationalen Raum. 2) Kontextualisierung von TA: Nachdem TA lange Zeit einen bestimmenden Bezugspunkt in der Politik hatte, ist dies in Zeiten verteilter Innovationsregime nicht mehr eindeutig so gegeben, weshalb die Frage nach der sozialen Kontextualisierung von TA bedeutsamer wird. Das betrifft zum einen die Erweiterung der Vorstellung, wie TA im politischen Feld positioniert ist. Die so geläufige Kennzeichnung als „Parlamentarische TA“ trifft für viele Formen nicht zu. Vielleicht träfe es die Kennzeichnung „Demokratische TA“ am ehesten. Denn der grundlegende Zielpunkt von TA ist die problembezogene Beratung in Prozessen öffentlich-politischen Entscheidens. Zum anderen haben die Vorträge auf der NTA5 letztlich zwei weitere Kontextrelationen besonders hervorgehoben: die zur Ökonomie wie zur Öffentlichkeit. Im Zuge dessen wurde auch der bedenkenswerte Vorschlag geäußert, ob man sich nicht einmal ein „Partizipationsmoratorium“ verordnen solle. 3) Sicherung Expertisestatus von TA: Dieses Thema ist im Grunde eine bleibende Herausforderung für TA, die sich aus ihrer inhärenten Multiperspektivität ergibt. Was sich abzeichnete: Die Bedeutung von Methodologie dürfte wachsen, weil gerade die Neutralität von TA-Expertise nicht mehr einfach aufgrund der Institution, welche TA-Wissen zur Verfügung stellt, gesichert ist, sondern eher durch Merkmale des Wissens, welche der Expertise mitgegeben werden muss. Transparenz dürfte also als methodologisches Prinzip sehr bedeutsam sein, aber ebenso die Kriterien dessen, was transparent gemacht werden soll.

Möchte man ein bündelndes Schlussbild entwickeln, dann dies, dass TA aufgrund ihrer Praxisverwobenheit in spezifische Problemkonstellationen immer vor dem Problem steht, die Balance zwischen „sozialtechnologischer TA“ und „kritisch-reflexiver TA“ zu bestimmen und auszuhalten. Frei nach Karl Valentin: „Da mische ich mich nicht ein, da misch ich nur mich selbst hinein“ hat TA hier eine Daueraufgabe. In diesem Sinne stellen die NTA-Treffen für die im wachsenden Maße sich verzweigende Community eine zentrale Plattform zur forschungspraktischen Selbstvergewisserung dar, um trotz der inhärenten Grundlagenprobleme Markierungen von Qualitätsstandards sowie Chancen auf Positionsbestimmung zu eröffnen.