Mit den Attributen des Mantras ‚Die Technikfolgenabschätzung (TA) betreibt inter- und transdisziplinäre Technik- und Technikfolgenforschung‘ wurden bereits in den 1970er-Jahren OECD-Studien im Kontext von Technik und Innovation versehen, genauso die am US-amerikanischen Office of Technology Assessment ab 1972 entstehende Praxis parlamentarischer TA. Zurecht, denn Technikfolgen enden nicht an den Grenzen traditioneller Disziplinen, ihre umfassende Erforschung kann also nicht aus den Erkenntnisperspektiven einzelner Disziplinen allein geleistet werden. Vieles, was TA als Pionierin inter- und transdisziplinärer Forschung in ihrer Praxis ausprobiert und praktiziert hat, hat Kreise gezogen, z. B. in Risiko-, Klimafolgen- und Nachhaltigkeitsforschung.
TA ist im außeruniversitären Bereich entstanden und wird nach wie vor vorwiegend dort betrieben. Trotz einiger disziplinärer Merkmale, z. B. die eigene Fachzeitschrift TATuP, ist TA dementsprechend keine wissenschaftliche Disziplin. Sie bezieht Wissen, Theorien und Methoden aus den etablierten Disziplinen, integriert jene nach ihrem eigenen Erkenntnisinteresse und baut darauf problemorientierte Forschung und Beratung auf.
Macht sich die TA aktuell durch die zunehmende Nachfrage nach TA-Inhalten in der akademischen Lehre auf den Weg, eine wissenschaftliche Disziplin zu werden? An Universitäten und Hochschulen werden TA-Fragestellungen, Konzepte und Methoden zunehmend in die Lehre eingebunden. Das TA-Label taucht in der Denomination von Professuren oder in der Benennung von Vertiefungs- oder Ergänzungsfächern auf. Je nach Studiengang oder Hochschulprofil, in dem diese Einbettung erfolgt, werden Schwerpunkte unterschiedlich gesetzt, etwa in Richtung auf STS, Ethik, Produktentwicklung oder Nachhaltigkeitsforschung.
Auch durch die Hintertür der Lehre wird der Weg der TA kaum zu einer Disziplin führen. Eindeutig ist aber ihre Entwicklung zu einem akademischen Fach, das einen Platz an Universitäten und Hochschulen, in Studiengängen und in der Besetzung von Professuren einnimmt. Dies erfordert konzeptionelle und institutionelle Kraftanstrengung, beispielsweise müssen Curricula entwickelt und Studienordnungen geändert werden. Aber es lohnt sich: Das Capacity Building der TA wird profitieren, die Voraussetzungen für akademische Kooperationen werden verbessert, Gedanken, Anliegen und Erfahrungen der TA werden in größere Kreise verbreitet. Ein spannender Schritt in der Geschichte der TA steht an.
Armin Grunwald
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), DE
(armin.grunwald@kit.edu)