TA Focus 31/2 (2022)

Meldungen für die TA-Community/News for the TA community

Jonas Moosmüller1, Denise Riedlinger2

1 Institute for Technology Assessment and Systems Analysis (ITAS), Karlsruhe Institute of Technology (KIT), Karlsruhe, DE

2 Institute for Technology Assessment (ITA), Austrian Academy of Sciences, Vienna, AT

© 2022 by the authors; licensee oekom. This Open Access article is licensed under a Creative Commons Attribution 4.0 International License (CC BY).

TATuP 31/2 (2022), S. 6–9

 

Meldungen

POLITIKBERATUNG

Erste TA-Studien für spanisches Parlament

Die parlamentarische Technikfolgenabschätzung in Spanien hat einen wichtigen Meilenstein erreicht: Das Unterhaus des Parlaments, der Congreso de los Diputados, hat die ersten vier Themen ausgewählt, die das neu geschaffene Büro für Wissenschaft und Technologie (Oficina de Ciencia y Tecnología del Congreso de los Diputados) bearbeiten soll. In den kommenden Monaten entstehen Studien zur Verwendung von grünem Wasserstoff als Kraftstoff, zum Thema Künstliche Intelligenz und Gesundheit, zu Durchbrüchen bei der Behandlung von Krebs und zur Cybersicherheit. Zusammen mit einem Beirat aus Vertreterinnen und Vertretern der wichtigsten nationalen Forschungseinrichtungen Spaniens hatten Forschende zuvor insgesamt 17 Themen mit Relevanz und mittelfristigem Potenzial für Spanien identifiziert und den Abgeordneten vorgestellt. Die Idee eines parlamentarischen Büros für wissenschaftliche und technische Beratung geht zurück auf die Bürgerinitiative #CienciaenelParlamento. Im März 2021 erhielt die Stiftung für Wissenschaft und Technologie (FECYT) dann den Auftrag des Congreso de los Diputados.

www.fecyt.es

NETZWERK

Wiedersehen der EPTA-Direktor*innen in Karlsruhe

Nach über zwei Jahren ohne Möglichkeit zum persönlichen Austausch kamen Anfang Mai 2022 die Direktorinnen und Direktoren der europäischen Einrichtungen für parlamentarische TA wieder vor Ort zusammen. Ihr dreitägiges Arbeitstreffen in Karlsruhe stand ganz im Zeichen des Auffrischens alter und des Knüpfens neuer Verbindungen im European Parliamentary Technology Assessment Network (EPTA). Die über 20 Teilnehmenden aus insgesamt 14 Ländern sowie vom Europäischen Parlament bereiteten auf dem Treffen zudem die im Herbst in Berlin stattfindende EPTA-Konferenz zum Thema „Disruption in Society“ vor. Gastgeber war das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), das mit seinem Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag in diesem Jahr den EPTA-Vorsitz innehat. Das ITAS nutzte das Treffen, um neue Forschungsaktivitäten an der Schnittstelle von TA zur Forstwissenschaft sowie seine transdisziplinäre Reallaborforschung in Karlsruhe vorzustellen.

eptanetwork.org

 

POLICY PAPER

Plädoyer für mehr Energiesuffizienz

Aktuell überschlagen sich die Vorschläge, wie auf den Krieg in der Ukraine energiepolitisch zu reagieren ist. Während sich die Debatte auf den schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien, aber auch auf alternative Quellen für fossile Rohstoffe fokussiert, spielt das Thema „Energiesuffizienz“ nur eine kleinere Rolle. Zu Unrecht, sagen rund vierzig Vertreterinnen und Vertreter der Energie- und Nachhaltigkeitsforschung sowie der Zivilgesellschaft – unter ihnen mehrere Herausgebende dieser TATuP-Ausgabe. „Energiesuffizienz senkt Kosten, reduziert den Bedarf an Zukäufen, macht energiepolitisch unabhängiger und ist klimapolitisch hilfreich“, unterstreicht ihr im April 2022 vorgelegtes Thesenpapier. Das Potenzial für kurz- und mittelfristig wirksame Maßnahmen sei bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Energiesuffizienz müsse deshalb zu einem zentralen Prinzip politischen Handelns werden, so das Fazit des unter anderem vom Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) veröffentlichten Papiers.

www.isoe.de

AUSZEICHNUNG

‚Lernort‘ für Nachhaltigkeit

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat den „Nationalen Preis – Bildung für nachhaltige Entwicklung“ erhalten. Den erstmals vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der deutschen UNESCO-Kommission verliehenen Preis erhielt das KIT in der Kategorie ‚Lernort‘. Ausschlaggebend waren eine Vielzahl nachhaltigkeitsbezogener Bildungsangebote und Aktivitäten mit Beteiligung des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS). Explizit hervorgehoben wurden das Karlsruher Transformationszentrum für Nachhaltigkeit und Kulturwandel (KAT), mit dem das ITAS gesellschaftliche Veränderungsprozesse aktiv unterstützt sowie die Karlsruher Schule der Nachhaltigkeit oder das mobile Partizipationslabor MobiLab. Das Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro soll für die Projektwoche „Frühlingstage der Nachhaltigkeit am KIT“ verwendet werden, an der das ITAS ebenfalls beteiligt ist.

www.kit.edu

 

5 questions to
Nikita Lin

Researcher and curator from Shanghai and current Alexander von Humboldt Fellow at the Institute for Technology Assessment and Systems Analysis in Karlsruhe

Why are you interested in technology assessment?

My intellectual curiosity begins with language, thought, and the history of ideas. From there questions concerning knowledge production persist in my curatorial practices as well as in the practice and theory of technology assessment.

Which research question from the field are you particularly attracted by?

Quite a lot! The debate between knowledge and transparency, for example. Another one would be the participation of human perceptual processes, which in our time have been mediated invariably through hybrid networks that are mechanical, digital, and organic.

You combine science with art, what can one give to the other?

I tend to conceive science and art not as two separate entities or spheres of activities. Rather, they offer two ways of framing the world to derive the sort of “right question.” Constantly, the so-called “right question” itself needs to be questioned and recalibrated, and that is where a reciprocal dialogue between science and art takes place.

Researchers and artists use different methods and forms of expression. How do you bridge the gap?

In fact, scientists and artists work under quite different circumstances. Institutional support for art-science collaboration is extremely important; meanwhile the most interesting works are often initiated between individual scientists and artists. A prominent and early example is the Black Mountain College in the United States from the 1930s to the 1950s. As an experiment in education, its interdisciplinary approach not only attracted leading artists but also prominent scientists.

Which art form would most closely correspond to technology assessment?

Given that technology assessment itself is interdisciplinary and diversified in terms of theme and method, it is difficult to point to one single art form. However, if we narrow it down and come to emerging technologies such as nanobiotechnology, perhaps media art and speculative design might be artistic practices closely related to TA.

 

AUSFÜHRLICHE VIDEO-INTERVIEWs UNTER  www.tatup.de/youtube

STUDIE

Soziale Auswirkungen von KI

Entscheidungen von Systemen, die auf künstlicher Intelligenz (KI) basieren, sind oft nicht nachvollziehbar und können so den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden. Davor warnt eine aktuelle Studie, die das Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im Auftrag der Arbeiterkammer Wien durchgeführt hat. „Wir müssen uns fragen, wie und mit welchen Folgen KI im Alltag eingesetzt wird, denn unser sozialer Umgang miteinander wird durch KI massiv umgestaltet“, betonte Studienleiter Walter Peissl bei der Vorstellung der Ergebnisse. Problematisch sei, dass Entscheidungen von Systemen, etwa für Bonitätscores bei der Kreditvergabe oder automatisierte Bewerbungsverfahren von Betroffenen häufig kaum nachvollzogen werden könnten. Insbesondere im Hinblick auf die derzeit entstehende Regulierung durch die Europäische Union müsse die Gesellschaft deshalb einfordern, KI-Systeme immer im sozialen Kontext zu betrachten und mittels Gesetzen Transparenz zu schaffen. Konkret empfiehlt die Studie, KI-Systeme generell zu registrieren und nach erwartetem Risiko zu zertifizieren, wenn ihre Entscheidungen Menschen betreffen.

www.oeaw.ac.at/ita

WISSENSTRANSFER

„TA im Dialog“ im Deutschen Bundestag

Ein neues Veranstaltungsformat, um den Austausch von Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft zu stärken, hat das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) ins Leben gerufen. Zusammen mit Abgeordneten des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung wollen TAB-Forschende bei „TA im Dialog“ künftig aktuelle Forschung und technologische Entwicklungen im Foyer des Paul-Löbe-Hauses zur Diskussion stellen. Zum Auftakt der Reihe standen anlässlich des Weltmalariatags am 25. April 2022 technologische Ansätze zur Malariabekämpfung im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion. Basis der Debatte, an der mit Francine Ntoumi eine herausragende afrikanische Malariaexpertin und mit Benjamin Mordmüller einer der renommiertesten deutschen Malariaimpfstoffforscher teilnahmen, war der TAB-Bericht „Arzneimittelentwicklung zu armutsassoziierten vernachlässigten Krankheiten“. Der Ausschussvorsitzende Kai Gehring betonte die Vielschichtigkeit und Komplexität parlamentarischer TA. Das neue Format eröffne die Möglichkeit, aktuelle Forschung und technologische Entwicklungen zeitnah aufzugreifen und vergleichend zu diskutieren.

www.tab-beim-bundestag.de

KONFERENZ

Internationale Keynote-Speakerinnen in Karlsruhe

Gleich drei herausragende Forscherinnen sprechen bei der 5. Europäischen TA-Konferenz, die vom 25. bis 27. Juli 2022 in Karlsruhe stattfindet. Eröffnen wird Payal Arora mit einem Vortrag zu „Inclusive Design and the Pathway to Action“. Die Professorin für digitale Anthropologie forscht an der Erasmus School of Philosophy in Rotterdam zu digitalen Kulturen, globaler Ungleichheit und Data Governance im globalen Süden. Daran anknüpfen kann Doris Allhutter am zweiten Konferenztag. Die promovierte Politikwissenschaftlerin vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist derzeit Associate Fellow am Digital Curation Institute der University of Toronto. In Karlsruhe spricht sie über „Digital Future(s) of Welfare and the Power of Infrastructure“. Die Keynotes komplettieren wird Jeanette Hofmann, eine der Gründungsdirektorinnen des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft. Die Professorin beschäftigt sich unter anderem an der FU Berlin und dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung mit dem Zusammenspiel von Demokratie und Digitalisierung.

karlsruhe2022.technology-assessment.info

NETZWERK

globalTA-Konferenz blickt gen Osten

Im März 2022 hat das Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) in Wien zu einer Onlinekonferenz zur TA in Ost- und Mitteleuropa eingeladen. Bei der Veranstaltung im Rahmen des globalTA-Netzwerks diskutierten Teilnehmende aus insgesamt 13 Ländern. Ihre gemeinsame Basis: „Technikfolgenabschätzung sollte eine starke Stimme für einen menschlichen und fairen Ansatz in Forschung und Innovation sein“, so ITA-Leiter Michael Nentwich. „Wir sind überzeugt, dass Wissenschaft und Forschung die Bausteine sind, die den Regierungen helfen, bessere Entscheidungen zu treffen, wenn es um kritische gesellschaftliche Fragen geht.“ Ziel der Konferenz war es, Einblicke in die Aktivitäten in Ost- und Mitteleuropa zu eröffnen, verbindende Themen zu identifizieren und zukünftige Kooperationen anzudenken. Ko-Organisatorin Tanja Sinozic vom ITA meint: „Wir sehen immer wieder, dass TA keine Selbstverständlichkeit ist. Sie ist eine Errungenschaft, die neben wissenschaftlicher Expertise vor allem Unterstützung durch akademische Einrichtungen und politisches Interesse benötigt.“

www.oeaw.ac.at/en/ita

PUBLIKATION

Demokratie und Digitalisierung

Bogner, A.; Decker, M.; Nentwich, M.; Scherz, C. (Hg.):
Digitalisierung und die Zukunft der Demokratie. Beiträge aus der Technikfolgenabschätzung.
Baden-Baden: Nomos Verlag, 2022, 288 S., ISBN 9783748928928 (Open Access)

Wie lässt sich der Polarisierung von Meinungen auf digitalen Plattformen begegnen? Welche Schritte können gegen digitale Hate Speech unternommen werden? Und was kann Fake News effektiv entgegengesetzt werden? Bei all diesen Fragen spielt die Technikfolgenabschätzung eine zentrale Rolle, so die Überzeugung der Herausgeberinnen und Herausgeber des kürzlich erschienenen Sammelbandes „Digitalisierung und die Zukunft der Demokratie. Beiträge aus der Technikfolgenabschätzung“. Basierend auf ihren Beiträgen zur neunten Konferenz des Netzwerks Technikfolgenabschätzung (NTA), die im Mai 2021 digital stattfand, setzen sich Autorinnen und Autoren aus der Technikfolgenabschätzung und anderen Disziplinen mit dem Spannungsfeld zwischen Digitalisierung und Demokratie auseinander. Im Mittelpunkt stehen unter anderem Fallstudien zum Einfluss digitaler Technologien auf demokratische Prozesse, Formen digitaler Teilhabe und die Herausforderungen digitaler Souveränität sowie Nutzen und Grenzen TA-spezifischer Demokratisierungsbestrebungen.

 

Aus dem openTA-Kalender

25.–27. 07. 2022, KARLSRUHE (HYBRID)
Conference “Digital future(s). TA in and for a changing world”
karlsruhe2022.technology-assessment.info

13.–14. 10. 2022, BERLIN
Jahreskonferenz Forum Privatheit 2022. Daten-Fairness in einer globalen Welt – Grundrechtsschutz und Wettbewerb für eine internationale Data Governance
www.forum-privatheit.de/jahreskonferenz-2022/

17. 10. 2022, BERLIN
EPTA conference 2022 “Disruption in society – TA to the rescue?”
www.tab-beim-bundestag.de/epta-conference-disruption

14.–16. 11. 2022, BERN
Konferenz NTA 10 „Digitalisierung und Kultur“
www.ta-swiss.ch/nta10

08.–10. 12. 2022, KARLSRUHE
International Conference on large-scale scientific experiments – reflecting on theories and practices
indico.uni-wuppertal.de/event/152

Weitere Termine unter   www.openta.net/kalender

 

Personalia

Armin Grunwald ist Mitglied der neu eingerichteten Kommission für Nachhaltigkeit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Der Professor für Technikphilosophie und Leiter des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) in Karlsruhe ist eines von insgesamt 20 Mitgliedern, die die Fächervielfalt des Wissenschaftssystems abbilden sollen. Aufgabe der Kommission unter Leitung der DFG-Präsidentin Katja Becker ist es, den Gremien des größten deutschen Drittmittelgebers bis Sommer 2023 Empfehlungen für nachhaltiges Handeln vorzulegen. Erklärtes Ziel ist dabei, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, Forschungsprojekte aller Fachbereiche möglichst nachhaltig durchzuführen. [Bildquelle: S. Göttisheim/KIT

Clara Marsan Raventós ist seit Anfang des Jahres neue Generalsekretärin von CAPCIT, dem Beirat des Parlaments von Katalonien für Wissenschaft und Technologie. Die promovierte Verfassungs- und Menschenrechtlerin arbeitet seit 2019 für das Katalanische Parlament. An der Spitze von CAPCIT, das im kommenden Jahr die Präsidentschaft des European Parliamentary Technology Assessment Network (EPTA) übernehmen wird, ist es ihre Aufgabe, den Austausch von Abgeordneten mit der Wissenschaft zu stärken. Um die TA im katalanischen Parlament sichtbarer zu machen, sei es dabei eine Priorität, die Kapazitäten von CAPCIT in naher Zukunft zu erhöhen, so Clara Marsan Raventós.

Benoît Dubuis ist neuer Präsident der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften (SATW). Der promovierte Ingenieur hatte verschiedene Führungspositionen in Biotechnologie-Unternehmen inne und gründete die Fakultät für Biowissenschaften der École polytechnique fédérale de Lausanne. Sein Engagement begründete er mit der Überzeugung, dass Vertrauen in die Technologie und in deren Fähigkeit nötig sei, um Lösungen für die Gesellschaft zu bieten. Die SATW könne hier Brücken bauen. Aufgabe der Akademie ist unter anderem die Früherkennung und die Bewertung von technologischen Lösungen im Austausch mit Bevölkerung, Politik und Industrie. [Bildquelle: SATW/Giulia Marthaler]