TA Focus 32/1 (2023)

News for the TA community/Meldungen für die TA-Community

Jonas Moosmüller1, Maximilian Roßmann2

1 Institute for Technology Assessment and Systems Analysis (ITAS), Karlsruhe Institute of Technology (KIT), Karlsruhe, DE

2 Faculty of Arts and Social Sciences, Maastricht University, Maastricht, NL

© 2023 by the authors; licensee oekom. This Open Access article is licensed under a Creative Commons Attribution 4.0 International License (CC BY).

TATuP 32/1 (2023), S. 6–9

LEHRE

Venia Legendi „Technikfolgenabschätzung“

Fragestellungen, Konzepte und Methoden der TA werden an Universitäten zunehmend in die Lehre eingebunden. Ein Meilenstein dieser Entwicklung wurde nun am Karlsruher Institut für Technologie erreicht. Erstmals hat die Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften im Dezember 2022 die Lehrerlaubnis für das Fach Technikfolgenabschätzung erteilt. Verliehen wurde sie an Dirk Scheer, der am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) seit 2017 zur sozialwissenschaftlichen Energieforschung, Akzeptanz von Technologien sowie Partizipation und Wissenstransfer forscht. Seine Habilitation beschäftigt sich mit Handlungs- und Orientierungswissen für eine gelingende Energiewende. Neben der Betreuung von Doktoranden wird sich Dirk Scheer nun auch verstärkt in die Lehre im Wahlpflichtfach TA einbringen, das das KIT seit einem Jahr an der Fakultät anbietet. „Die TA hat vielfältige Bezüge zu anderen Disziplinen, die es zu vermitteln gilt“, ist Dirk Scheer überzeugt. „Beim weiteren Aufbau des Universitätsfachs TA wird es nun darauf ankommen, Studierende für die Methoden und Inhalte zu begeistern“.

www.itas.kit.edu

NEWSLETTER

‚TA in a nutshell‘

Seit Dezember 2022 bietet openTA, das Fachportal Technikfolgenabschätzung, einen neuen Service an. Mit dem deutschsprachigen Newsletter ‚TA in a nutshell‘ möchte das openTA-Team zentrale Neuigkeiten, die über die Mailingliste des Netzwerks TA (NTA) verbreitet werden, bündeln. Hierzu gehören ein Überblick aktueller Stellenausschreibungen, Ankündigungen von Publikationen und Call for Papers oder Hinweise auf kommende Veranstaltungen. Ein weiteres Thema des Newsletters ist die Weiterentwicklung von openTA selbst. Einen festen Platz hat auch die Rubrik ‚Naiv nachgefragt‘, in der der KI-Dienst ChatGPT zu TA-relevanten Themen befragt wird. openTA wurde vor zehn Jahren mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) aufgebaut. Wesentliches Ziel der Plattform ist es, Information, Kommunikation und Kooperation in der TA-Community zu verbessern. Den Newsletter empfangen alle Mitglieder des NTA. Interessierte können sich für den Bezug auf dem openTA-Portal registrieren. Alle Ausgaben des Newsletters sind dort abrufbar.

www.openta.net

 

WISSENSTRANSFER

Dialog zu Wissenschaft in Krisenzeiten

Welche Rolle sollten Forschende in akuten Krisen einnehmen und was können Bürgerinnen und Bürger von ihrer Arbeit erwarten? Diese und weitere Fragen standen im Mittelpunkt der Dialogveranstaltung ‚Coronakrise – Energiekrise – Klimakrise: Was erwarten wir von der Wissenschaft?‘ im November 2022. Der Abend bildete den Auftakt für regelmäßige Bürgerdialoge, die das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) für das Karlsruher Institut für Technologie durchführt. „Unser Ziel ist es Hinweise darauf zu liefern, welche Forschungsthemen das KIT aus gesellschaftlicher Perspektive künftig eingehender unter die Lupe nehmen sollte“, so Marius Albiez, der das Projekt leitet. Gleichzeitig seien die Dialoge selbst Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen, so der Nachhaltigkeitsforscher. „Am ITAS wollen wir mehr über die tatsächlichen Auswirkungen von Beteiligungsformaten erfahren.“

www.itas.kit.edu

 

5 questions to
Jessica Cobert Smith

Director of operations & communications, Science, Technology Assessment, and Analytics (STAA) at the US Government Accountability Office (GAO)

What does technology assessment mean to you?

I see technology assessment as a way for us to collectively pause and look at the technology that is impacting us, to be collectively mindful of its opportunities and challenges, to hit a pause button and ask whether we are making the right choices in how we are allowing this technology into our world.

Which research question in this field do you find particularly exciting?

New modes of communication, especially visual or multimedia communication! How do we plan to engage with a generation of digital natives and future policymakers who may prefer finding information on YouTube instead of an academic journal, and who may trust viral memes just as much as scientific drawings? If both the modes and the pace of communication are changing, then how do we plan for layered communication journeys that walk our readers from shallow to deep?

What is your central concern in communicating TA to policy makers?

Thinking about the policy when the news is breaking is too late. Long-term foresight is critical for policy makers who are looking to understand complex, cross-sectoral issues. So my major concern is how do we help policy makers know which technologies to pay attention to, and when.

Is good communication necessary for TA to succeed?

Good communication is necessary for any government report to have an impact. But what is good communication? The principles of strategic communication are critical: knowing your audience in detail, understanding how to message your information in a way that they will understand, and then reaching that audience through a medium that works for them.

Historically, the U.S. has been the pioneer in TA. Are we seeing a comeback?

STAA was founded in 2019, and as of January 2023 our staff has worked with 28 Congressional committees, issued 54 technology assessments and short-form explainers, and issued 36 audit reports with 163 recommendations, 52 of which agencies have implemented. I am certainly proud of what we’ve accomplished so far. As for the future, we’re hopeful that our growing body of work will provide timely, relevant support for policy makers.

 

Foto: Mirko Raatz

 

detailed video interviews available at  www.tatup.de/youtube

INTERNATIONAL

Korea: TA zu Biotechnologie

Auch in der südkoreanischen Gesellschaft ist die Anwendung von Biotechnologien ein kontrovers diskutiertes Thema. Um Fragen bezüglich synthetischer Biologie, Mensch-Maschine-Schnittstellen oder Genom-Editierung besser diskutieren zu können, will die Regierung der Republik Korea regelmäßige TA-Studien durchführen lassen. Beauftragt wurde damit das National Bio Policy Research Center (NBPRC), das dem koreanischen Wissenschaftsministerium untersteht. Dieses Jahr ist eine Pilotstudie zur synthetischen Biologie geplant, weitere TA-Studien sollen in den kommenden Jahren folgen. Gesellschaftliche Debatten über Biotechnologie hätten in Korea bislang stets zu erbitterten Konfrontationen geführt, so Jiyoung Suh, die als Wissenschaftlerin des koreanischen Science and Technology Policy Institute (STEPI) maßgeblich an der Vorbereitung der neuen Studien beteiligt ist. Durch die Einbeziehung vielfältiger Interessengruppen in den neuen Studien bestehe nun die Chance, ein gesundes Ökosystem für Innovationen im Bereich der Biotechnologie zu schaffen.

www.msit.go.kr/eng/index.do

POLITIKBERATUNG

TA für österreichisches Parlament

Das österreichische Parlament setzt in den kommenden drei Jahren auf die Expertise von ITA und ITAS. Quelle: Parlamentsdirektion/Thomas Topf

Anknüpfend an eine erfolgreiche Pilotphase hat das Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) den Zuschlag für die Beratung des österreichischen Parlaments in Sachen Foresight und Technikfolgenabschätzung erhalten. Das ITA wird in den nächsten drei Jahren halbjährliche Monitoringberichte zu wichtigen, für Österreich und das Parlament relevanten soziotechnischen Entwicklungen liefern. „Dies ist ein deutliches Signal, dass dem Nationalrat, so wie immer mehr Parlamenten weltweit, evidenz-basierte Politikberatung wichtig ist“, so ITA-Direktor Michael Nentwich. Ergänzend zur qualitativen Auswertung wollen die Forschenden dabei künftig verstärkt auf KI-gestützte quantitative Auswertungen zurückgreifen: Als Partner erprobt das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), inwieweit sich in webbasierten Informationsquellen mit Hilfe von KI soziotechnische Trends aufspüren lassen. Auf Basis dieses gemischt-methodischen Monitorings können die Abgeordneten dann wiederum bei Bedarf einzelne Themen für vertiefende Studien auswählen.

www.oeaw.ac.at/ita

 

Aus dem openTA-Kalender

19. 04. 2022, Offenburg
Abendveranstaltung ‚Kunst und Geschichten aus der Zukunft‘
www.isi.fraunhofer.de/de/veranstaltungen/2023/kunst-und-geschichten.html

08.–10. 5. 2021, GRAZ
21st Annual STS Conference Graz 2023 ‚Critical Issues in Science, Technology and Society Studies‘
stsconf.tugraz.at

09.–10. 05. 2023, KARLSRUHE
17th Society and Materials Conference (SAM17)
www.itas.kit.edu/english/events_2023_sam17.php

05.–06. 06. 2023, WIEN
TA23-Konferenz ‚Infrastrukturen der Zukunft: Wie kann TA anstehende Transformationen begleiten?‘
www.oeaw.ac.at/ita/detail/event/default-d7d3de7509

Weitere Termine unter   www.openta.net/kalender

KOMMUNIKATION

Videos zur wissenschaftlichen Politikberatung

Wie kann die Technikfolgenabschätzung besser mit Personen in politisch verantwortlicher Position kommunizieren? Dieser Frage sind Forschende des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) im November 2022 bei der Konferenz ‚#FactoryWisskomm: The Convention ‚22‘ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) nachgegangen. Entstanden sind eine Reihe von Videobeiträgen, in denen internationale TA-Expertinnen und -Experten ihre Erfahrungen teilen. Unter dem Titel ‚What the future? Enhancing Science Communication for Policy Makers‘ geht es dabei einerseits um eine Standortbestimmung, andererseits aber auch um die Zukunft wissenschaftlicher Politikberatung im Feld der Technikfolgenabschätzung. Zu Wort kommen unter anderem Tore Tennøe, der Direktor des Norwegian Board of Technology, Peta Ashworth, Professorin für Sustainable Futures an der University of Queensland in Australien oder Pauline Riousset vom Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag.. Alle Videos sind auf dem YouTube-Kanal des Instituts verfügbar.

www.itas.kit.edu/youtube

Bundestag

Politikberatung in Krisenzeiten

Die Corona-Pandemie und aktuell die Energiekrise zeigen: Der Bedarf an wissenschaftlicher Politikberatung in Deutschland nimmt zu. Diese Einschätzung bekräftigten im November 2022 mit Otmar Wiestler und Thomas May zwei hochrangige Repräsentanten des deutschen Wissenschaftssystems bei einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestags. Beide Experten sehen großes Verbesserungspotenzial: May, Generalsekretär des Wissenschaftsrates, betonte, wissenschaftliche Politikberatung müsse in Krisenzeiten multi- und interdisziplinär arbeiten sowie die Vorläufigkeit und Vielfalt des Wissens transparent machen. Attraktiv bleibe diese Aufgabe aber nur, wenn die Wissenschaft sehe, dass ihre Beratung und Expertise Wirkungen im politischen Handeln habe. Wiestler, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, beklagte die fehlende langfristige Perspektive, insbesondere bei der Transformation des Energiesystems. Auch in Bezug auf andere große Transformationsfelder, wie etwa Klima oder Mobilität, empfehle er feste „nationale Expertenpanels“, die für die Dauer mindestens einer Legislaturperiode berufen werden sollten.

www.bundestag.de

PUBLIKATION

TA in einer globalisierten Welt

Welche Bedeutung hat die TA auf internationaler Ebene und vor welchen Herausforderungen steht eine globale Governance von Wissenschaft, Technologie und Innovation (WTI)? Mit diesen Fragen beschäftigt sich ein neuer Sammelband anhand von Fallstudien zu Themen wie Energie, Biotechnologie, künstlicher Intelligenz oder Gesundheitstechnologie. Die Open-Access-Publikation ‚Technology Assessment in a Globalized World‘ enthält Beiträge von zahlreichen Mitgliedern des globalTA-Netzwerks, einem Zusammenschluss von mehr als 30 gemeinnützigen Institutionen aus der ganzen Welt. Die Autorinnen und Autoren geben einen detaillierten Überblick über die WTI-Systeme und -Kulturen in ihren jeweiligen Ländern. Darauf aufbauend skizzieren sie Strategien, die ein koordiniertes Eingreifen in die Politikgestaltung und die öffentliche Debatte auf globaler Ebene ermöglichen können.

Hennen, Leonhard; Hahn, Julia; Ladikas, Miltos; Lindner, Ralf; Peissl, Walter; van Est, Rinnie (Hg.)
Technology assessment in a globalized world. Facing the challenges of transnational technology governance. Cham: Springer Nature, 2023, 271 S., ISBN 9783031106163

 

Personalia

Arie Rip, emeritierter Professor für Wissenschafts- und Technologiephilosophie an der Universität Twente, wurde am 7. Dezember 2022 mit dem John-Desmond-Bernal-Preis ausgezeichnet. Die Society for Social Studies of Science (4S) verleiht die Auszeichnung für herausragende Beiträge zu den Science & Technology Studies (STS). Rip, dessen wissenschaftliche Karriere in den 1970er-Jahren begann, gilt als einer der Gründerväter des interdisziplinären Fachgebiets. Er beschäftigt sich in diesem Kontext auch intensiv mit der Technikfolgenabschätzung, so geht unter anderem die Methode des ‚Constructive Technology Assessment‘ auf ihn zurück.

Karen Howard ist neue leitende Wissenschaftlerin des US-amerikanischen Government Accountability Office (GAO). Die promovierte Umweltchemikerin übernimmt die Stelle interimsweise nach dem Weggang von Tim Persons, der am GAO unter anderem das Team für Wissenschaft, Technologiebewertung und Analytik aufgebaut hatte. Karen Howard arbeitet seit 2007 für das GAO und war zuletzt Direktorin für Wissenschafts- und Technologiebewertung. Als leitende Wissenschaftlerin ist sie nun für GAO-Teams zu Themen wie Nukleartechnik, Nanotechnologie, Biomedizin oder Datenanalyse verantwortlich.

Bruno Baeriswyl ist seit Januar 2023 neuer Präsident des Leitungsausschusses von TA-SWISS. Der ehemalige Datenschutzbeauftragte des Kantons Zürich wurde vom Stiftungsrat der im schweizerischen Bern ansässigen Stiftung für Technologiefolgen-Abschätzung ins Amt gewählt. Der vielfältig besetzte Lenkungsausschuss ist für die thematische Ausrichtung von TA-SWISS verantwortlich, wählt Projekte aus und gibt Studien in Auftrag. „Technologien haben Chancen und Risiken und das muss in einer demokratischen Gesellschaft geklärt werden“, so Baeriswyl. Wichtige Aufgabe der TA Swiss sei es, die nötige Transparenz dafür zu schaffen.