Meeting report: “PartWiss23”. Conference, 2023, Chemnitz, DE

Bettina Brohmann*, 1 , Regina Rhodius2 , Melanie Mbah2

* Corresponding author: b.brohmann@oeko.de

1 Öko-Institut e. V. (Institut für angewandte Ökologie), Darmstadt, DE

2 Öko-Institut e. V. (Institut für angewandte Ökologie), Freiburg, DE

© 2024 by the authors; licensee oekom. This Open Access article is licensed under a Creative Commons Attribution 4.0 International License (CC BY).

TATuP 33/1 (2024), S. 76–77, https://doi.org/10.14512/tatup.33.1.76

Published online: 15. 03. 2024

Vom 22. bis 24. November 2023 kamen auf der zweiten PartWiss Konferenz mehr als 230 Teilnehmende aus allen Bereichen der Partizipationsforschung (und -praxis) in Chemnitz zusammen, um sich über konzeptionelle und methodische Ansätze zur Beteiligung verschiedenster Akteure an der Co-Produktion von Wissen in transformativen Forschungsprozessen und soziotechnischen Kontexten auszutauschen. In seinem Eröffnungsbeitrag am Vorabend zeigte Philipp Schrögel (Uni Heidelberg) mit einer „Kartierung der Partizipationslandschaft“ den aktuell breiten Einsatz von Partizipation in unterschiedlichen Kontexten von Planungs- und Technikprozessen. Am Vortag der Konferenz fand zudem die erste Mitgliederversammlung der 2023 gegründeten Gesellschaft für transdisziplinäre und partizipative Forschung (GTPF) statt. In ihrer Konferenz-Keynote legte die neue Vorsitzende der GTPF, Christine Ahrend (TU Berlin), den Fokus auf Akteursgruppen in Forschung und Praxis und betonte die Notwendigkeit zur Veränderung des eigenen Verhaltens in der Transformation. Besonders wichtig seien dabei das Bündeln von Kräften durch Kooperationen, ein Umdenken im Wissenschaftsbetrieb und die Berücksichtigung anderer Logiken als entscheidende Parameter in der transdisziplinären und partizipativen Forschung.

Transdisziplinäre Wissenschaft und partizipative Forschung sollen vor dem Hintergrund der komplexen Herausforderungen einer Nachhaltigkeits- und soziotechnischen Transformation zu lebensweltlichen Problemlösungen beitragen, so der Tenor in verschiedenen Podiumsdiskussionen. Anhand sehr unterschiedlicher Vorhaben – beispielsweise aus dem Gesundheits- und Inklusionsbereich (‚Team Vielfalt‘), der Digitalisierung oder der Energiewende (‚SmartQuart‘) – die auf einer begleitenden Postersession ihre Tools und Ergebnisse zeigten – wurde deutlich, dass eine gesellschaftliche Einbettung neuen Wissens und sozio-technischer Lösungen auch besonders innovativer Beteiligungsformen bedarf. Dabei scheint es von Bedeutung zu sein, dass sich Forschungsfragen und Umsetzungsstrategien im Diskurs zwischen Wissenschafts- und Praxisakteuren aus verschiedenen Interessenlagen gemeinsam entwickeln. Für diese Kooperation ist es wichtig, dass in der jeweiligen Projektphase (Co-Design; Co-Produktion) und Konstellation (gesellschaftliches Handlungsfeld, räumlicher Bezug) ein angemessenes Format gewählt wird, in dem sich die Erarbeitung und Integration neuen lösungsorientierten Wissens entfalten kann.

Der Verbindung partizipativer und transdisziplinärer Elemente widmete sich unter anderem das Panel „Rolle von Kontexten für Formate und Methoden der transdisziplinären und partizipativen Forschung“. Zunächst zeigten Regina Rhodius, Melanie Mbah und Bettina Brohmann (Öko-Institut Freiburg/td Academy) eine Heuristik, die das Zusammenwirken der Methoden über den Verlauf der drei transdisziplinären Forschungs-Kernphasen Design, Produktion und Integration sowie der übergreifenden Evaluation darstellt. Von einem Format sprechen sie, wenn mindestens zwei der Forschungsphasen mit einem Set von Methoden systematisch ‚umfasst‘ werden. Die Heuristik basiert auf einer umfangreichen Literaturrecherche und empirischen Daten aus über 25 Projektkontexten. Die Auswertung der Daten machte deutlich, dass sich gesellschaftliche Anforderungen an die Mitgestaltung in der Nachhaltigkeitspraxis und -forschung ständig ändern. Hier könnten kontextsensible Formate und verschiedene Methoden helfen, den Forschungsprozess zu strukturieren und damit auch die Qualität der Forschungsergebnisse zu verbessern, so die Vortragenden. Die passenden Formate unterschieden sich dann in der Adressierung der Phasen, in der Methodenkombination, im Beteiligungsanspruch oder im Umgang mit Wirkungen.

Akteure und Rollen

Als ein übergreifendes Thema auf der PartWiss23 konnte die ‚Gewinnung‘ und Einbeziehung von (Praxis-)Akteuren in Forschungs- und Beteiligungsprozesse identifiziert werden. Die Diskutanten verschiedener Sessions und eines Podiums – „Partizipation aus der Sicht von Nicht-Wissenschaftler*innen“ – verwiesen einerseits auf die besondere Rolle der Forschenden, die in frühen Phasen der Exploration und des Co-Designs vorrangig Sondierungsaufgaben bekommen. Gleichzeitig wurde von kommunalen Akteuren eine ‚Kultur der Partizipation‘ diskutiert, die parallel zu den inhaltlichen Fragen auch auf institutionelle Anforderungen aus der Verwaltung und strukturelle Bedingungen bürgerschaftlicher Akteure achtet. Als problematisch wurde hier unter anderem die Vernachlässigung der frühzeitigen Einbeziehung von Praxispartnern seitens der Forschungsförderung konstatiert: So stünden zeitliche und finanzielle Hürden einem Co-Design oft im Wege.

Britta Oertel (IZT Berlin) verdeutlichte in ihrem Vortrag die teils parallele, teils aufeinander aufbauende Entwicklung von Formaten und Methoden bei transdisziplinären und partizipativen Ansätzen. Während man in der Partizipationsforschung versucht, eine frühzeitige Teilhabe zu realisieren, sei dies in der td- Forschung die Organisation von Co-Design. Auch analytisch sei man hier nah beieinander, was beispielsweise die Anwendung gleicher Methoden zeige. Britta Röseners Vortrag (RWTH Aachen) ergänzte mit Blick auf Beteiligungsprojekte aus dem Klimaschutz die Wichtigkeit von Kontextbedingungen und der Abfrage von Zielen, Akteuren und lokalen Rahmenbedingungen, wie man sie aus der Stadtentwicklungsplanung bereits kenne. Sowohl in diesen Beteiligungsprozessen der Stadtentwicklung als auch in der Phase der transdisziplinären Co-Produktion seien die wissenschaftlichen Akteure vor allem in der fachlichen Integration gefordert, die auch einer besonderen Qualifikation bedürfen. Daniel Lang, Claire Grauer und Farina Tolksdorf (KIT/ITAS, Karlsruhe) schlugen in ihrem Vortrag vor, für den Blick auf individuelle Kompetenzen und Kapazitäten auch den Begriff des ‚Kontextes‘ heranzuziehen und zu berücksichtigen, um mehr Klarheit über die jeweiligen Anforderungen und Rollen der Akteure zu gewinnen. Ein gutes Verständnis der Kontextfaktoren helfe bei der erfolgreichen gemeinsamen Gestaltung von Prozessen.

Abb. 1: Kultur der Partizipation. Graphic recording: Stephanie Brittnacher

Reflexion, Anpassung und Wirkungen

Bei der Diskussion um die Gelingensbedingungen von Forschungs- und Beteiligungsprozessen wurden Reflexivität, Transparenz und Integration als wichtige Kategorien genannt. Im Rahmen von Lightning Talks wurden auf der PartWiss23 zahlreiche Tools aus der Partizipations- und Forschungspraxis gezeigt, die Reflexionsprozesse und Wirkungsanalysen der beteiligten Partner*innen unterstützen, wie Crowd Innovation Plattformen, Transformation Innovation Center oder WTT-Impact-Canvas.

Wirkungen werden grundsätzlich differenziert hinsichtlich ihrer Intention, Beeinflussung durch Akteure sowie ihres zeitlichen und räumlichen Kontextes, wie Martina Schäfer, Emilia Nagy und Jasmin Wiefek (ZTG Berlin/tdAcademy) in ihrem Panel „Gesellschaftliche und wissenschaftliche Wirkungen“ darstellten. Sie unterschieden zwischen zwei bzw. drei Wirkungsordnungen: Der Wirkung erster Ordnung (intendiert und weitgehend steuerbar), der Wirkung zweiter Ordnung (nah am Kontext und nur begrenzt steuerbar) sowie der Wirkung dritter Ordnung (jenseits des Projektkontextes). Welche Herausforderungen damit jeweils verbunden sind, diskutierten ein Workshop zu Synergien und ‚Trade-offs‘ gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Wirkungen sowie ein darauf aufbauender Workshop zu ‚Monitoring der Ergebnisse und Wirkungen von transdisziplinärer und partizipativer Forschung‘ (Wiefek, Schäfer, Nagy, Lux, ZTG/ISOE/tdAcademy). In der Forschungspraxis lässt sich nur selten ein enges Ursache-Wirkungsverhältnis beschreiben, wie die Diskussion in verschiedenen Workshops der Konferenz zeigte: Forschungstätigkeiten könnten vorrangig Wirkungspotenziale aufbauen, wobei es hier sehr entscheidend auf die Prozessqualitäten ankomme, unter denen geplante Produkte, wie neue Modelle, Konzepte oder Dienstleistungen entwickelt werden. Die Reflexion und Anpassung von Formaten könnten dabei unterstützend wirken, so die Einschätzung von Teilnehmenden.

Perspektiven

Auf der PartWiss23-Konferenz konnten einige Unterschiede zwischen Partizipations- und transdisziplinärer Forschung deutlich herausgearbeitet, aber auch zahlreiche Schnittstellen und Gemeinsamkeiten identifiziert werden. Als eine große Herausforderung – in beiden Bereichen – wurden die notwendigen Ressourcen und die Bedingungen im Hinblick auf Kapazitäten und Herkünfte der beteiligten Akteure und Institutionen genannt. Wie gelingt es, gleichberechtigt miteinander an Forschungsthemen und ihrer wirksamen Umsetzung zu arbeiten, bislang nicht beteiligte Akteursgruppen einzubeziehen und in krisenhaften Kontexten, wie der COVID19-Pandemie geeignete, kurzfristig einsetzbare Formate zu finden? Diesen Fragen, aber auch Wünschen und Ideen aus dem bürgerschaftlichen Engagement wird sich die nächste PartWiss-Konferenz im Herbst 2024 widmen.

Weitere Informationen

https://partizipation-wissenschaft.de/index.php/konferenz-2023-tu-chemnitz/