Climate Engineering zwischen Klimapolitik und Völkerrecht: Status quo und Perspektiven

Schwerpunkt: Climate Engineering: ein Thermostat für die Erde?

Climate Engineering zwischen Klimapolitik und Völkerrecht

Status quo und Perspektiven

von Thilo Wiertz und David Reichwein, Universität Heidelberg

In den letzten Jahrzehnten haben sich eine Reihe von Prinzipien in der internationalen Umwelt- und Klimapolitik etabliert. Anhand existierender Mechanismen und völkerrechtlicher Verträge diskutiert der Beitrag, welche Implikationen diese für den Umgang mit Climate Engineering haben. Die Techniken könnten insofern zur Bewährungsprobe für die derzeitige Klimapolitik werden, als ihr Einsatz keinen internationalen Konsens erfordert. Zentral für die politische Diskussion von Climate Engineering wird daher der Aspekt der intertemporalen und geographischen Risikoverteilung sein. Ob und inwieweit das Völkerrecht Einsatz und Erforschung von Climate Engineering betrifft, hängt wesentlich von der Interpretation bestehender Verträge ab.

1 Einleitung

Die technologische Möglichkeit einer globalen Klimamanipulation wirft die Frage auf, wie über einen Einsatz von Climate Engineering entschieden werden sollte. Dabei geht es um mehr als den „richtigen” Zielwert einer globalen Oberflächentemperatur, wie es naturwissenschaftliche Betrachtungen bisweilen nahelegen: Climate Engineering bewegt sich in einem Spannungsfeld von Risiken, die dem Klimawandel einerseits und einer gezielten Klimaveränderung andererseits zugeschrieben werden. Angesichts räumlich differenzierter Auswirkungen und der Kontextualität von Wertmaßstäben sind so sehr unterschiedliche Vorstellungen davon möglich, wann und in welchem Maße technische Eingriffe in das globale Klimasystem sinnvoll oder gar notwendig sind. Die politische Herausforderung ist es also zu klären, in welchen institutionellen Zuständigkeitsbereichen eine Entscheidung über Climate Engineering verortet wird und welchen moralischen Rechtfertigungen sie folgt. Bislang existieren zwar kaum internationale Rahmenbedingungen, die sich explizit mit Climate Engineering befassen. In den letzten Jahrzehnten haben sich jedoch eine Reihe von Mechanismen und Prinzipien in der internationalen Klimapolitik und im Umweltvölkerrecht etabliert, denen als diskussionsleitende Logiken im Diskurs um Climate Engineering insofern Relevanz beizumessen ist, als sie Aussagen über Verantwortung und Zuständigkeiten für grenzüberschreitende Umweltveränderungen treffen. Die folgende Betrachtung soll daher diskutieren, inwiefern bisherige Prinzipien der Umweltpolitik mit Climate Engineering in Einklang zu bringen sind, und wo Climate Engineering diese in Frage stellt.

2 Eine Herausforderung für die konsensorientierte Klimapolitik

Mit der Anerkennung eines anthropogenen und globalen Klimawandels stellt sich für die Politik die Herausforderung, die Zuständigkeiten und Verantwortungen für grenzüberschreitende Umweltveränderungen zu ordnen. Die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung im Jahr 1992 und die dort verabschiedete Klimarahmenkonvention (United Nations 1992c) sind hierfür insofern wegweisend, als sie die gemeinsame aber unterschiedliche Verantwortung der Länder als zentrales Prinzip der Klimapolitik hervorheben. Aus der Erkenntnis, dass in einer Welt globalisierter Umweltschäden gemeinschaftliches Handeln notwendig ist, entsteht ein Regime, das sich auf Expertenbewertungen über den Zustand der Erde sowie auf konsensbasierte Entscheidungen unter der Klimarahmenkonvention und dem Kyoto-Protokoll stützt.

Die Motivation für eine technologische Klimamanipulation ergibt sich aus den Gefahren des Klimawandels, die insbesondere dann zu erwarten sind, wenn Tipping Points, also kritische Punkte im Klimasystem überschritten werden (The Royal Society 2009). Im Anschluss an die Mechanismen derzeitiger Klimapolitik könnte eine Entscheidung über den Einsatz von Climate Engineering gegen einen „gefährlichen Klimawandel” auf Grundlage einer Experteneinschätzung, beispielsweise durch das IPCC, und einer internationalen Einigung getroffen werden. Das Konsensprinzip der Klimapolitik, ohne das wirksame Emissionsreduktionen nicht umzusetzen sind, wird durch Climate Engineering jedoch in Frage gestellt: Sollten sich einige der Techniken als so kostengünstig erweisen, dass ihre Implementierung durch einzelne Staaten (oder gar nicht-staatliche Akteure) möglich wird, setzt eine Veränderung des Status quo keine Einigung mehr voraus (vgl. Virgoe 2009).

Die Grenzziehung zwischen akzeptablen und gefährlichen bzw. katastrophalen Klimaveränderungen ist nicht anhand objektiver Maßstäbe zu bestimmen, sondern wird in Anbetracht der räumlich differenzierten Auswirkungen einer globalen Erwärmung und von Climate Engineering notwendigerweise kontrovers ausfallen. Climate Engineering, insbesondere „Solar Radiation Management” (SRM), verringert nicht nur die Gefahren des Klimawandels, sondern impliziert eine geographische und soziale Umverteilung der Risiken von Umweltveränderungen durch die Techniken einerseits und steigende Treibhausgaskonzentrationen andererseits. Wann eine Intervention in das Klimasystem als vorteilhaft oder notwendig erscheint, hängt also maßgeblich von den betrachteten Skalen und der Gewichtung der technischen und klimatischen Risiken ab. Zu Konflikten könnte es insbesondere dann kommen, wenn klimatische Veränderungen – ob durch Climate Engineering oder eine unkontrollierte globale Erwärmung – als Problem nationaler Sicherheit interpretiert werden. Der Verweis auf nationale Sicherheitsinteressen könnte für Staaten schließlich die diskursive Legitimation bieten, sich über bestehende internationale Normen und Verträge hinwegzusetzen. Ein Szenario, in dem einzelne Staaten oder eine „Koalition der Willigen” Climate Engineering ohne Abstimmung mit der internationalen Gemeinschaft einsetzen, ist dann denkbar, wenn angesichts realer oder erwarteter Schäden durch den Klimawandel der Druck auf Entscheidungsträger in einigen Ländern wächst (Virgoe 2009).

Die Frage nach verantwortlichem Handeln angesichts der Möglichkeit technologischer Interventionen im Klimasystem stellt sich also insofern neu, als konsensbasierte Politik nicht mehr notwendig aus den zur Verfügung stehenden Strategien folgt. Staaten könnten im eigenen Interesse oder unter Verweis auf ein globales Allgemeinwohl zu Climate Engineering greifen. Damit wird zwar auch die Entscheidungsfindung erleichtert, wenn nicht alle potenziell betroffenen Akteure „am selben Strang” ziehen müssen. Jedoch wirft ein solches Szenario erneut die Frage nach Gerechtigkeit in der Klimapolitik auf: Sollten „Großemittenten” die Technologie als Ausweg aus den Verhandlungen um verbindliche (und ökonomisch unbequeme) Emissionsreduktionen sehen, würde Climate Engineering zum Idealbild einer neo-kolonialen Umweltpolitik, in dem einige mächtige Staaten über das globale Klima befinden. Die Gerechtigkeitsfrage stellt sich auch in zeitlicher Dimension, wenn Climate Engineering einen Risikotransfer auf künftige Generationen mit sich bringt.

3 Climate Engineering als Teil einer nachhaltigen Klimastrategie?

Das Prinzip der Nachhaltigkeit bzw. einer nachhaltigen Entwicklung ist ein Schlüsselelement internationaler Verträge zu Umwelt- und Klimapolitik. Ziel des Prinzips ist eine Entwicklung, welche die Bedürfnisbefriedigung künftiger Generationen nicht einschränkt – so hält es der Brundtland-Bericht von 1987 fest (WCED 1987). Die Klimarahmenkonvention bezieht nachhaltige Entwicklung vor allem auf fortgesetztes ökonomisches Wachstum, auch um den Entwicklungsinteressen der Entwicklungs- und Schwellenländer Ausdruck zu verleihen (United Nations 1992c). „Grüne Technologien”, insbesondere im Bereich der Erneuerbaren Energien, werden dabei zum Vehikel einer Politik, die einen weltweit steigenden Energiebedarf mit den Zielen des Klimaschutzes in Einklang bringen muss – technologischer Fortschritt und Technologietransfer bieten für die Klimapolitik den Schlüssel zu „nachhaltigem Wachstum”.

Kann Climate Engineering im Sinne der Klimarahmenkonvention Teil einer nachhaltigen Klimastrategie sein, also auch eine Alternative zu Emissionsreduktionen? Der „Clean Development Mechanism” (CDM) des Kyoto-Protokolls verknüpft den Marktgedanken des Emissionshandels mit den Zielen nachhaltigen Wachstums in Staaten des globalen Südens. Industrienationen können durch Projekte in diesen Staaten ihren Reduktionsverpflichtungen nachkommen und gleichzeitig einen Beitrag zu deren Entwicklung leisten. Der Mechanismus basiert auf einem Kompensationsprinzip: Der CO2-Ausstoß in einigen Ländern lässt sich durch „negative” Emissionen anderswo wettmachen. Der gleiche Gedanke liegt Climate Engineering-Techniken zu Grunde, die Kohlendioxid aus der Umgebungsluft binden sollen („Carbon Dioxide Removal“, CDR).

Das Subsidiary Body for Scientific and Technological Advice (SBSTA) unter der Klimarahmenkonvention beschäftigt sich seit längerem mit der Frage, ob eine Kohlenstoffsequestrierung an Emissionsquellen (CCS) als CDM-Maßnahme anzuerkennen sei. Kritiker wenden ein, dass dies den notwendigen Übergang zu regenerativen Energiesystemen weiter aufschieben würde. Zu einer Einigung kam es bislang nicht, insbesondere, da die Gewährleistung der „MRV-Kriterien” (Measurable, Reportable, Verifiable) nicht gegeben ist (Watanabe et al. 2007). Sollten diese Probleme gelöst werden, wäre der Weg auch offen für solche Climate Engineering-Verfahren, die in einem analogen Verfahren CO2 aus der Umgebungsluft abscheiden und geologischen Lagerstätten zuführen. Es bleibt jedoch ungewiss, wann eine Speicherung als dauerhaft und sicher gelten kann. Inwieweit die Technik dem Nachhaltigkeitsprinzip entspricht, ist daher fragwürdig. Auch der Vergleich zur „Endlagerung” radioaktiver Abfälle liegt nahe.

In keinem Fall eine Alternative zu Emissionsreduktionen sind SRM-Techniken: Die Risiken einer globalen Erwärmung würden bestenfalls hinausgezögert. Würde ein Einsatz von ansteigenden Treibhausgaskonzentrationen begleitet, müsste er kontinuierlich aufrechterhalten und intensiviert werden, um einen zunehmenden Treibhauseffekt zu kompensieren. Für die jeweiligen politischen Träger des Eingriffs ergäbe sich ein erheblicher Kosten- und Koordinationsaufwand, besonders dann, wenn unerwünschte Nebeneffekte der Verfahren erst nach einigen Jahren offenbar werden und Kompensationsforderungen nach sich ziehen. Das Problem einer zunehmenden Versauerung der Ozeane bliebe bestehen.

Climate Engineering als (vorübergehende) Alternative zu Emissionsreduktionen ist damit, neben einer geographischen Neuverteilung möglicher Umweltschäden, auch ein Risikotransfer auf künftige Generationen und erscheint als Widerspruch zum Nachhaltigkeitsprinzip. Trotzdem wird die Technologie nicht nur als Katastrophenmaßnahme erwägt, sondern auch als Übergangslösung, um den Umbau (westlicher) Wirtschaftssysteme hinauszuzögern (Lane et al. 2009). Eine solche Darstellung beruht auf der Annahme, dass zukünftige Generationen die Herausforderungen des Klimawandels besser, d. h. kostengünstiger bewältigen können. Das Argument scheint dann vereinbar mit einer „kosteneffizienten” nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Klimarahmenkonvention – jedoch nur unter dem Postulat technologischen Fortschritts.

4 Ein Markt für Klimaretter?

Um Klimaschutzmaßnahmen dort zu realisieren, wo sie am günstigsten umzusetzen sind, haben sich marktbasierte Steuerungsmechanismen als Grundlage der internationalen Klimapolitik durchgesetzt. Neben dem Clean Development Mechanism (CDM) ermöglicht das Kyoto-Protokoll auch gemeinsame Projekte der Industrienationen (Joint Implementation, JI) und einen internationalen Emissionsrechtehandel. Damit werden starke finanzielle Anreize für privatwirtschaftliches Engagement gegen den Klimawandel gesetzt. Sollten CDR-Verfahren unter den projektbasierten Instrumenten des Kyoto-Protokolls anerkannt werden, würde dies den Weg für einen breiten Einsatz eröffnen.

Trotz unklarer Rahmenbedingungen über die kommerzielle Verwertbarkeit von CDR haben sich einige Unternehmen gegründet, die auf eine langfristige Anerkennung unter den marktbasierten Mechanismen der Klimapolitik spekulieren und auch eigene Forschung betreiben (Bronson et al. 2009). Während die Involvierung privater Akteure in Erforschung und Entwicklung von Climate Engineering zusätzliche Finanzmittel bereitstellen könnte, argumentieren Kritiker, dass dies eine systematische Unterbewertung der Risiken zur Folge hätte. Privates Engagement bei der globalen Klimamanipulation gilt es aus dieser Sicht zu unterbinden. Während einige Wissenschaftler bereits über Patente verfügen, beispielsweise im Bereich „Carbon Air Capture”, haben sich die ETC Group und Oxford Geoengineering für eine prinzipielle Nicht-Patentierbarkeit der Techniken ausgesprochen (Bronson et al. 2009, http://www.oxfordgeoengineering.org).

Marktbasierte Mechanismen für SRM, beispielsweise in Form von „Strahlungskrediten” wie sie am Rande der Diskussion auftauchten (Gaskill 2004), sind angesichts der komplexen Auswirkungen der Techniken kaum denkbar. Für einige CDR-Verfahren wäre der Weg offen, sollten Probleme der Mess- und Überprüfbarkeit einer CO2-Speicherung geklärt werden (s. o.). Doch die Marktorientierung derzeitiger Klimapolitik stößt auch auf Widerstand. Kritiker argumentieren, sie sei der Versuch westlicher Industrienationen, sich von der historischen Verantwortung für die globale Erwärmung „freizukaufen”. Sie verschärfe die ökonomischen Gegensätze zwischen Nord und Süd, anstatt sie zu beseitigen (Bumpus, Liverman 2008). Unter diesem Gesichtspunkt erscheint Climate Engineering als ein zweifelhaftes Versprechen westlicher Wissenschaftler, das zum Spielball ökonomischer Interessenspolitik werden könnte. Durch vermeintlich kostengünstiges Climate Engineering würden dann Umweltrisiken in Länder des globalen Südens „exportiert”, ohne die Rolle globaler Wirtschaftsverhältnisse als ursächlich für den Klimawandel zu reflektieren.

5 Die Politik der Unsicherheit und die Grenzen des Vorsorgeprinzips

Sowohl für die Erforschung von Climate Engineering als auch für die Klimawissenschaften gilt, dass Befunde über zukünftige Auswirkungen mit Unsicherheiten behaftet sind. Um trotz dieser Unsicherheiten handlungsfähig zu bleiben, berufen sich internationale Verträge auf das „Precautionary Principle”, also ein Vorbeuge- oder Vorsorgeprinzip (Martin 1997). Kritiker von Climate Engineering sehen in einer Feldforschung oder Implementierung der Techniken unbekannte Gefahren für Umwelt und Menschen und lehnen diese unter Verweis auf das Vorsorgeprinzip ab (Bronson et al. 2009). Ob das Prinzip jedoch gegen technische Interventionen spricht, ist einerseits abhängig von der verwendeten Definition, andererseits von der Bewertung der möglichen Gefahren durch Klimawandel und Climate Engineering.

Inhalt und Verbindlichkeit des Prinzips sind aufgrund der Inkonsistenz seiner Anwendung umstritten (Bodansky 2008, S. 601). Mehrheitlich wird die völkerrechtliche Verbindlichkeit inzwischen allerdings angenommen (Trouwborst 2007). Die Kernaussagen sind in Grundsatz 15 der Rio-Deklaration festgehalten. Danach darf ein Mangel an vollständiger wissenschaftlicher Gewissheit kein Grund dafür sein, „kostenwirksame Maßnahmen zur Vermeidung von Umweltverschlechterungen aufzuschieben”, wenn schwerwiegende oder bleibende Schäden drohen (United Nations 1992b). Eine Übertragung des Vorsorgeprinzips auf Climate Engineering sieht sich jedoch mit einer doppelten Unsicherheit konfrontiert: Climate Engineering adressiert schließlich die möglicherweise „schwerwiegenden” Auswirkungen des Klimawandels und birgt gleichermaßen neue Risiken für Mensch und Umwelt.

Eine eindeutige Entscheidung unter dem Vorsorgeprinzip ist nur dann möglich, wenn ein Vergleich der jeweiligen potenziellen Schäden unter Berücksichtigung ihrer Eintrittswahrscheinlichkeiten machbar ist. Gerade dies ist jedoch in Anbetracht der Unsicherheiten in den Klimawissenschaften fraglich. Zu klären ist daher, wem die Beweislast zukommt: Einige Autoren argumentieren, dass das Vorsorgeprinzip eine Beweislastverschiebung dergestalt impliziert, dass Befürworter von Climate Engineering die Unbedenklichkeit nachweisen müssten (Bodansky 1996). Der Ansicht, dass das Vorsorgegebot zu einer Beweislastverschiebung führen kann, hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag sich allerdings nicht angeschlossen (IGH, Urteil vom 20.4.10, Argentinien vs. Uruguay, Rn. 164). Das kann bedeuten, dass die Bedrohung von schwerwiegenden oder irreversiblen Schäden durch Climate Engineering von Gegnern dieser Techniken nachgewiesen werden müssten.

Aus politischer Sicht ist zu fragen, auf welche Legitimität sich eine regionale Umverteilung von Risiken stützt, sollte eine globale Abwägung im politischen Diskurs zu Gunsten von Climate Engineering ausfallen. Eine Kompensation ist nur bedingt möglich, da eine kausale Zuordnung von Schadensfällen zu Climate Engineering, beispielsweise durch Extremwetterereignisse, im komplexen Klimasystem kaum möglich sein wird.

Ob das Vorsorgeprinzip grundsätzlich gegen eine Anwendung von Climate Engineering spricht, hängt auch mit dem ihm zu Grunde liegenden Unsicherheitsbegriff zusammen. Die Europäische Kommission sieht in ihrer Interpretation des Prinzips Unsicherheit als einen vorübergehenden Mangel an Wissen. Politische Entscheidungen können sich jedoch an den verfügbaren, wenn auch begrenzten, wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren (Todt, Lujan 2008). Hingegen sehen einige Umweltschutzorganisationen Unsicherheit als eine der Technologie inhärente Eigenschaft, so dass jenseits eines gewissen Grads an Komplexität die gesellschaftliche Kontrollierbarkeit grundsätzlich in Frage zu stellen ist und eine „Auslese” der Technik erforderlich ist (Todt, Lujan 2008). Während erstere Position politische Entscheidungen durch eine Ausweitung wissenschaftlicher Forschung und Beratung zu verbessern sucht, sieht Letztere hierin keine ausreichende Kontrolle. Vielmehr müsse dann unter breiter gesellschaftlicher Beteiligung über Erforschung und Einsatz der Technik entschieden werden.

Ob eine rein wissenschaftliche Bewertung der Risiken von Climate Engineering ausreichend ist, oder ob bereits über die Erforschung unter breiter gesellschaftlicher Beteiligung entschieden werden sollte, ist also wesentlich abhängig von dem zu Grunde gelegten Risikokonzept. Ein „Expertenkodex” wurde von der Royal Society in die Debatte gebracht und im Frühjahr 2010 auf einer Konferenz im kalifornischen Asilomar diskutiert (The Climate Response Fund 2010; siehe auch Oschlies in diesem Schwerpunkt). Die ETC-Group fordert hingegen eine internationale Konvention zur Evaluierung neuer technischer Verfahren, an der die globale Zivilgesellschaft aktiv beteiligt sein sollte (Bronson et al. 2009).

6 Climate Engineering unter bestehenden völkerrechtlichen Verträgen

Stehen zusätzlich bestehende internationale Verträge einer Erforschung bzw. einem Einsatz der unterschiedlichen Techniken entgegen? Da bisher kein völkerrechtlicher Vertrag explizit auf Climate Engineering ausgerichtet ist (Bodansky 1996), gilt es zu untersuchen, inwiefern Climate Engineering-Verfahren in den Anwendungsbereich bestehender rechtlicher Rahmenbedingungen fallen und welche Rechtsfolgen sich hieraus ergeben. Dabei ist zwischen den unterschiedlichen Techniken, insbesondere zwischen SRM und CDR zu differenzieren.

MacCracken führt die ENMOD-Konvention (United Nations 1976) als ein Beispiel für einen Vertrag an, der möglicherweise auf SRM zu beziehen ist (MacCracken 2006). Jedoch verpflichten sich die unterzeichnenden Vertragsparteien der Konvention lediglich, umweltverändernde Techniken nicht zu militärischen Zwecken oder in sonstiger feindlicher Absicht gegenüber einem anderen Vertragsstaat zu nutzen (Virgoe 2009). Laut Artikel 3 des Übereinkommens steht der Vertrag der Nutzung umweltverändernder Techniken für friedliche Zwecke nicht im Weg, sondern lässt allgemein anerkannte Grundsätze und die geltenden Vorschriften des Völkerrechts unberührt (Zedalis 2010).

Vor dem Hintergrund, dass durch den Einsatz von Schwefelaerosolen ein signifikanter Abbau der Ozonschicht droht (Heckendorn et al. 2009), könnte das Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht (United Nations 1985) sowie dessen Montrealer Protokoll den Einsatz von SRM-Techniken begrenzen (United Nations 1987). Die Vertragsparteien verpflichten sich geeignete Maßnahmen zu treffen, um die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor schädlichen Auswirkungen anthropogener Veränderungen der Ozonschicht zu schützen. Aus rechtlicher Sicht ausschlaggebend ist, ob „erhebliche abträgliche” Auswirkungen zu erwarten sind, wie es das Übereinkommen formuliert. Zwar lassen sich diese aus wissenschaftlicher Sicht durchaus annehmen. Im Sinne der Wiener Vertragsrechtskonvention sind aber nicht allein der Wortlaut eines Vertragstextes, sondern auch Systematik und Telos für die Auslegung der Vertragsbestimmungen von Bedeutung. Wenn das Ziel von Climate Engineering also ist, die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu verringern, ließe sich die Anwendbarkeit des Übereinkommens in Frage stellen (Zedalis 2010).

Das Montrealer Protokoll verpflichtet die Vertragsstaaten – in Ergänzung zum Wiener Übereinkommen – zu konkreten Reduktionszielen für verschiedene Stoffe. Aus völkerrechtlicher Perspektive ist das Protokoll insofern bemerkenswert, da es für einige Entscheidungen nur einer Zweidrittel-Mehrheit der Vertragsparteien bedarf, entgegen dem im Völkerrecht überwiegenden Konsensprinzip. Dies gilt auch für die Aufnahme neuer Stoffe. Verbindlich würde eine solche Änderung jedoch nur für jene Staaten, die diese daraufhin ratifizieren. In der Vergangenheit wurden dem Protokoll, dem 196 Staaten angehören, wiederholt neue Substanzen hinzugefügt. Prinzipiell ist dies also auch für Schwefel denkbar, sollten Studien über einen signifikanten Ozonabbau durch SRM bestätigt werden (ähnlich Virgoe 2009).

Auch das Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung (United Nations 1979), das in den 1970er Jahren in Reaktion auf zunehmende Luftverschmutzung und sauren Regen geschlossen wurde, hat in seiner derzeitigen Form keine direkten rechtlichen Auswirkungen auf Climate Engineering. Die weite Definition von Luftverunreinigung bezieht sich ebenfalls auf eine „abträgliche Wirkung”, die für Climate Engineering nicht eindeutig zu entscheiden ist (s. o.). Zu dem Übereinkommen existiert ein Protokoll, das sich explizit mit einer Reduktion von Schwefelemissionen befasst (United Nations 1994). In dessen Präambel wird die Verhinderung einer Versauerung hervorgehoben. Ob diese jedoch durch SRM mit Schwefelaerosolen zu befürchten ist, bezweifeln einige Autoren (Kravitz et al. 2009).

Im Frühjahr 2009 löste ein deutsch-indisches Experiment zur Eisendüngung im Südatlantik eine Kontroverse um die Regulierung solcher Unternehmungen aus. Sowohl unter der London Dumping Convention (United Nations 1972) zum Schutz der Meere vor Verunreinigungen als auch unter der Biodiversitätskonvention (United Nations 1992a) wurde Ozeandüngung daraufhin behandelt. Die Ergebnisse fasst eine Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen zusammen: Während die wissenschaftliche Forschung vor dem Hintergrund der Forschungsfreiheit prinzipiell erlaubt bleibt – hierin folgt sie der UN Seerechtskonvention – gilt dies nicht für den Einsatz einer Ozeandüngung zur CO2-Sequestrierung. Die im Konsens angenommene – wenn auch rechtlich unverbindliche – Resolution formuliert, dass eine Ozeandüngung jenseits „legitimer wissenschaftlicher Interessen” nicht erlaubt sein sollte (Res. A/RES/63/11). Lediglich kleinräumige Experimente in Küstengewässern, die für eine Ozeandüngung jedoch wenig geeignet sind, hält sie für vertretbar. Die bisherigen politischen Entscheidungen zu einer Eisendüngung machen also eine großräumige Ausweitung der Forschung zu Ozeandüngung oder einen Einsatz in absehbarer Zukunft unwahrscheinlich.

7 Rechtliche Grenzen für globale Umweltbeeinträchtigungen

Doch nicht nur bestehende Verträge gilt es zu berücksichtigen. Für Climate Engineering relevant ist auch das Verbot grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen als ein verbindlicher Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts (Vitzthum, Bothe 2007). Demnach ist es Staaten untersagt, auf ihren Territorien Aktivitäten nachzugehen oder zuzulassen, von denen signifikante grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigungen ausgehen könnten (Beyerlin 2000; Bodansky 2008). Grenzüberschreitend heißt in dem Fall, dass das Hoheitsgebiet eines anderen Staates betroffen ist; eine geographische Nachbarschaft ist hingegen nicht Voraussetzung. Für die Anwendbarkeit muss darüber hinaus ein Kausalzusammenhang bestehen (Vitzthum, Bothe 2007): Diesen nachzuweisen erscheint für direkte Schäden durch großräumige Stoffeinträge (Eisen oder Schwefel) möglich, kaum jedoch für Veränderungen im komplexen Klimasystem. Im Hinblick auf Letztere könnten Staaten also nur bedingt für ihr Handeln verantwortlich gemacht werden.

Angesichts der großen Schwierigkeiten, kausale Prozesse nachzuweisen, spielt der Gedanke der internationalen Kooperation eine immer größere Rolle im Umweltvölkerrecht (Shaw 2008). Daher statuiert das dem Umweltvölkerrecht zugrundeliegende Prinzip der Prävention auch prozedurale kooperative Pflichten, um grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen frühzeitig zu begegnen. Grundsatz 19 der Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung stellt inzwischen völkergewohnheitsrechtlich verbindliche Notifikations- und Konsultationspflichten gegenüber potenziell betroffenen Staaten über Tätigkeiten auf, die schwerwiegende grenzüberschreitende schädliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können. Dies bestätigte jüngst der Internationale Gerichtshof in einem Urteil (20.4.10, Argentinien vs. Uruguay). Zudem sind nach dem völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Prinzip 17 der Rio-Erklärung nationale Umweltverträglichkeitsprüfungen durchzuführen. Diese völkerrechtlichen Pflichten zeigen, dass auch ein potenziell unilateral agierender Staat Informations- und Konsultationspflichten nachkommen müsste angesichts der möglichen Gefahren und Nebenwirkungen, die von Climate Engineering nach derzeitiger Einschätzung ausgehen.

8 Fazit

Die Debatte um Climate Engineering wird weit komplizierter, wenn man gegenüber der rein technischen Umsetzbarkeit die politischen und völkerrechtlichen Herausforderungen und Konsequenzen heraushebt, die sich aus den Techniken ergeben. Wie die Diskussion zeigt, lassen sich zwar wenige der bisher bestehenden völkerrechtlichen Regeln direkt auf Climate Engineering übertragen. Jedoch wird deutlich, dass Staaten angesichts grenzüberschreitender Umweltveränderungen vielfach zu kooperativem Verhalten tendieren – und hinsichtlich transnationaler Umweltbeeinträchtigungen auch dazu verpflichtet sind. Einerseits kann Climate Engineering dem entgegenstehen, wenn die Notwendigkeit einer Kooperation nicht mehr gegeben erscheint, andererseits kann die Bereitschaft zu gemeinschaftlichem Handeln in Umweltfragen auch als Perspektive für eine mögliche internationale Regulierung von Climate Engineering gesehen werden. Für die konkreten Rechtsfolgen, die das Umweltvölkerrecht hinsichtlich Climate Engineering auferlegt, wird schließlich ausschlaggebend sein, wie das Precautionary Principle oder der Begriff der abträglichen Wirkung im Hinblick auf technische Klimaveränderungen ausgelegt werden.

Zentraler Gegenstand der Diskussionen um Climate Engineering ist die Frage von Verantwortung und Gerechtigkeit. Die internationale Klimapolitik ist immer wieder Gegenstand von Kritik, die sich gegen das politische Übergewicht der großen Industrienationen richtet. Sie stellt ein auf globaler Ebene bis dato beispielloses Forum bereit, in dem Staatsvertreter der ganzen Welt unter dem kritischen Blick von Nichtregierungsorganisationen um eine wirksame Klimapolitik ringen – bislang jedoch ohne messbaren Erfolg. Die Prinzipien einer konsensorientierten internationalen Politik stehen dann zur Disposition, wenn die Diskussion um technologische Klimaveränderungen zum Spielball nationaler und ökonomischer Interessen wird. Problematisch ist dies insofern, als die meisten Techniken eine geographische Umverteilung klimatischer Risiken einerseits implizieren und einen Risikotransfer auf künftige Generationen andererseits, sollten sie als Alternative zu Emissionsreduktionen eingesetzt werden. Eine politische Regulierung von Climate Engineering muss sich also vor allem fragen, wie sie den gesellschaftlichen Umgang mit der Technologie zu ordnen vermag, ohne den Anspruch auf mehr globale Partizipation und Gerechtigkeit zu verwerfen.

Literatur

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Hinweis

Siehe in diesem Zusammenhang auch die Besprechung des Sammelbandes von B. Launder und M. Thompson („Geo-Engineering Climate Change“) im Rezensionsteil dieses Heftes.

Kontakt

Thilo Wiertz, Dipl. Geograph
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