Aerosolbasierte Methoden des Climate Engineering. Eine Bewertung

Schwerpunkt: Climate Engineering: ein Thermostat für die Erde?

Aerosolbasierte Methoden des Climate Engineering

Eine Bewertung

von Thomas Leisner, Karlsruher Institut für Technologie, und Stefan Müller-Klieser, Universität Heidelberg

In diesem Beitrag wird ein kurzer Überblick über das atmosphärische Aerosolsytem gegeben, soweit dies zum Verständnis der aerosolbasierten Methoden der künstlichen Klimabeeinflussung nötig ist. Hieraus werden dann die zwei derzeit am meisten diskutierten Möglichkeiten, eine künstliche Abkühlung des Erdklimas herbeizuführen, abgeleitet. Dies sind die Ausbringung von Aerosolpartikeln in der Stratosphäre sowie die Erhöhung der Wolkenhelligkeit in der Troposphäre mithilfe von künstlichen Kondensationskeimen. Zu diesen beiden Vorschlägen wird der Stand der Diskussion über die Machbarkeit sowie mögliche Nebenwirkungen zusammengefasst. Daraus abgeleitet wird verallgemeinernd besprochen, welche wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme mit einer künstlichen Klimakontrolle verbunden sind. Abschließend wird erläutert, warum und wie nach unserer Meinung das Climate Engineering trotz der damit verbundenen Probleme und Bedenken mit hoher Dringlichkeit erforscht werden sollte.[1]

1 Einleitung

Macht über die natürlichen Kräfte von Wetter und Klima zu erlangen, zählt zu den urzeitlichen Träumen der Menschheit, die entsprechende Fähigkeit wurde allerdings nur Gottheiten oder deren Günstlingen zugestanden. Mit der Entdeckung und Beherrschung der nuklearen Kräfte schien dieser Traum in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts erstmals in erreichbare Nähe zu kommen. Visionen einer menschengeformten Umwelt aus den 40er und 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts beinhalteten dabei nicht nur die Kontrolle über das Klima, sondern strebten eine Umgestaltung des Erdsystems zum Nutzen seiner menschlichen Bewohner an (siehe dazu den Beitrag von Sardemann in dieser Ausgabe). Frühe Versuche dieses Geoengineering endeten aber meist in einem ökonomischen und ökologischen Desaster, wofür die Verwandlung des Aral-Sees in eine Steppenlandschaft nur das prominenteste Beispiel ist. Aufgrund dieser schlechten Erfahrungen und auch aufgrund der engen Beziehung des Geoengineering zu militärischen Fragestellungen war Forschung zu einer absichtlichen Klimamodifikation für die meisten Geowissenschaftler ein Tabu.

Die bis heute anhaltende Zurückhaltung der Geowissenschaften beginnt sich langsam zu ändern, seit es mehr und mehr klar wird, dass die Menschheit dabei ist, durch ihre schiere Zahl und Aktivität den Energiehaushalt der Atmosphäre unumkehrbar zu verändern. Der Nobelpreisträger Paul Crutzen prägte den Begriff des Anthropozäns für diese beginnende Phase der menschlichen Dominanz aller Kompartimente der Geosphäre (Crutzen 2002). Er war es auch, der eine absichtliche künstliche Beeinflussung des Klimasystems im Jahre 2006 wieder auf die Agenda der Klima- und Geoforschung brachte, in dem er sie als mögliche „Ultima Ratio“ beschrieb, falls alle Anstrengungen der Eindämmung des Klimawandels scheitern sollten (Crutzen 2006). Seitdem steigt die Anzahl der entsprechenden Arbeiten in der wissenschaftlichen Literatur stark an, das Thema ist demnach auf der Agenda nicht nur der naturwissenschaftlichen Forschung angekommen.

Die Maßnahmen zur Klimakontrolle über Climate Engineering (CE) lassen sich in zwei sehr unterschiedliche Klassen einteilen. Einerseits kann man das anthropogen emittierte Kohlendioxid – und möglicherweise andere Klimagase – künstlich wieder aus der Atmosphäre entfernen („Carbon Dioxide Removal“, CDR); andererseits wird vorgeschlagen, den Anteil der direkt in den Weltraum zurückreflektierten Sonnenstrahlung (die „Albedo“) durch technische Maßnahmen zu erhöhen („Solar Radiation Management“, SRM). Unter letzteren Vorschlägen spielt eine Modifikation des natürlichen Aerosolsystems in der Troposphäre oder der Stratosphäre eine zentrale Rolle.

Eine ähnliche, aber im Detail doch abweichende Klassifikation der CE-Vorschläge unterscheidet zwischen solchen Verfahren, welche einen „großen Hebel“ zur Klimabeeinflussung verwenden, d. h. die eine Änderung der Erdtemperatur durch eine geeignete Manipulation des Klimasystems mit vergleichsweise geringem Aufwand zu erreichen suchen, und jenen Maßnahmen, welche durch großtechnische Maßnahmen „Tonne für Tonne“ die Emission der Klimagase rückgängig machen wollen (Keith 2000; Royal Society 2009). Zu den Verfahren mit großem Hebel gehören die meisten SRM-Maßnahmen aber auch der CDR-Vorschlag, Kohlendioxid durch eine Düngung der Weltmeere aus der Atmosphäre zu entfernen und als Carbonat in die Tiefsee zu „exportieren“. Diese Maßnahmen haben gemeinsam, dass sie aufgrund des großen Hebels billig sein können, potentiell schnell wirken, aber große Nebenwirkungen befürchten lassen, wohingegen die zweite Klasse als „langsam, eher nebenwirkungsarm und teuer“ charakterisiert werden kann (Keith 2009). Auch wenn einige dieser Attribute kritisiert werden können (und in diesem Beitrag auch kritisiert werden), ist diese Einteilung doch hilfreich bei der Bewertung der CE-Maßnahmen hinsichtlich ihrer ökologischen Folgen und ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz. Es ist zu beachten, dass SRM-Maßnahmen zwar auf kurzer Zeitskala wirksam werden können, die Dauer ihres Einsatzes aber an die Lebensdauer des CO2 in der Atmosphäre gebunden ist, welche mehrere tausend Jahre beträgt. Ein früherer Abbruch dieser Maßnahmen hätte einen abrupten Klimawandel zur Folge, an welchen eine Anpassung nicht mehr möglich wäre. CDR Maßnahmen hingegen müssten über einen sehr langen Zeitraum (viele Jahrzehnte) aufgebaut werden, ihr Einsatz könnte allerdings beendet werden, sobald die CO2-Konzentration wieder auf ein akzeptables Niveau gesenkt ist. Entsprechende Anstrengungen vorausgesetzt, könnte dies „bereits“ nach einigen hundert Jahren erreicht sein. Damit scheint eine konzertierte Anwendung beider Maßnahmen geeignet, zunächst kurzfristig das Klima zu stabilisieren und dann auf einer mittleren Zeitskala die Ursache des Klimawandels zu beseitigen. In diesem Sinne wären die SRM-Maßnahmen eine Übergangstechnologie.

Da die wichtigsten SRM-Maßnahmen über eine Manipulation des atmosphärischen Aerosols funktionieren, soll hier zunächst eine Einführung in dieses Feld erfolgen, bevor die zwei wichtigsten SRM-Maßnahmen detaillierter besprochen werden. Anhand der dort gefundenen Erkenntnisse wird abschließend der Einsatz und die Forschung in diesem Gebiet aus der Sicht des Naturwissenschaftlers bewertet.

2 Aerosole und Klima

Die Temperatur der Erdoberfläche ergibt sich aus dem Gleichgewicht zwischen eingestrahlter Energie der Sonne im sichtbaren und nahen infraroten und der Abstrahlung der Erde im infraroten Spektralbereich. Für eine Erde ohne Atmosphäre ergäbe sich so eine mittlere Jahrestemperatur von ca. -15°C. Die Atmosphäre transmittiert das eingestrahlte Sonnenlicht, hält aber einen Teil der Wärmeabstrahlung der Erdoberfläche zurück. Durch diesen natürlichen „Treibhauseffekt“ liegt die mittlere Temperatur der Erdoberfläche derzeit bei ca. +15°C. Die wichtigsten Treibhausgase sind das Kohlendioxid und der Wasserdampf. Aufgrund der weitgehend mit flüssigem Wasser bedeckten Erdoberfläche, spielt letzterer eine Sonderrolle, da seine Konzentration nicht durch Emissionen und Senken beschrieben wird, sondern fast ausschließlich eine Funktion der Temperatur selbst ist. Darüber hinaus kann der Wasserdampf in kälteren Regionen der Atmosphäre kondensieren und Wolken bilden, die ihrerseits die Sonneneinstrahlung abschirmen, aber auch die Wärmeabstrahlung der Erde behindern. Durch diese Rückkopplungsmechanismen hat der Wasserdampf ein großes Potential, um den Treibhauseffekt der anderen Klimagase zu modifizieren und zu verstärken.

Aerosolpartikel – das sind die festen Schwebstoffe in der Atmosphäre – tragen zur Trübung der Atmosphäre durch die Streuung von Sonnenlicht bei und erhöhen so die Erdalbedo. Neben diesem direkten Klimaeffekt, dienen sie jedoch auch als Kondensationskeime für die Wolkenbildung. Da die Rückstreufähigkeit der Wolken bei vorgegebenem Gesamtwassergehalt stark von der Anzahl der kondensierten Tröpfchen abhängt, haben die Aerosole, auch auf diesem indirekten Weg über die Wolkeneigenschaften, einen starken Einfluss auf den Strahlungshaushalt der Atmosphäre.

In Abbildung 1 werden die wichtigsten anthropogenen Einflussfaktoren auf das Klima quantifiziert und der natürlichen Variabilität gegenübergestellt. Neben den gut durchmischten, langlebigen Treibhausgasen (die obersten beiden Balken in Abb. 1) fallen die beiden relativ großen abkühlenden Beiträge durch den direkten und indirekten Klimaantrieb der Aerosole (der sechste und siebte Balken) ins Auge. Der „große Hebel“, den die Aerosole im Klimasystem ausüben, zeigt sich besonders deutlich, wenn man ihre vergleichsweise geringe Konzentration berücksichtigt. Ein Klimaantrieb von ähnlicher Größenordnung wie durch CO2 wird durch eine Massenkonzentration von Aerosolen erzeugt, die etwa einen Faktor 10.000 geringer ist. Auch wenn in diesem Vergleich die deutlich geringere Lebensdauer der Aerosole im Vergleich zu CO2 nicht berücksichtigt wurde, so illustriert Abbildung 1 jedoch klar, warum Eingriffe in das Aerosolsystem die aussichtsreichsten Kandidaten für ein Climate Engineering durch SRM sind. Mit vergleichsweise geringem Aufwand kann ein großer kühlender Effekt verbunden sein. Es lohnt sich jedoch, auch einen Blick auf die Fehlerbalken der Abbildung 1, sowie auf die rechte Spalte zu werfen, die Klimawirksamkeit der Aerosolprozesse ist wesentlich unsicherer als die der klassischen Treibhausgase.

Abb. 1:   Quantifizierung der wichtigsten Einflussfaktoren auf das Klima (global gemittelter Strahlungsantrieb (SA) im Jahr 2005 gegenüber 1750)*

Quantifizierung

* Der global gemittelte Strahlungsantrieb (SA) im Jahr 2005 gegenüber 1750 (beste Schätzwerte und 5-95 % Unsicherheitsbereiche) für CO2, CH₄, N2O und andere wichtige Faktoren und Mechanismen, zusammen mit der typischen geographischen Ausdehnung (räumliche Skala) des Antriebs und einer Beurteilung des Grades des wissenschaftlichen Verständnisses (GDWV). Aerosole aus explosiven Vulkanausbrüchen führen zu einer zusätzlichen episodischen Abkühlungsphase für ein paar Jahre nach einer Eruption. Die Bandbreite geradliniger Kondensstreifen schließt keine anderen möglichen Effekte der Luftfahrt auf die Bewölkung mit ein.

Quelle: BMBF 2007, S. 4

3 Aerosolbasiertes Climate Engineering

Aerosolbasiertes Climate Engineering begegnet der erhöhten Absorption der langwelligen Wärmestrahlung durch Treibhausgase mit einer Verminderung der kurzwelligen solaren Einstrahlung. Es stehen dabei zwei Möglichkeiten der gezielten Beeinflussung des atmosphärischen Aerosolsystems im Mittelpunkt des Interesses, die in etwa auch den beiden Beiträgen der Aerosole in Abbildung 1 entsprechen. Es wird zum einen vorgeschlagen, durch die künstliche Erzeugung von Aerosolpartikeln in der Stratosphäre direkt die Albedo, das heißt das Rückstreuvermögen der Erde zu erhöhen. Eine erhöhte Albedo hat immer eine Abkühlung des Klimas zur Folge, da das zurückreflektierte Sonnenlicht nicht mehr zur Erderwärmung beiträgt. Partikel mit einem Radius von ca. 0,5 µm können in der Stratosphäre eine lange Lebensdauer von einigen Jahren erreichen und verbinden dies mit einer hohen massenspezifischen Rückstreufähigkeit. Zum anderen will man die Albedo von niedrig liegenden Meereswolken durch die Versprühung von Seesalz-Aerosolen indirekt beeinflussen.

Die Klimawirksamkeit stratosphärischer Aerosole kann in der Natur beobachtet werden. Der Vulkan Pinatubo auf den Philippinen brachte mit seinem Ausbruch im Jahre 1991 eine geschätzte Menge von 14 bis 20 Mio. t Schwefeldioxid in die Stratosphäre (Stenchikov et al. 1998). Das Schwefeldioxid reagiert mit Hydroxylradikalen und Wasser zur Schwefelsäure (H2SO₄), welche zusammen mit Wasser zu feinen Partikeln kondensiert. Die so entstehenden Schwefelsäureaerosole verweilen bis zu zwei Jahre in der Stratosphäre und verteilen sich innerhalb von drei Wochen über die gesamte Hemisphäre zwischen Äquator und den mittleren Breiten. Der spektral integrierte Transmissionskoeffizient der Atmosphäre fiel beim Ausbruch des Pinatubos von ca. 0,93 auf 0,79 ab. Diese Verminderung der solaren Einstrahlung spiegelte sich in einer für ca. 3 Jahre um ein halbes Grad Celsius geringeren, global gemittelten Bodentemperatur wider (Robock 2000).

Wollte man diesen natürlichen Effekt künstlich herbeiführen, so müsste Schwefel dabei in Form von H2S oder SO2 in die Stratosphäre transportiert werden, um dort Schwefelsäureaerosole zu bilden. Dies wäre einerseits durch die Nutzung aktueller Technologien, wie z. B. Flugzeuge, Wetterballons oder Artilleriegeschütze möglich, andererseits wäre es möglich neue Technologien zu entwickeln, die diese Aufgabe effizienter bewältigen könnten. Die bisherigen Abschätzungen zu den Kosten der Ausbringung belaufen sich z. B. bei der Nutzung von Tankflugzeugen auf wenige Milliarden Dollar/Jahr. Diese Kosten hängen jedoch stark von der Höhe der Ausbringung ab (Robock et al. 2009).

Weniger diskutiert werden Techniken, Schwefelspezies auf Bodenhöhe zu emittieren, die den Transport durch die Troposphäre ohne Oxidation überstehen. Es wäre z. B. vorstellbar, den natürlichen Transport von Schwefel in die Stratosphäre über das biogene Carbonylsulfid zu verstärken. Zu dieser Option fehlen detaillierte Untersuchungen, vermutlich auch deshalb, weil Unsicherheiten in den zugrundeliegenden Prozessen bestehen (Chin, Davis 1995; Barkley et al. 2008).

Neben den Schwefelaerosolen ist es auch vorstellbar, andere künstlich hergestellten Partikel in die Stratosphäre auszubringen, die mit erwünschten optischen und mikrophysikalischen Eigenschaften ausgestattet sind (Teller et al. 1997). Bisher wurde jedoch noch kein Vorschlag für die Möglichkeit einer Produktion dieser Nanopartikel in großer Stückzahl erbracht.

Der zweite Vorschlag zur Modifikation der Wolkenalbedo in den unteren Atmosphärenschichten stammt von John Latham (1990). Twomey entdeckte, dass eine Erhöhung der Aerosolkonzentrationen in Wolken dazu führt, dass sich das zur Verfügung stehende Wasser auf mehr Tröpfen verteilt. Die Gesamtoberfläche der Streuzentren wird erhöht und mehr Sonneneinstrahlung kann reflektiert werden, die Wolken erscheinen weißer (Twomey 1977). Dieser Effekt soll nun durch die Ausbringung von Seesalz-Aerosolpartikeln künstlich verstärkt werden.

Besonders geeignet hierfür sind tief liegende, ozeanische Stratocumulus-Wolken, die ca. ein Viertel der Meeresoberfläche bedecken und typischerweise eine relative geringe Anzahldichte von Wolkentropfen von unter 150 pro Kubikzentimeter besitzen. Diese entstehen hauptsächlich durch Kondensation von Wasserdampf an natürlichen Seesalz-Partikeln, welche durch Winde über den Meeren entstehen. Um eine Kühlwirkung auf das Klima zu erzielen, die einer Verdopplung der CO2-Konzentration entspricht, müsste sie durch den Einsatz von künstlichen Aerosol-Emittern so angehoben werden, dass in den Wolken Partikelkonzentration von ca. 400 pro Kubikzentimeter für die Kondensation von Tröpfchen bereit stehen. Nach dem Vorschlag der Proponenten des Verfahrens würde dies bedeuten, dass beispielsweise eine Flotte von 1.500 Schiffen, die Seesalzaerosole emittieren, aufgebaut werden müsste die jeweils 20 l Salzwasser pro Sekunde versprühen (Rasch et al. 2008).

Eine Sprühtechnik, die den dort gestellten Anforderungen genügt, steht derzeit allerdings nicht zur Verfügung. Beim Einsatz von aktuell zur Verfügung stehender Technik wäre unter anderem der Energieaufwand der Schiffe prohibitiv groß. Des Weiteren zeigen globale Klimamodelle, die die Funktion der Aerosole im Detail beinhalten, dass eine komplexe Wechselwirkung zwischen natürlichen und künstlich erzeugten Seesalz-Aerosolen in den Wolken stattfindet. Die Konzentration der Partikel wird zwar stark erhöht, sie stehen aber nicht für die Kondensation von Wolkentröpfchen zur Verfügung, da sie den Sättigungsdampfdruck so erniedrigen, dass in 20 % der Fälle insgesamt sogar weniger Aerosolpartikel für die Bildung von Wolkentröpfchen bereit stehen (Korhonen et al. 2010). Als untere Grenze wird vermutet, dass die Sprührate mindestens fünfmal höher sein müsste, als ursprünglich angenommen (Rasch et al. 2008).

Über diese speziellen technischen Probleme hinaus sind allen Methoden des SRM die folgenden generellen Probleme bzw. Nebenwirkungen gemeinsam:

  1. Eine Kompensation der Treibhausgasbedingten Erderwärmung wird durch SRM höchstens im räumlichen und zeitlichen Mittel erreicht, da die Abstrahlung von Wärme jederzeit und überall – mit nur geringer Variabilität – stattfindet, während die solare Einstrahlung stark von der geographischen Breite und der Jahreszeit abhängt. In den Polarwintern beispielsweise fällt die Sonneneinstrahlung auf nahezu Null, während dennoch in beträchtlichem Maße Wärme abgestrahlt wird. Trotz dieses zeitlichen und räumlichen Ungleichgewichtes des Energieflusses bestätigen numerische Klimamodelle die Möglichkeit einer weitgehenden Kompensation der Erderwärmung durch SRM. Dies ist der schnellen räumlichen Umverteilung der Wärme durch die globale atmosphärische Zirkulation zu verdanken, welche sich den neuen Antrieben anpasst. Durch diese Änderung der Zirkulation ist jedoch auch eine Änderung in der räumlichen Verteilung der Wind- und Niederschlagszonen zu erwarten, die derzeit noch nicht ausreichend quantifiziert werden kann. Diese Unsicherheit wird für aerosolbasierte Methoden noch größer, wenn zusätzlich deren wichtige Rolle im Wasserkreislauf berücksichtigt wird. Aerosole wirken hier nicht nur als Kondensationskeime für die Wolkenbildung, sondern sie tragen als Eiskeime wesentlich zur Entstehung des Niederschlags bei. Eine Klimabeeinflussung durch Aerosole ohne gleichzeitige Beeinflussung des Niederschlags ist daher kaum vorstellbar. (Hegerl, Solomon 2009; Jones et al. 2009).
  2. SRM reduziert nicht die Konzentration der Treibhausgase und damit nicht deren sonstige Nebenwirkungen. So würde beispielsweise in einer SRM-gekühlten Welt die Versauerung der Meere durch CO2 weiter stattfinden (Orr et al. 2005)
  3. SRM-Maßnahmen müssten sehr langfristig durchgehalten werden. Eine Aufgabe oder ein Versagen der SRM Methode nach einigen Jahrzehnten hätte einen rapiden Klimawandel zur Folge, der keine Zeit für eine Anpassung der Ökosysteme und der Gesellschaft lässt (Brovkin et al. 2009).

Neben diesen generellen Nachteilen gibt es für jede konkret vorgeschlagene Methode des SRM eine Vielzahl von technischen und atmosphärenphysikalischen Detailproblemen, die bislang nicht ausreichend untersucht sind. Das reicht von Vorgängen der Koagulation und Sedimentation, die mit einer Ausbringung der Aerosolpartikel in hoher Konzentration und Menge einhergehen, über unbeabsichtigte chemische Vorgänge an der Oberfläche der Partikel bis hin zu ungewollten Rückwirkungen auf die Wolkenbildung (Rasch et al. 2008; Heckendorn et al. 2009; Korhonen et al. 2010). Diese Probleme werden in den Klimamodellen, die die Wirksamkeit von SRM belegen sollen, derzeit nur unzureichend oder überhaupt nicht behandelt. Konzeptionell sind die vorgeschlagenen SRM-Methoden oft bestechend einfach, es zeigt sich aber bei näherer Betrachtungsweise häufig, dass der Teufel im Detail liegt. Eine nähere Beschäftigung mit den einzelnen Methoden würde unter Umständen zeigen, dass zur Kompensation der auftretenden technischen Probleme ein hoher Aufwand erforderlich ist, der die vermeintlich niedrigen Kosten eines globalen SRM als Wunschtraum entlarvt.

4 Bewertung

Die Befürworter des Climate Engineering versprechen, eine wesentlich günstigere Alternative zum teuren Aufbau einer CO2-freien Energieversorgung anbieten zu können. Es gibt jedoch gewichtige Gründe, die gegen einen großangelegten menschlichen Eingriff ins Erdklima sprechen.

Der Aufbau eines funktionierenden Climate Engineering wäre eine extreme Herausforderung an die Kooperation der gesamten Menschheit, sich auf ein wünschenswertes Klima zu einigen, obwohl es dabei Gewinner und Verlierer geben würde. Die Kosten der technischen Umsetzung müssten ebenso verteilt werden wie die vermuteten oder nachgewiesenen Lasten der Nebenwirkungen. Dieses System müsste stabil über viele Jahrhunderte funktionieren, je länger es bereits installiert ist, desto verheerender wären die Folgen eines Ausfalls. Aber selbst wenn die technischen Probleme überwunden und die Lasten der Nebenwirkungen der Klimamanipulation durch internationale Vereinbarungen auf die Weltgemeinschaft gerecht verteilt wären, würde Climate Engineering zu einer faktischen Aufgabe des Verursacherprinzips führen. Im Gegensatz zu anderen, mit Risiken behafteten großtechnischen Unterfangen, wäre in einem künstlichen Klima die kausale Rückführung eines Versagens oder einer Havarie auf eine technische Maßnahme nicht mehr möglich. Die Verantwortung für eine Naturkatastrophe wie einen extremen Sturm oder eine große Überflutung könnte weder einer bestimmten Climate Engineering Maßnahme zugeschrieben werden, noch könnte solch eine Verantwortung wirksam bestritten werden. Derartige Ereignisse könnten demnach zum Auslöser internationaler Spannungen werden, oder vorhandene verstärken. Dies gilt umso mehr, als es nicht a priori ausgeschlossen ist, dass das Climate Engineering tatsächlich zu aggressiven Maßnahmen missbraucht werden könnte.

Die oben aufgeführten Argumente lassen eine Lösung des Klimaproblems durch Climate Engineering eher problematisch erscheinen. Dennoch wird es schwer möglich sein, Climate Engineering durch ein Moratorium einfach zu verbieten. Die vorgeschlagenen Maßnahmen wären teilweise für einzelne mittelgroße Staaten oder sogar für vermögende Individuen umsetzbar. Im Falle einer fortschreitenden Klimaveränderung oder nach größeren meteorologischen Naturkatastrophen könnte der Ruf nach den scheinbar einfachen, billigen und schnell wirkenden Climate Engineering Maßnahmen so laut werden, dass eine pauschale Ablehnung nicht mehr aufrecht zu erhalten ist. Besonders für einen solchen Fall ist es wichtig, dass die Kosten sowie Nebenwirkungen und Konsequenzen des Climate Engineering bereits im Detail erforscht sind, um zu einer begründbaren Entscheidung zu gelangen. Ohne eine vorausgehende umfassende Analyse könnte man zu der Auffassung kommen, mit Climate Engineering liege ein Werkzeug bereit, um im Bedarfsfall einen gefährlichen Klimawandel zu begrenzen. Dieses Gefühl der Sicherheit kann die Anstrengungen für eine Vermeidung des Klimawandels dämpfen und uns in der Zukunft mit weniger Optionen ausgestattet finden. Daher erscheint eine transdisziplinäre Forschung zum Climate Engineering nach dem Vorsorgeprinzip geboten. Sie hinterfragt, ob Climate Engineering in Zukunft technologisch umsetzbar wäre, welche Kosten entstünden und welche meteorologischen, politischen oder gesellschaftlichen Nebenwirkungen zu erwarten wären.

Anmerkung

[1]  Die Autoren danken Herrn Prof. Ulrich Platt und den weiteren Mitgliedern des Projekts „The Global Governance of Climate Engineering“ des Marsilius-Kollegs der Universität Heidelberg für viele stimulierende Diskussionen.

Literatur

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BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2007: Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC, WMO/UNEP). Climate Change 2007: Synthesis Report. Übersetzung des BMBF

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Kontakt

Prof. Dr. Thomas Leisner
Institut für Meteorologie und Klimaforschung (IMK)
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