Politik oder Markt: Wer soll über die Nutzung der Grünen Gentechnik entscheiden? Anmerkungen zum Beitrag von Christoph Willers in TATuP

Diskussionsforum

Politik oder Markt: Wer soll über die Nutzung der Grünen Gentechnik entscheiden?

Anmerkungen zum Beitrag von Christoph Willers in TATuP

von Rolf Meyer, ITAS

Unter dem Titel „Akzeptanz ist nicht gleich Akzeptanz“ hat sich Christoph Willers, ausgehend von seiner Dissertation „Marketing in Widerstandsmärkten“, in der TATuP vom Mai 2009 mit der Akzeptanz der Grünen Gentechnik in Deutschland auseinandergesetzt (Willers 2007, ders. 2009). Seine zentrale These ist, dass vor dem Hintergrund negativer Ergebnisse aus Akzeptanzumfragen ein Angebot gentechnisch veränderter Lebensmittel vermieden und damit Verbrauchern die Wahlfreiheit genommen wird, sich für den Kauf von gentechnisch veränderten Lebensmitteln zu entscheiden. Seine Argumentation lädt an verschiedenen Stellen zu Anmerkungen und auch Widerspruch ein.

1     Risiken überbetont und Nutzen verschwiegen?

Ausgangspunkt von Willers Argumentation ist, dass die Zukunftsvisionen der Grünen Gentechnik vielversprechend sind: „Öffentliche Kontroversen und gesellschaftlicher Widerstand verhindern ein Ausschöpfen sowohl der wissenschaftlichen als auch der ökonomischen Potenziale.“ (Willers 2009, S. 91) Diese positive Zukunftsvorstellung, die im Beitrag nicht hinterfragt wird, ist aber mittlerweile gesellschaftlich umstritten. Nicht mehr alleine die Risiken bestimmen die Diskussion um die Grüne Gentechnik, sondern auch der Nutzen wird kontrovers diskutiert und beispielsweise von Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) kritisch betrachtet (Friends of the Earth 2007, 2008; Helmrich, Grundke 2006; Sprenger 2008; Then, Lorch 2009).

Weiter heißt es bei Willers: „Bei der Kommunikation zu gentechnisch veränderten Produkten unterblieb die Präsentation von Problemlösungsinnovationen jedoch vielfach bzw. wurde nicht deutlich herausgestellt.“ (Willers 2009, S. 92) Dies ist nun schwer nachvollziehbar, denn die Gentechnikbefürworter aus Industrie und Forschung haben sich redlich bemüht, die Vorteile der Grünen Gentechnik darzustellen, bis zum Versprechen, das Problem des weltweiten Hungers zu lösen.

Wenn man genauer hinschaut, geht es nicht um den „Nutzen“ der Grünen Gentechnik an sich, sondern um die Verteilung dieses Nutzens entlang der Wertschöpfungskette (Saatguthersteller, Landwirte, Käufer der Ernte, Verarbeiter, Nahrungsmittelhandel, Konsumenten), wobei Nutzen im Sinne ökonomischer Gewinne aus gentechnisch veränderten Pflanzen zu verstehen ist. Die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien hierzu sind uneinheitlich (Boysen et al. 2008). Kritiker der Grünen Gentechnik sehen als eindeutigen Gewinner nur die Saatgutkonzerne, während für die weiteren Marktteilnehmer der Nahrungsmittelkette zusätzliche Kosten durch Trennung, Rückverfolgbarkeit, Prüfung auf Vermischungen und Kennzeichnung entstünden (Then, Lorch 2009, S. 48f.).

In gewisser Weise wird die Frage der Nutzenverteilung auch bei Willers angesprochen, wenn er zugesteht, dass die verfügbaren gentechnisch veränderten Lebensmittel keinen Mehrwert für den Endkonsumenten – d. h. den Käufern im Supermarkt – bieten (Willers 2009, S. 93). Aber seine Argumentation ist widersprüchlich, denn an anderer Stelle wird ausgeführt: „Die Lebensmittelwirtschaft steht dabei vor einem Dilemma. Sie richtet sich nach den Ansprüchen der Marktpartner und vermeidet bislang jedes Risiko (v. a. Absatz- und Umsatzeinbußen, Imageschäden), das mit einem Angebot (kennzeichnungspflichtiger) gentechnisch veränderter Lebensmittel verbunden ist. Dies hat zur Folge, dass mögliche Vorteile nicht kommuniziert werden können (‚Phantomprodukte’) …“ (Willers 2009, S. 91) Wo keine Vorteile sind, können diese auch nicht kommuniziert werden. Und die Lebensmittelwirtschaft steht auch nicht vor einem Dilemma, sondern verhält sich eher rational, wenn sie ein Lebensmittelangebot meidet, dass gesellschaftlich so umstritten ist.

Willers fordert, dass die Endkonsumenten verstärkt in die strategischen Überlegungen für eine Akzeptanzsteigerung einbezogen werden müssen (Willers 2009, S. 93). Völlig unklar bleibt aber, wer der Adressat für die vorgeschlagenen Akzeptanzsteigerungsmaßnahmen ist. Für Gentechnikunternehmen wie Monsanto oder BASF macht die Aussage Sinn, ist aber für diese sicherlich keine Neuigkeit. Bei Unternehmen aus Nahrungsmittelverarbeitung und -handel bleibt unverständlich, warum sie sich um eine Akzeptanzsteigerung bemühen sollten. Für sie muss die Kommunikation eines Verbrauchernutzens im Mittelpunkt stehen, der aber bei den verfügbaren gentechnisch veränderten Pflanzen nicht vorhanden ist. Damit wird deutlich, dass sich nur aus einer Analyse möglicher Nutzenaspekte ableiten lässt, wer Interesse und Möglichkeiten hat, auf die Akzeptanzsituation der Grünen Gentechnik einzuwirken.

In den letzten Jahren hat sich die Nutzenfrage auch in der Diskussion um die europäische Regulierung der Grünen Gentechnik niedergeschlagen. Der Umweltministerrat hat in seiner Sitzung am 4. Dezember 2008 die Bewertung sozio-ökonomischer Nutzen und Risiken bei der Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen zur Diskussion gestellt. Die Mitgliedsstaaten sollen der Kommission Informationen und Einschätzungen zur Verfügung stellen, auf deren Basis die Kommission bis Juni 2010 einen Bericht vorlegen soll (EU Environment Council 2008). Damit ist zu erwarten, dass Fragen des Nutzens (und der Nutzenverteilung) auch in den nächsten Jahren eine wichtige Rolle spielen werden. Als Zwischenfazit bleibt festzuhalten, dass der Nutzenaspekt in der Debatte um die Grüne Gentechnik von Willers unterschätzt wird.

2     Akzeptanz von Verbrauchern und Bürgern: Was ist entscheidend?

Willers unterscheidet zwischen „consumer acceptance“ (Verbraucherakzeptanz) und „public acceptance“ (öffentlicher bzw. sozialer Akzeptanz) (Willers 2009, S. 91f.). Die Akzeptanz der Verbraucher und die Akzeptanz der Bevölkerung sind in der wissenschaftlichen Analyse in der Tat zu unterscheiden. Verbraucherakzeptanz schlägt sich in Kaufentscheidungen nieder (soweit gentechnisch veränderte und nicht-gentechnisch veränderte Lebensmittel angeboten werden) oder drückt sich in Kaufabsichten aus (z. B. in Befragungen) und ist wesentlich von individuellen Nutzen-Risiko-Abwägungen geprägt. Akzeptanz der Bevölkerung beinhaltet dagegen die Haltung von Bürgern als politische Subjekte, die durch andere Aspekte wie langfristige Wirkungen, involvierte Machtstrukturen oder Werthaltungen mit geprägt wird (Bütschi et al. 2009, S. 11).

Bei dieser analytischen Unterscheidung darf aber nicht vergessen werden, dass zwischen den beiden Formen der Akzeptanz Wechselwirkungen bestehen: Einerseits beeinflusst eine skeptische Verbraucherhaltung politische Diskussionen und Entscheidungen, und Verbraucher sind zugleich immer auch Bürger. Andererseits übt der politische Diskurs Wirkung auf das Verbraucherverhalten (bzw. Verhaltensabsicht der Verbraucher) aus (Meyer, Boysen 2009, S. 71). Willers argumentiert weiter, das mangelnde Produktangebot führe dazu, dass Verbraucherbefragungen zu gentechnisch veränderten Lebensmitteln v. a. die Rolle des Bürgers und nicht die des Verbrauchers erfassen (Willers 2009, S. 94). Was hier scheinbar als Problem formuliert wird, ist aber keins, denn die Befragungsergebnisse werden durchweg in der gesellschaftlichen und politischen Diskussion als politische Meinungsäußerungen – also als Ausdruck der sozialen Akzeptanz – registriert und verwendet.

Zwar weist Willers richtig darauf hin, dass zwischen „sozialer Akzeptanz“ und „Bereitschaft zum Kauf“ unterschieden werden muss (Willers 2009, S. 94), also die Akzeptanzergebnisse aus Verbraucherbefragungen nicht mit einem entsprechenden Verhalten beim Kauf bzw. im negativen Fall Nicht-Kauf gleichgesetzt werden kann. Aber dies ändert nichts daran, dass es sich bei der Grünen Gentechnik in erster Linie um einen gesellschaftlichen Konflikt über die Verteilung von Risiken und Nutzen handelt. Dies verweist darauf, dass es hier entscheidend auf die gewählte Perspektive ankommt: Aus der engen Sicht des Marketings kommt es auf das Kaufverhalten der Verbraucher an; im breiten Blickwinkel umfassenderer Analysen z. B. der Technikfolgenabschätzung hingegen müssen die gesellschaftlichen Konflikte und politischen Probleme in den Fokus genommen werden.

Einstellung und Akzeptanz zum Einsatz der Gentechnik im Agrar- und Lebensmittelsektor hat Willers in seiner Arbeit (Willers 2007) mittels Clusteranalyse über die vielfältigen Einstellungsdimensionen ermittelt. Im Ergebnis werden fünf Verbrauchersegmente identifiziert: Ablehner (16 Prozent), Misstrauisch-Ängstliche (30 Prozent), Desinteressierte (18 Prozent), Aufgeschlossen-Ängstliche (20 Prozent) und Befürworter (16 Prozent). In seinem TATuP-Beitrag wird herausgestellt, dass folglich nur rund ein Sechstel der Bevölkerung überzeugte Ablehner seien (Willers 2009, S. 95), was für die Chancen einer Marketing-Strategie von Relevanz sein könne. Die ermittelten Verbrauchersegmente (Oder sind es nicht eher Segmente politischer bzw. sozialer Einstellung?) können aber auch genau umgekehrt gelesen werden, dass nur rund ein Sechstel der Bevölkerung Befürworter sind. Dies entspräche der Lesart in politischen Auseinandersetzungen. Damit wird deutlich, dass es neben der Vorgehensweise bei Akzeptanzermittlungen auch sehr auf die Interpretation und Kontextualisierung der Ergebnisse ankommt.

Direkt anschließend wird von Willers argumentiert, dass das öffentliche Meinungsbild von einer Gruppe beherrscht werde, die aus Sicht des Marketings nicht zur Zielgruppe gentechnisch veränderter Lebensmittel gehöre (Willers 2009, S. 95). Hier geraten dem Autor nun selbst Akzeptanz der Verbraucher und öffentliche Akzeptanz durcheinander. Wenn Akzeptanzuntersuchungen hauptsächlich die Einstellung des Bürgers und nicht die des Verbrauchers erfassen, wie von Willers selbst festgestellt und hier bekräftigt, dann ist nicht die enge Marketing-Perspektive relevant. Vielmehr ist es folgerichtig, dass die öffentliche Wahrnehmung durch die soziale Akzeptanz geprägt wird.

Schließlich greift vermutlich auch die Annahme von Willers zu kurz, dass das Angebot von gentechnisch veränderten Lebensmitteln vor dem Hintergrund der Akzeptanzumfragen (Quick-and-dirty-Umfragen) von der Lebensmittelwirtschaft vermieden wird (Willers 2009, S. 96). Vielmehr ist davon auszugehen, dass die kritische und teilweise emotional aufgeladene gesellschaftliche Diskussion sowie das Protestpotenzial gentechnik-kritischer NGOs den Lebensmittelhandel davon abhalten, gentechnisch veränderte Lebensmittel zu listen.

Insgesamt lässt sich eine grundsätzliche Wahrnehmungs- und Bewertungsdifferenz beschreiben:

Nur bei der ersten Einschätzung, also einem Produkt wie jedes andere, kann man unbekümmert Marketing-Anstrengungen unternehmen, gezielt auf die Gruppe der Interessierten bzw. Befürworter. Unter Berücksichtigung der zweiten Sichtweise werden die Vermarktung und das Marketing von gentechnisch veränderten Lebensmitteln unausweichlich zu einer Unternehmung, die in den gesellschaftlichen und politischen Arenen umstritten ist.

Damit kann auch das Argument Willers eingeordnet werden, das fehlende Angebot von gentechnisch veränderten Lebensmitteln würde die Wahlfreiheit der Verbraucher beschränken (Willers 2009, S. 96) – eine interessante Umkehrung des Arguments vieler Gentechnikkritiker. Wenn gentechnisch veränderte Lebensmittel ein Allerweltsprodukt wären, über das alleine die persönlichen Vorlieben der Verbraucher entscheiden, dann wäre dieses Argument einleuchtend. Genau entgegengesetzt ist dagegen die Argumentation der Gentechnikkritiker, die bei der kommerziellen Einführung und Vermarktung von gentechnisch veränderten Pflanzen und Lebensmitteln erwarten, dass es aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften (wie z. B. Auskreuzung, Verunreinigungen in der Lebensmittelkette) zwangsläufig zu Vermischungen kommt und in der Folge die Wahlfreiheit nicht gewährleistet werden kann.

3     Zivilisationskritik oder Kritik industrieller Landwirtschaft?

Nach Willers Einschätzung handelt es sich bei der Wahrnehmung der Grünen Gentechnik nicht um eine spezielle Kritik an dieser, sondern um eine allgemeine Zivilisationskritik (Willers 2009, S. 95). Die Kontroverse um die Grüne Gentechnik habe sich zu einem Stellvertreterkonflikt gegenüber dem schnellen Fortschritt entwickelt, gleichsam als moralisches Schutzschild gegen technische Veränderungen (Willers 2007, S. 162). Wenn dem so wäre, ist zunächst einzuwenden, dass sich dann schwer erklären lässt, wieso nicht genauso die Rote Gentechnik, also die medizinische Anwendungen der Gentechnik abgelehnt wird.

Entgegen Willers Auffassung wird im Folgenden die These vertreten, dass die Kritik an der Grünen Gentechnik ganz wesentlich Teil der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um Vergangenheit und Zukunft von Landwirtschaft und Nahrungsmittelerzeugung darstellt. Um den Kontext zu verdeutlichen, zunächst ein kurzer, skizzenhafter Blick zurück: Die Einführung von Ackerbau und Viehzucht im Neolithikum führte zum „Common Human Pattern“, was auch als bäuerliche Landwirtschaft bezeichnet werden kann (Zwart 2009, S. 508). Die große Mehrheit der Bevölkerung lebte in ländlichen Gebieten und dörflichen Gemeinschaften, und war direkt mit der Produktion von Lebensmittel beschäftigt. Die bäuerliche Landwirtschaft prägte entscheidend Landschaften, und die Nahrungsmittelversorgung erfolgte in der Regel in engen räumlichen Bezügen (Mazoyer, Roudart 2006). Über Jahrtausende hatte diese Form der Nahrungsmittelproduktion – trotz aller Veränderungen und Weiterentwicklungen – eine große Beständigkeit, so dass sie als „natürlich“ angesehen wurde (Zwart 2009, S. 513).

Mit der industriellen Revolution und der Verwissenschaftlichung von Landwirtschaft und Lebensmittelherstellung wurden entscheidende Veränderungen eingeleitet: Die Mehrheit der Bevölkerung ist nicht mehr in der Landwirtschaft beschäftigt und lebt in den industriellen Zentren und Städten, so dass sich Lebensmittelerzeugung und -verbrauch trennten. Die Verbraucher beziehen ihre Lebensmittel in der Regel von industriellen Herstellern und neue Nahrungsmittel werden auf wissenschaftlicher Basis entwickelt.

Aber das Bild bäuerlicher Landwirtschaft lebt weiter und bildet einen wichtigen Bezugsrahmen. Nicht zufällig nimmt die Lebensmittelwerbung immer wieder Bezug darauf. Die Propagierung saisonaler Lebensmittel steht ebenfalls in dieser Tradition. Aus der Perspektive des „Common Human Pattern“ sind die traditionellen Formen von Pflanzenzüchtung (Selektion, Kreuzung, Hybride) „natürlich“, und bäuerliche Landwirtschaft führt zu „natürlichen“ Lebensmitteln. Gentechnisch veränderte Pflanzen, im Labor erzeugt und Gentransfer über Artgrenzen hinweg beinhaltend, fallen nicht unter dieses Verständnis von „natürlich“. Ein ganz anderes Verständnis haben hier Biotechnologen und manche anderen Wissenschaftler: Wissenschaftliche Erkenntnisse der Natur (bzw. Naturgesetze) und ihre (technische) Anwendung führen zu gentechnisch veränderten Pflanzen, und dies steht ohne qualitativen Bruch in der langen Linie von Pflanzenzüchtung und Veränderung von Natur durch den Menschen.

Bäuerliche Landwirtschaft ist aber nicht nur Vergangenheit und eine Erinnerung daran, sondern auch heute noch von erheblicher Relevanz. Dazu einige kurze Hinweise:

Dies alles könnte man als Übergangsphänomene betrachten. Industrielle Landwirtschaft und Nahrungsmittelerzeugung sind aber nicht nur eine Erfolgsgeschichte, indem sie in den Industrieländern nie dagewesene Vielfalt und Überschuss an Lebensmitteln ermöglichen. Gleichzeitig werden eine Reihe von unerwünschten Folgewirkungen diskutiert: Industrielle Landwirtschaft bedroht die Kulturlandschaft, ist energieintensiv, führt zu erheblichen Umweltbelastungen und trägt spürbar zu Klimagasemissionen bei, konnte auf globaler Ebene den Hunger nicht besiegen und bewirkt bei den Verbrauchern Entfremdung und neue Unsicherheiten. Daher die strittige Diskussion, ob die industrielle Landwirtschaft ein tragfähiges Modell für die Zukunft ist. Nicht zufällig hat die Nutzenfrage in der Gentechnikdebatte so an Bedeutung gewonnen, geht es doch um die Frage, ob gentechnisch veränderte Pflanzen die negativen Seiten weiter verstärken oder nicht. Zusätzliches Indiz ist, dass in der Debatte um die Grüne Gentechnik Fragen der wirtschaftlichen Macht eine wichtige Rolle spielen und für die Unternehmen, die gentechnisch verändertes Saatgut vermarkten, erhebliche Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsdefizite festzustellen sind. Die Wahrnehmung von Laien ist, dass Biotech-Unternehmen nicht verantwortlich genug handeln und ausschließlich an ihrem Profit interessiert sind (Lassen, Jamison 2006, S. 20f.; Meyer, Boysen 2009, S. 73f.).

Damit kann der Konflikt um Grüne Gentechnik nur verstanden werden vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Kontroversen um bäuerliche versus industrielle Landwirtschaft bzw. um die Frage, wie eine nachhaltige Landwirtschaft und Nahrungsmittelversorgung aussehen kann und soll.

Literatur

Boysen, M.; Schulze, N.; Meyer, R.; Knapp, M., 2008: Ökonomische Bedingungen und Wirkungen für die Saatgutwirtschaft. Basisinformation Nr. 18. Diskursprojekt „Szenario-Workshops: Zukünfte der Grünen Gentechnik“; http://www.szenario-workshops-gruene-gentechnik.de/downloads/Basisinfo%2018%20-%20Saatgutwirtschaft.pdf (download 01.06.10)

Bütschi, D.; Gram, S.; Haugen, J.M. et al., 2009: Genetically Modified Plants and Foods – Challenges and Future Issues in Europe – Final Report. Berlin

EU Environment Council, 2008: Genetically Modified Organisms (GMOs) – Council Conclusions. Meeting on December 4, 2008. Note from General Secretariat; 16882/08. http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/08/st16/st16882.en08.pdf (download 10.11.09)

Friends of the Earth, 2007: Who Benefits from GM Crops? An Analysis of the Global Performance of GM Crops (1996–2006). Amsterdam: Friends of the Earth International Secretariat

Friends of the Earth, 2008: Who Benefits from GM Crops? The Rise in Pesticide Use. Amsterdam: Friends of the Earth International Secretariat

Helmrich, T.; Grundke, D., 2006: „Grüne Gentechnik“ als Arbeitsplatzmotor? Genaues Hinsehen lohnt sich. Berlin: BUND

Lassen, J.; Jamison, A., 2006: Genetic Technologies Meet the Public. The Discourses of Concern. In: Science, Technology & Human Values 31/1 (2006), S. 8–28

Mazoyer, M.; Roudart, L., 2006: A History of World Agriculture from the Neolithic Age to the Current Crisis. London

Meyer, R., 2009: Agricultural Technologies for Developing Countries. Brussels: European Parliament 2009 (IP/A/STOA/FWC/2005-28/SC42)

Meyer, R.; Boysen, M., 2009: Szenarien zur Zukunft der Grünen Gentechnik – Ein Werkstattbericht. Karlsruhe

Sauter, A.; Meyer, R., 2004: Regionalität von Nahrungsmitteln in Zeiten der Globalisierung. Frankfurt a. M.

Sprenger, U., 2008: Die Heilsversprechen der Gentechnikindustrie – Ein Realitätscheck. Studie im Auftrag des BUND

Then, C.; Lorch, A., 2009: Schadensbericht Gentechnik. Berlin: Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft

Willers, C., 2007: Marketing in Widerstandsmärkten. Untersucht am Beispiel gentechnisch veränderter Lebensmittel. Köln

Willers, C., 2009: Akzeptanz ist nicht gleich Akzeptanz. Zum Akzeptanzbegriff in der Kontroverse um die Grüne Gentechnik. In: Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis 18/1 (2009), S. 91–96

Zwart, H., 2009: Biotechnology and Naturalness in the Genomics Era: Plotting a Timetable for the Biotechnology Debate. In: Journal of Agricultural and Environmental Ethics 22 (2009), S. 505–529

Kontakt

Dr. habil. Rolf Meyer
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
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