Tagungsberichte
Eine (post-)akademische Gesellschaft für das neue Regime emergierender Technowissenschaften
Eine (post-)akademische Gesellschaft für das neue Regime emergierender Technowissenschaften
Seattle, USA, 8.–11. September 2009
von Christopher Coenen, ITAS, und Mundo Yang, Universität Siegen
1 Hintergrund der Konferenz
Seit den einschlägigen Aktivitäten zum Humangenomprojekt in den 1990er Jahren hat die Forschung und Politikberatung zu ethischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Aspekten (ethical, legal and societal aspects, ELSA) neu entstehender wissenschaftlich-technologischer Felder erheblich an Relevanz gewonnen. Mittlerweile sind diese Forschungs- und Beratungstätigkeiten nicht mehr auf biotechnologische Themen begrenzt, sondern umfassen verschiedene Schlüsselfelder. Zudem hat eine methodische Ausdifferenzierung stattgefunden, und die ELSA-Forschung erscheint als ein eigenes „professional field with grants, research programmes and university departments“ (Penders et al. 2008, S. 709). Die Chancen und Herausforderungen, die sich hier für Sozial- und Geisteswissenschaften und Politikberatung ergeben, werden auch seit geraumer Zeit kritisch reflektiert.[1] Dies spricht ebenfalls dafür, dass hinsichtlich der ELSA „emergierender“ Technowissenschaften ein erheblicher, womöglich neuartiger Forschungs- und Beratungsbedarf besteht. Schließlich hat die boomende ELSA-Forschung anscheinend auch zu einer verstärkten Zusammenarbeit der mit Naturwissenschaft und Technik befassten sozial- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen und interdisziplinären Forschungsfelder (wie der Technikfolgenabschätzung) geführt.
Die im September 2009 in Seattle durchgeführte Gründungskonferenz (und erste Jahrestagung) der Society for the Study of Nanoscience and Emerging Technologies („S.NET“) könnte also ein Zeichen der Zeit sein. Dennoch wurde auf der Konferenz selbst gefragt, ob es denn tatsächlich einer eigenen akademischen Gesellschaft zu dieser Thematik bedürfe. Die Diskussionen dazu betrafen die Nutzung des Begriffs „Nanowissenschaft“ im Namen der Gesellschaft sowie ihr Verhältnis zu etablierten akademischen Gesellschaften (z. B. in den „science and technology studies“, STS). So bestand die Befürchtung einer zu engen thematischen Begrenzung. Selbst relativ enge Definitionen der „Nanowissenschaft“ umfassen allerdings Forschungen in verschiedenen Disziplinen und multidisziplinären Feldern. In einem weiteren Sinn lässt sie sich zudem als jedwede Forschung begreifen, die mit nanoskaligen Strukturen oder Prozessen befasst ist, und der Name der Gesellschaft enthält zusätzlich den Begriff „emerging technologies“. Auch Letzteres wirft aber Fragen auf: Lassen sich emergierende Technologien übergreifend als spezielles Forschungsfeld begreifen? Und besteht hier angesichts der prominenten Rolle der Nano- und Neurotechnologien auf Konferenzen etablierter akademischer Gesellschaften überhaupt Bedarf für S.NET?
Hinsichtlich dieser Bedenken kann zunächst darauf hingewiesen werden, dass z. B. die Nanotechnologien durch ein hohes Maß an Multidisziplinarität und durch vielfältige gesellschaftliche Anwendungsperspektiven gekennzeichnet sind. Um sich mit ihren Zukunftsaussichten und potenziellen Implikationen übergreifend befassen zu können, bedarf es demnach auch einer thematisch, disziplinär und methodisch vielfältigen Begleitforschung. Ein weiterer, in diesem Kontext relevanter Aspekt ist die in letzter Zeit anscheinend gewachsene Bedeutung von Technikvisionen und sehr hoher Erwartungen an gerade erst entstehende, weit definierte Forschungsfelder, was z. B. im „vision assessment“ thematisiert wird (Grunwald 2008).
2 Eine (post-)akademische Gesellschaft für ein neues „Assessment Regime“
Die angesprochenen Entwicklungen stehen wiederum im Kontext umfassender, im Nanotechnologiediskurs besonders deutlich werdender Veränderungen des Wissenschafts- und Innovationssystems. Sie wurden unlängst als Aufstieg eines neuen Regimes der TA und Technikbewertung („assessment regime“) bezeichnet (Kaiser et al. 2009). Das neue Regime sei in der politischen Sphäre durch „hybride“, auf gesellschaftlichen Dialog und Partizipation setzende Governance gekennzeichnet, in Reaktion auf forschungs- und technologiepolitische Demokratisierungsbedarfe (Kaiser et al. 2009, xiii). In der ethischen Dimension sei unter dem „Good-Governance“-Leitbild die Deliberation moralischer Fragen zu einem zentralen Element des politischen Umgangs mit emergierenden Technologien geworden („Ethisierung“). Schließlich zeigte sich eine Wende von Wissen zu Innovation sowie von Angebots- zu Nachfrageorientierung. Die neue Form der Wissensproduktion beziehe unter dem Leitbild „nachhaltiger Innovation“ außerwissenschaftliche Akteure mit ein. Insgesamt seien Begleitforschung und TA nun nicht mehr nur Beiwerk der Technologieentwicklung, sondern integrale Elemente emergierender Schlüsselfelder – in allen drei genannten (politischen, ethischen und epistemischen) Dimensionen (Kaiser et al. 2009, xiv).
So gesehen trägt S.NET dem neuen forschungs- und technologiepolitischen Regime Rechnung. Obwohl als sozial- und geisteswissenschaftliche akademische Gesellschaft konzipiert, ist sie z. B. für Praktiker und Fachleute aus verschiedenen Bereichen offen – und kann zumindest in dieser Hinsicht auch als „postakademische“ Gesellschaft verstanden werden. Dementsprechend heißt es in einer Selbstbeschreibung: „S.NET represents diverse communities, viewpoints, and methodologies in the social sciences and humanities. It welcomes contributions from scientists and engineers that advance the critical reflection of nanotechnologies and related developments.”[2] Diese Offenheit soll, wie in Seattle verschiedentlich betont wurde, auch Akteure aus der Forschungspolitik und der organisierten Zivilgesellschaft einschließen.
Tatsächlich spiegelte die Veranstaltung in Seattle die genannten Eigenschaften des „assessment regime“ der Nanotechnologie wider. Sie zeichnete sich auch durch ein hohes Maß an Multidisziplinarität und eine Diskussionskultur aus, die eine fruchtbare Kommunikation über disziplinäre Grenzen hinweg ermöglichte. Die Veranstaltung bestand aus drei Elementen: (a) dem ersten S.NET-Jahrestreffen, in dem sich die ganze Breite der einschlägigen sozial- und geisteswissenschaftlichen Begleitforschung zeigte, (b) einem parallel verlaufenden, für Studierende konzipierten Symposium zu ethischen Aspekten der Nanotechnologie („Nanoethik“) und schließlich (c) dem Workshop „Real-time Technology Assessment and Anticipatory Governance“, der vom Center for Nanotechnology in Society at Arizona State University (CNS-ASU) am ersten Tag zusätzlich zur Konferenz durchgeführt wurde. Die Vielfalt der Konferenz- und Workshopbeiträge lässt sich grob in drei Bereiche unterteilen: Governance und Innovationspolitik; Öffentlichkeit und kulturelle Aspekte sowie ethische und andere philosophische Aspekte.
3 Governance der Nanotechnologie
Insgesamt gesehen können die politischen und regulatorischen Aktivitäten zur Nanotechnologie als groß angelegtes Experiment zur Erprobung neuer Formen der Wissenschafts- und Technik-Governance und des Umgangs mit Risiken und Unsicherheit begriffen werden. So finden z. B. in zwei als Nano-Hochburgen ausgewiesenen US-Regionen lokale Governance-Aktivitäten statt (Christopher Bosso und Caitlin McAllister). Bibliometrische Studien ergeben, dass US-Regionen mit alten Industrien, ansonsten eher selten wissenschaftliche Forschungs- und Entwicklungszentren, relativ oft über Nanoforschung verfügen (Jan Youtie und Alan Porter). In Seattle zeigte sich auch wieder, dass Herausforderungen in der Nano-Governance oft komparativ analysiert werden, wobei vor allem Biotechnologien (Christopher Bosso und McAllister, Sabine Könninger, Jennifer Kuzma et al.) – und insbesondere die Auseinandersetzungen um Gen- und Nanofood (Kenneth David) – zum Vergleich dienen. Aber auch internationale Vergleiche spielten eine Rolle, z. B. mit Blick auf Afrika und auf Entwicklungs- und Schwellenländer allgemein (z. B. Susan Cozzens, Joachim Schummer).
Ökonomische und rechtliche Aspekte der Nanotechnologie wurden ebenfalls verschiedentlich behandelt (z. B. John R. Lloyd, Walter Valdivia), v. a. patentrechtliche Fragen. Innovationspolitische Herausforderungen durch die Nanotechnologie fanden zudem hinsichtlich des Bildungswesens Beachtung (z. B. Julie Dillemuth et al., Jameson Wetmore und Ira Bennett). Hierbei wurde die Notwendigkeit eines hohen Maßes an Interdisziplinarität betont (z. B. Marjorie Olmstead). Zudem behandelten verschiedene Vorträge ökologische und Risiko-Aspekte der Nanotechnologie (z. B. Kevin Elliott et al., Torsten Fleischer et al.).
4 Governance und Technowissenschaft
Sowohl auf dem CNS-ASU-Workshop (David Guston, Cynthia Selin) als auch auf der S.NET-Konferenz und dem Nanoethik-Symposium (z. B. David Berube, Lieve Goorden und Marian Deblonde, Mark Philbrick, Bhuvaneashwar Subramanian) nahmen theoretische und methodische Überlegungen zu „vorausschauender“ Governance („anticipatory governance“), Innovationspolitik und zur TA sowie zu Erfahrungen in diesen Bereichen breiten Raum ein.
In seinem Plenarvortrag diskutierte Tom Vogt, welche Rollen Wissenschaft, Politik und Begleitforschung bei der Erzeugung überschießender Erwartungen an emergierende Technologien spielen. Er wies zudem auf die Gefahren hin, die sich aus einer zu starken Anwendungsorientierung für langfristig angelegte Forschung ergeben können. Solche Probleme können als charakteristisch für aktuelle Entwicklungen der „Technowissenschaft“ gelten, für die Nanoforschung und -technologien ein hervorstechendes Beispiel sind. Institutionelle Aspekte der verschiedenen Wandlungsprozesse, die seit einigen Jahren unter dem Begriff „Technowissenschaft“ („technoscience“) diskutiert werden, waren ebenfalls Gegenstand mehrerer Vorträge. So wurden die Nanotechnologie und ihre Zukunftsaussichten vor dem Hintergrund langfristiger Entwicklungen im US-Innovationssystem analysiert (David Mowery), institutionelle Voraussetzungen und Rahmenbedingungen der Arbeit von Rick Smalley beleuchtet (Cyrus Mody) und die Positionen, Visionen und Selbstverständnisse verschiedener Akteursgruppen (u. a. Nanoforscher und Industrie) hinsichtlich der Institutionalisierung einer „verantwortlichen“ Entwicklung der Nanotechnologie analysiert (z. B. Deborah Bassett, Erik Fisher, Mikael Johansson, Elena Simakova). Hinsichtlich der weitreichenden Nano-Visionen wurde dargelegt, dass ihre Nutzung seitens politischer Institutionen stark vom Zweck und Kontext der jeweiligen Publikationen abhänge (Ulrich Fiedeler). Mit Blick auf Visionen und Bestandsaufnahmen wurde auch diskutiert, inwieweit diese jeweils realistisch sind und welche Interessen mit ihnen verfolgt werden (z. B. Astrid Schwarz und Alfred Nordmann, Paul Thompson). Zudem fanden Gender-Aspekte Beachtung (z. B. Barbara Herr Harthorn), u. a. hinsichtlich deliberativer Verfahren. Auch zwei ethisch und gesellschaftspolitisch (z. B. hinsichtlich des „human enhancement“) besonders brisante Entwicklungen wurden diskutiert, nämlich militärische Nano-Nutzungen (Jürgen Altmann) und avancierte Technologien (z. B. neue Prothesen), die eine Verschmelzung von Mensch und Technik anzeigen (Gregor Wolbring).
René von Schomberg stellte in einem Plenarvortrag das Konzept „kollektiver Verantwortlichkeit“ im Kontext europäischer Nano-Politik vor. Bei diesem wird angesichts neuer Herausforderungen in der Wissenschafts- und Technik-Governance auf Instrumente jenseits des regulatorischen Systems im engeren Sinn gesetzt (z. B. Verhaltenskodizes für Industrie und Forschung sowie die deliberativen Verfahren der TA und öffentlichen Diskussion über Wissenschaft und Technik, die seit geraumer Zeit innerhalb und außerhalb des politischen Systems zum Einsatz kommen). Der Entwicklung einer Ethik der gemeinsamen Verantwortung komme dabei besondere Bedeutung zu.
5 Ethisch-philosophische Aspekte
Zu den Charakteristika des erwähnten neuen „assessment regime“ zählt auch die sog. „Ethisierung“, ein zuletzt z. B. verstärkt in den STS und der TA diskutiertes Phänomen. Auch diese Entwicklung spiegelte sich in Seattle wider. Neben dem Nanoethik-Symposium, in dem u. a. narrative Vermittlungsformen ethischer Probleme sowie weitreichende Visionen einer „Heilung des Alterns“ (Davis Baird) diskutiert wurden, spielten ethische Aspekte eine zentrale Rolle auf der S.NET-Konferenz selbst. Das Spektrum reichte dabei von einer philosophischen Analyse des sog. „Playing God“-Topos (John Weckert) – also des Vorwurfs, Naturwissenschaftler spielten Gott – über andere theoretisch-konzeptionelle Diskussionsbeiträge und Bestandsaufnahmen ethischer Aspekte der Nanotechnologie (z. B. Mickey Gjerris, Nigel Cameron, Gregor Wolbring) bis hin zu einer Analyse der Rolle institutioneller ethischer Beratung und Deliberation in der französischen Bio- und Nanotechnologiepolitik (Sabine Könninger). V. a. hinsichtlich ethischer Aspekte fanden auch die sog. „converging technologies“ Beachtung (z. B. Marianne Boenink und Maartje Schermer, Donald Bruce). So hätten die Versprechen in Bezug auf diese Technologien zu Kontroversen über Fakten, Normen und die symbolische Ordnung geführt (Tsjalling Swierstra et al.). Letzteres betreffe (z. B. im Fall der Synthetischen Biologie) auch fundamentale Abgrenzungen wie die von Lebendigem und Nichtlebendigem. Die angestrebte totale Kontrolle aller natürlichen Prozesse könne in metaphysischem Solipsismus enden und in einer dystopischen „Schönen Neuen Welt“. Sowohl Natur als auch Gesellschaft hätten sich aber bisher bemerkenswert resistent gegen Versuche ihrer vollständigen Kontrolle und Rekonstruktion gezeigt.
Auch andere Vorträge gingen über bloß ethische Fragestellungen hinaus. So wurden drei Nano- und Konvergenz-Narrative unterschieden (Astrid Schwarz und Alfred Nordmann): ein „human enhancement“ ins Zentrum rückendes, „transhumanistisches“ Narrativ, eines der radikalen Transformation und Verbesserung von Materialien und das erwähnte Narrativ einer ingenieursartigen Kontrolle der Natur und Gesellschaft. Neben diesen drei, in der Nano- und Konvergenzdebatte etablierten Erzählungen, wurde im selben Vortrag ein viertes Narrativ diskutiert, in der das Motiv der Überwindung einer Welt der Knappheit durch eine Welt des Überschusses und Exzesses zentral ist. Das Narrativ einer radikalen Transformation von Materialien wurde von Bernadette Bensaude-Vincent in ihrem Eröffnungsvortrag analysiert. Anstatt sich v. a. auf zukünftige Anwendungen am Menschen (wie „human enhancement“) zu konzentrieren, sollten demnach verstärkt die Erzeugung von Nano-Objekten, deren normative und ästhetische Aspekte und die relevanten Naturverständnisse (auch aus historischer Perspektive) untersucht werden. In gewisser Hinsicht könne der Aufstieg der Nanotechnologie als Versuch einer „Neuverzauberung der Natur“ gelten, bei der im Umgang mit Nano-Objekten unbegrenzte Potenziale der Natur freigesetzt und ästhetische Aspekte in den Vordergrund rücken sollen, insbesondere in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit.
6 Öffentliche Bilder und kulturelle Aspekte der Nanotechnologie
Die philosophischen Erörterungen stießen durchaus auf das Interesse anwesender Naturwissenschaftler. Gleichwohl ist offen, welche Rolle philosophische Reflektion in dem neuen Regime emergierender Technowissenschaften spielen kann. Ohne Frage besteht aber innerhalb des Innovationssystems ein zunehmendes, sich z. B. auch in naturwissenschaftlichen Zeitschriften niederschlagendes Interesse an der Forschung zur öffentlichen Kommunikation, Wahrnehmung, Darstellung und Akzeptanz emergierender Technologien. Auch dieses ELSA-Forschungsfeld war in Seattle gut vertreten.
Das thematische Spektrum reichte hier vom Verhältnis zwischen Nanotechnologiepolitik und Science-Fiction (Michael Bennett, Colin Milburn) über die Bürgerbeteiligung in Governance-Prozessen (z. B. Michael Cobb und Patrick Hamlett) und die Rolle von Bildern und Visionen (Ulrich Fiedeler, Martin Ruivekamp) bis hin zur Darstellung und Risikowahrnehmung der Nanotechnologie in den Medien und der Bevölkerung (z. B. Sharon Friedman und Brenda Egolf, Padraig Murphy und Valeria delle Cave, John Stone, Ursula Weisenfeld und Ingrid Ott). Dabei wurde auch gezeigt, dass spontane Laiendiskussionen im Internet (in Foren und Weblogs) eine nützliche zusätzliche Ressource in der Forschung zur öffentlichen Risiko- und Nutzenwahrnehmung sein können (Christopher Coenen et al.). In Bezug auf die USA wurde berichtet, dass die Wissenslücke beim Thema Nanotechnologie zwischen höher und niedriger Gebildeten wächst, wobei Internetnutzung weniger Gebildeten (im Gegensatz zu Fernseh- und TV-Konsum) helfen könne (Elizabeth Corley). In der Nano-Berichterstattung von US-Zeitungen hätten seit ca. fünf Jahren spezifische Risiken und Regulierungsfragen an Bedeutung gewonnen (David Weaver et al.). Überdies wurde eine Meta-Studie zu einer größeren Zahl von Bevölkerungsumfragen vorgestellt und dabei an Erkenntnisse der etablierten Risiko- und Akzeptanzforschung erinnert (Terre Satterfield et al.).
7 Ausblick
Ergebnisse der Veranstaltung werden an verschiedener Stelle dokumentiert: So wurden zu dem Nanoethik-Symposium u. a. bereits Videos der Vorträge bereitgestellt.[3] Noch im Jahr 2010 soll ein Band mit einer Auswahl auf der S.NET 2009 gehaltener Vorträge erscheinen.[4]
Das zweite S.NET-Jahrestreffen wird vom 29. September bis 2. Oktober 2010 in Darmstadt stattfinden.[5] Ziel ist es, anthropologische, kulturelle, ökonomische, ethische, historische, philosophische, politische und soziologische Aspekte der Nanowissenschaft und emergierender Technologien zu diskutieren. Für die Plenumsvorträge sind Armin Grunwald (ITAS, Karlsruher Institut für Technologie), Richard Jones (Universität Sheffield), Andrew Light (Center for American Progress, Washington), Bernard Stiegler (Centre Georges-Pompidou, Paris) und Jan Youtie (Georgia Institute of Technology, Atlanta) angekündigt.
Ob der von S.NET angestrebte Brückenschlag über disziplinäre Grenzen und Berufsfelder hinweg dauerhaft Erfolg haben wird, kann natürlich erst die Zukunft zeigen. Der Charakter aktueller Technikdiskurse lässt es aber als geboten erscheinen, einen solchen zumindest zu versuchen. Auf jeden Fall bietet die Vielfalt der Nanowissenschaft und der relevanten emergierenden Technologien weiterhin auch günstige Bedingungen für die sozial- und geisteswissenschaftliche Forschung (vgl. Decker et al. 2004). Zwar ziehen nicht beseitigte definitorische Unklarheiten weiterhin kommunikative Probleme nach sich und laden zu luftigen Spekulationen ein (Nordmann, Rip 2009). Die selbst hochgradig segmentierten „Reflexionswissenschaften“ erlangen in diesem unklaren Feld jedoch auch (z. T. neuartige) Möglichkeiten des intensiveren Austauschs untereinander sowie mit anderen Akteuren des Innovationssystems. Inwieweit diese Interaktionen die gesellschaftliche Gestaltung der wissenschaftlich-technischen Entwicklung prägen können und in welchem Verhältnis sie zu außerakademischen Diskussionen über Nanotechnologie in der Bevölkerung stehen, ist allerdings offen. Künftige S.NET-Aktivitäten werden auch in dieser Hinsicht von besonderem Interesse sein.
Anmerkungen
[1] Neue professionelle Identitäten und Herausforderungen in diesem Zusammenhang wurden z. B. in der „Science & Society Series on Convergence Research“ (EMBO Reports 2009) diskutiert: http://www.nature.com/embor/focus/convergence_research/index.html (download 9.3.10).
[2] http://www.thesnet.net/Welcome.html
[3] http://depts.washington.edu/ntethics/; vgl. Bassett 2009
[4] Er wird (hg. von S. Davies, A. Ferrari, U. Fiedeler und d. Verf.) bei IOS Press erscheinen, das bereits mehrere einschlägige Bände veröffentlicht hat. http://www.iospress.nl/pressreleases/nanotech_pr.pdf (download 9.3.10)
[5] http://www.philosophie.tu-darmstadt.de/nanobuero/snet2010/welcome_1/welcome_2.de.jsp (download 9.3.10)
Literatur
Bassett, D. (Hg.), 2009: Monograph: 2009 Nanoethics Graduate Education Symposium; http://depts.washington.edu/ntethics/symposium/index.shtml (download 9.3.10)
Decker, M.; Fiedeler, U.; Fleischer, T., 2004: Ich sehe was, was Du nicht siehst ... zur Definition von Nanotechnologie. In: Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis 13/2 (2004), S. 10–16
Grunwald, A., 2008: Auf dem Weg in eine nanotechnologische Zukunft. Freiburg i. Br.
Kaiser, M.; Kurath, M.; Maasen, S.; Rehmann-Sutter, C., 2009: Governing Future Technologies. Nanotechnology and the Rise of an Assessment Regime (Sociology of the Sciences Yearbook 27). Dordrecht
Nordmann, A.; Rip, A., 2009: Mind the Gap Revisited. In: Nature Nanotechnology 4 (2009), S. 273–274
Penders, B.; Horstman, K.; Vos, R., 2008: A Ferry between Cultures. Crafting a New Profession at the Intersection of Science and Society. In: EMBO Reports 9/8 (2008), S. 709–713
Kontakt
Christopher Coenen
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Karlstr. 11, 76133 Karlsruhe
Tel.: +49 721 608-24559
E-Mail: christopher.coenen∂kit.edu