Tagungsberichte
Welche Biomasse darf es denn sein? Bericht von der 17. Europäischen Biomasse-Konferenz (Hamburg, 29. Juni - 3. Juli 2009)
Welche Biomasse darf es denn sein?
Bericht von der 17. Europäischen Biomasse-Konferenz
Hamburg, 29. Juni – 3. Juli 2009
von Johannes Skarka, ITAS
Die Produktion von Biokraftstoffen wurde vor allem hinsichtlich ihrer möglichen negativen Folgen diskutiert. Diese Diskussion könnte auch Biomasse als Rohstoff insgesamt in Frage stellen. Welche technischen und politischen Möglichkeiten einer nachhaltigen Biokraftstoffproduktion bestehen und welche neuen Entwicklungen es hinsichtlich anderer Nutzungspfade für Biomasse gibt, zeigten die Beiträge der 17. Europäischen Biomasse-Konferenz, die vom 29. Juni bis 3. Juli 2009 in Hamburg stattfand.
Veranstalter waren ETA-Florence Renewable Energies und WIP München. Angereist waren gut 1.300 Teilnehmer aus 77 Ländern – auch aus dem nichteuropäischen Ausland (wie beispielsweise aus Indien, den USA, Nigeria oder Brasilien). Dieser internationale Aspekt wurde von dem auf der Konferenz stattfindenden Workshop „Bioenergy for Rural Development in Africa and Asia“ noch unterstrichen – dazu später mehr. Die Themen der rund 800 Präsentationen (Vorträge, Poster) waren sehr breit gestreut.[1] Sie reichten von Biomasseverbrennung, Kraftstoffen der 2. Generation und der Nutzung von Algenbiomasse über Konzepte zu Bioraffinerien bis hin zu Nachhaltigkeit, Zertifizierung, Wirtschaftlichkeit und Politik von Biomasse. Der Schwerpunkt lag insgesamt jedoch auf der energetischen Nutzung. Im Folgenden sollen einige ausgewählte Beiträge zu wichtigen Themen der Konferenz vorgestellt werden.
1 Verbrennung
Bei der Verbrennung von Biomasse zur Erzeugung von Strom und Wärme wurden technologisch schon große Fortschritte erzielt und die Technologie wird bereits kommerziell eingesetzt. Die Präsentationen befassten sich vor allem mit Fragen der Optimierung und Auswirkungen auf die Märkte. Welche Nutzungsmöglichkeiten es beispielsweise für die reichlich anfallende Asche gibt, stellte Ingmar Obernberger (TU Graz) in seinem Vortrag vor. Die Asche könne direkt als Dünger verwendet oder in der Kompostierung eingesetzt werden und letztere positiv beeinflussen. Bei der Verwendung als Dünger sei zu beachten, dass besonders die feine Fraktion der Flugasche mit Schwermetallen angereichert sei, weshalb nur die Grob- und Zyklonasche verwendet werden könnten. Alternativ sei auch eine Nutzung als Baustoff möglich.
Eine Motivation für den Ausbau regenerativer Energieträger ist auch eine erhoffte Unabhängigkeit von Energieimporten. Dass dies in manchen Fällen auch anders ausfallen kann, zeigte Ander Evald (FORCE Technology, Dänemark) am Beispiel der Verbrennung von Holzpellets in Dänemark. Mit steigendem Verbrauch der Pellets sei auch die Importabhängigkeit in den letzten Jahren stark angewachsen. Konnte Dänemark im Jahr 2001 noch 43 Prozent der Pellets selbst bereitstellen, so waren es im Jahr 2008 nur noch 13 Prozent. Wichtigster Lieferant für Dänemark seien die baltischen Staaten, aber auch Deutschland spiele trotz der hohen Bevölkerungsdichte eine wichtige Rolle. Eine Diversifizierung könnte durch den Import von Holzhackschnitzeln aus Kanada erreicht werden.
2 Biokraftstoffe der 2. Generation
Die Vergasung und Pyrolyse von Biomasse, insbesondere zur Herstellung von flüssigen Biokraftstoffen der 2. Generation und BioSNG[2], stellte einen zweiten wichtigen Themenblock auf der Konferenz dar. Es wurden zahlreiche Konzepte und Pilotanlagen präsentiert, aber auch ökonomische und ökologische Aspekte beleuchtet. Biokraftstoffe der 2. Generation sollen im zukünftigen Biokraftstoffmix der EU eine wichtige Rolle spielen, da sie als besonders umweltfreundlich gelten. Tjasa Bole (Energy Research Center of the Netherlands) stellte erste vorläufige Ergebnisse aus Modellrechnungen vor, mit deren Hilfe künftige Marktanteile der Biokraftstoffe der 2. Generation ermittelt werden sollen. Die Ergebnisse, die mit Hilfe eines Optimierungsmodells berechnet wurden, zeigten, dass die 2. Generation ohne finanzielle Anreize bis 2020 im Biokraftstoffmarkt nicht vorhanden sein werde. Dies sei darauf zurückzuführen, dass ihre Produktion sehr kapitalintensiv ist. Selbst wenn steuerliche Anreize hinsichtlich der Investitionskosten eingeführt würden, weisen – so Bole – die Modellrechnungen nur einen Anteil an Biokraftstoffen von wenigen Prozent bis 2020 aus.
In mehreren Vorträgen wurde ein von der EU gefördertes Projekt zur Demonstration der Produktion und Nutzung von Bio-SNG vorgestellt. In der Biomasse-Vergasungsanlage in Güssing (Österreich) wird das Gas erzeugt, um es in das bestehende Erdgasnetz einzuspeisen oder als Kraftstoff im Transportsektor zu verwenden. Franziska Müller-Langer (Deutsches BiomasseForschungsZentrum Leipzig) stellte die Ergebnisse der Systemanalyse vor. Bemerkenswert war, dass Bio-SNG hinsichtlich der CO2-Einsparungen keine wesentlichen Vorteile gegenüber im großen Maßstab erzeugtem, aufbereitetem Biogas aufweist.
3 Algenbiomasse
Einen Übersichtsvortrag zur energetischen Nutzung von Algenbiomasse hielt Christine Rösch (ITAS). Sie zeigte die vielfältigen Möglichkeiten auf, Algenbiomasse energetisch nutzbar zu machen (z. B. durch die Gewinnung von Biodiesel aus dem in den Algen enthaltenen Öl oder die Erzeugung von Biogas). Die Algen würden in technischen Systemen kultiviert und ließen sich daher auch auf Flächen produzieren, die nicht für den Ackerbau geeignet seien. Sie stünden daher nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Dabei wies sie aber auch darauf hin, dass infrastrukturell geeignete Standorte in Europa begrenzt seien. Außerdem stellten die noch hohen Kosten eine Herausforderung dar, genau wie die bei den heute vorhandenen Systemen oft negative Energiebilanz. Hier sei jedoch noch großes Optimierungspotenzial vorhanden.
Da Algenbiomasse naturgemäß nasse Biomasse ist, sind besonders Konversionstechnologien interessant, die ohne eine Trocknung auskommen. Ein Verfahren zur hydrothermalen Vergasung, die Biomassen mit hohem Wassergehalt benötigt, stellte Frederic Vogel (Paul-Scherrer-Institut) vor. Die Algen würden mit Hilfe eines Katalysators in überkritischem Wasser zu CO2 und Methan umgesetzt. Die Energieeffizienz des gesamten Verfahrens (inklusive Algenkultivierung) wurde mit 26 Prozent angegeben. Die alleinige energetische Verwendung von Algenbiomasse hielt Jean Jenck von Algosource Technologies nicht für sinnvoll. Die Produktion sei zu teuer und energieaufwändig. Die Kombination aus Stoffproduktion (z. B. Feinchemikalien), Abwasseraufbereitung durch die Algen und der energetischen Nutzung sei hingegen vielversprechend. Außerdem fand bislang ein wichtiges Nebenprodukt der Algenkultivierung nur wenig Beachtung: Sauerstoff, der beispielsweise in Verbrennungsprozessen deren Effizienz erhöhen könnte.
4 Nachhaltigkeit
Ein Aspekt, der während der gesamten Konferenz immer wieder auftauchte, waren die indirekten Landnutzungsänderungen (iLUC), die beim Anbau von Biomasse auftreten können und deren Nachhaltigkeit dann in Frage stellen. Dieser Aspekt wurde erfreulicherweise besonders von Seiten der Politik herausgehoben, z. B. von Valri Lightner (US Department of Energy) oder von Jos Delbeke (Europäische Kommission) die beide Keynote-Speaker waren. Von Giovanni De Santi (Institute for Energy JRC) wurde in diesem Zusammenhang die These formuliert, die Politik sei der Wissenschaft voraus. Letztere hat das Problem indes schon länger erkannt, aufgrund der Komplexität ist es bislang jedoch nicht gelungen, die iLUC für Nachhaltigkeitsuntersuchungen zuoperationalisieren und beispielsweise in Ökobilanzuntersuchungen einzubeziehen. Neil Bird (IEA Bioenergy Task 38) stellte hierzu erste Ansätze vor. Außerdem wies er auf einen weiteren indirekten Effekt hin, der sich bei Landnutzungsänderungen ergeben könne: der Veränderung der Albedo[3], die sich erheblich auf den Treibhauseffekt auswirken kann.
Der neuen EU-Richtlinie zur Nutzung von erneuerbaren Energieträgern zufolge dürfen nur der Richtlinie entsprechend zertifizierte Biokraftstoffe auf die Biokraftstoffziele der EU angerechnet werden. Zertifiziert werden können nur Kraftstoffe, die bestimmte Nachhaltigkeitskriterien erfüllen z. B. muss die Treibhausgaseinsparung über den gesamten Lebensweg mindestens 35 Prozent betragen. Noch sind die nötigen Zertifizierungssysteme nicht verfügbar. Norbert Schmitz (meo consulting) stellte ein Zertifizierungssystem vor, dass den „Book & Claim-Ansatz“[4] verfolgt. Das System beziehe schon bestehende Regelungen mit ein (z. B. die Cross-Compliance-Vorschriften der EU) und verringere durch diese Meta-Funktion eine Mehrfachzertifizierung. Pilot-Audits wurden in Argentinien, Brasilien, Europa und Malaysia durchgeführt.
5 Workshop „Bioenergy for Rural Development in Africa and Asia“
Neben dem Hauptprogramm fanden auch mehrere Workshops statt. Vom Workshop zum Thema „Bioenergy for Rural Development in Africa and Asia“ soll hier kurz berichtet werden. Die meisten der dort vorgestellten Projekte fanden im Rahmen der beiden EU-Projekte Compete oder RE-Impact[5] statt.
Sowohl in Afrika als auch in Asien wird noch vielerorts mit einfachen Feuerstellen gekocht, was einen hohen Verbrauch an Feuerholz und gesundheitliche Probleme, insbesondere im Bereich der Atemwege, mit sich bringt. Aus Tansania berichtete Estomih Sawe (Ta-TEDO) von der erfolgreichen Einführung moderner Öfen, die deutliche Einsparungen an Feuerholz bewirkt hätten und dabei gleichzeitig gut von den Nutzern angenommen wurden. Mittlerweile hat sich dort ein Markt für solche Öfen etabliert, der auch Innovationen in diesem Bereich möglich mache. Dagegen war die Verteilung von modernen Öfen in China von weniger Erfolg gekrönt, wie Su Yufang (Yunnan Academy for Social Sciences) darstellte, da dieverteilten Öfen nicht den Nutzungsanforderungen der Dorfbewohner entsprochen hätten.
Ein viel diskutiertes Thema war außerdem die Nutzung von Jatropha[6] als Öl-Lieferant. Eine nachhaltige Nutzung, insbesondere was die Nahrungsmittelsicherheit betrifft, scheint mithilfe dieser Pflanze möglich, da genug Brachland und Grenzertragsflächen für den Anbau zur Verfügung stehen. Dies zeigten Helen Watson (University of KwaZulu-Natal, Südafrika) und Donald Kgathi (University of Botswana) für Tansania mit Hilfe von Satellitendaten und einem Geoinformationssystem. An dieser Stelle sei auch auf einen Vortrag im Hauptprogramm vonUwe Fritsche (Öko-Institut) verwiesen, in welchem anhand eines Fallbeispiels in China dargestellt wurde, dass das Flächenpotenzial für den Energiepflanzenanbau aufgrund zu gering aufgelöster Satellitendaten meist systematisch überschätzt würde. Eine sehr engagierte Rede hielt Hamimo Hongo (FELISA, Tansania), der sich für die Nutzung von Jatropha stark machte, und zwar vor allem für den heimischen Bedarf. Einen Konflikt mit der Lebensmittelproduktion sehe er nicht.
6 Fazit
Die Konferenz gab einen guten Überblick über die Vielfalt der mit der Nutzung von Biomasse verknüpften Themen. Insbesondere die Präsenz von Nachhaltigkeitsthemen in den Vorträgen der Politik und der Wissenschaft stach positiv heraus. Leider passten die Beiträge nicht immer zu den Titeln der Sessions, was aber angesichts der Vielfalt der Themen verständlich war. Für die Zukunft bleibt spannend, ob und wie sich gerade entwickelnde Technologien wie die Biokraftstoffe der 2. Generation, die möglicherweise bald marktfähig sein werden oder die energetische Nutzung von Algenbiomasse, die noch in den Kinderschuhen steckt, in der Praxis bewähren werden. Auch die vorgestellten Instrumente zur Gewährleistung einer nachhaltigen Biomasseproduktion müssen ihre Wirksamkeit noch unter Beweis stellen. Um diese Entwicklungen zu begleiten und weiter voranzutreiben, wird es noch mehr als bisher einer engen Verzahnung von Wissenschaft, Politik und Wirtschaft bedürfen. Die diesjährige Konferenz zeigte deutlich, dass dieser Weg bereits eingeschlagen wurde.
Anmerkungen
[1] Die Proceedings sind mittlerweile auf DVD erhältlich und können unter http://www.conference-biomass.com/Proceedings.230.0.html bestellt werden.
[2] Bio-SNG steht für Synthetic Natural Gas aus Biomasse und stellt ein Erdgassubstitut dar. Es soll auch als Kraftstoff zum Einsatz kommen.
[3] Maß für die Eigenschaft einer Oberfläche, Sonnenlicht zu reflektieren.
[4] Hierbei werden Zertifikat und Biokraftstoff getrennt auf dem Weltmarkt gehandelt. So ist kein aufwändiger Herkunftsnachweis notwendig. Dennoch ist gewährleistet, dass nur so viele Zertifikate gehandelt werden, wie auch zertifizierte Biokraftstoffmengen auf dem Markt sind.
[5] Informationen zu diesen Projekten unter http://www.compete-bioafrica.net bzw. http:// www.ceg.ncl.ac.uk/reimpact.
[6] Jatropha curcas, Purgiernuss: Pflanze der Tropen und Subtropen mit ölhaltigen Samen, die auch auf ungünstigen Standorten gedeiht.