Incentives and Needs for the Energy Consumer in the Future. Bericht vom Workshop "Smart Home - Vision 2020" (Karlsruhe, 14. Mai 2009)

Tagungsberichte

“Incentives and Needs for the Energy Consumer in the Future”

Bericht vom Workshop „Smart Home – Vision 2020” Karlsruhe, 14. Mai 2009

von Jens Schippl und Volker Stelzer, ITAS

Angesichts absehbarer Engpässe bei den Energieressourcen, der Bedrohung durch den Klimawandel und dem Druck mit innovativen Entwicklungen im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, gewinnt gerade das Thema Energieeffizienz zunehmend an Aufmerksamkeit. Die Bundesregierung hat – ebenso wie die EU – klare Ziele zur Steigerung der Energieeffizienz bis 2020 formuliert. Ein Bereich, dem besonders große Einsparpotenziale zugeschrieben werden, ist der Gebäudebereich. Zunehmend wir dabei diskutiert, dass eine stärkere automatisierte Steuerung der Energieversorgung in Gebäuden zur Realisierung von Energieeinsparungen beitragen könnte. Vor diesem Hintergrund werden heute mehrere wichtige Fragen diskutiert: Wie wird der private Stromverbrauch von Morgen aussehen? Welche Bevölkerungsgruppen werden ihre strombezogenen Nutzungsgewohnheiten wie preis- und ökologiebewusst gestalten? Welche technischen Neuerungen ermöglichen einen besonders nachhaltigen und gesellschaftlich wünschenswerten Umgang mit knapper werdenden Energieressourcen?

Diese Fragen standen im Mittelpunkt des am 14. Mai 2009 in Karlsruhe durchgeführten Workshops zum Thema „Smart Home – Vision 2020”. Incentives and Needs for the Energy Consumer in the Future“, der von einer durch das KIT geförderten Projektinitiative, zusammen mit dem Forschungszentrum Informatik (FZI), veranstaltet wurde.[1] Als Ziel des Workshops sollten „weiße Flecken“ in der Forschungslandschaft identifiziert und eine Basis für weitere Kooperationen zur Bearbeitung dieser Fragen entwickelt werden. Zu diesem Zweck wurden Experten aus verwandten Forschungsfeldern eingeladen, zu den folgenden Leitfragen Stellung zu nehmen: Wie sollte aus Ihrer Sicht das Smart Home 2020 aussehen? Was wird Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung, die es auf dem Weg zum Smart Home 2020 zu meistern gilt? Welche Änderung oder Neuerung wird Ihrer Meinung nach den entscheidenden Durchbruch bringen, der zu einer breiten Einführung von Smart Homes bis 2020 führen wird?

In der Begrüßung wies Armin Grunwald (ITAS) auf die Einbettung des Workshops in den KIT-Schwerpunkt „Mensch und Technik“ hin. Der neu gegründete Schwerpunkt zielt darauf ab, mit wissenschaftlicher Exzellenz die Wechselwirkungen zwischen wissenschaftlich-technischem Fortschritt und Mensch/Gesellschaft zu erforschen und zu deren Gestaltung beizutragen. Grunwald betonte, dass der Workshop bewusst interdisziplinär angelegt wurde. Idee war es, unterschiedliche disziplinäre Perspektiven im Kontext von „Smart Home – Visionen 2020“ gegenüber zu stellen und zu diskutieren.

1     Gesellschaftliche Erwartungen versus Erfahrungen

Reinhard Madlener (E.ON Energy Research Center, RWTH Aachen) wies darauf hin, dass die Umsetzung einer Smart-Home-Vision der breiten Akzeptanz in der Bevölkerung bedürfe. Wichtig sei auch, Preissignale richtig zu setzen und eventuell auftretende Rebound-Effekte in Grenzen zu halten. Dem Einsatz von Smart Meters („intelligenten“ Stromzählern) komme dabei eine Schlüsselrolle zu. Zentrales Problem sei die Optimierung von technischen Systemen, bei denen die realisierbaren monetären Anreize und Preiselastizitäten der Nachfrage oft nur gering, die Transaktionskosten und die Persistenz von Verhaltensgewohnheiten dagegen potenziell hoch ausfallen könnten. Die Smart-Home-Vision existiert bereits seit einigen Jahrzehnten. In der Regel standen dabei drei technische Anwendungsbereiche im Vordergrund: „white goods“, „consumer electronics“ und „building automation“. Neben Energieeinsparungen erwartet man verbesserte Sicherheitstechnik sowie eine Erleichterung von Alltagsroutinen. Gleichzeitig handelt sich aber auch um eine sehr komplexe Technologie, deren Etablierung mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert ist (Investitionskosten, Datenschutz, Systemintegration, Nutzerverhalten u. a.). Innovations- und Diffusionsprozesse in diesem Feld sind durch sehr heterogene Akteurskonstellationen geprägt und entsprechend langsam. Auf Seite der potenziellen Adaptoren müssen v. a. Einstellungen und Erwartungen der Nutzer besser untersucht und verstanden werden.

Harald Schäffler (EnCT, Freiburg) betonte zunächst zwei technische Entwicklungen mit erheblicher („revolutionärer“) gesellschaftlicher Bedeutung: Der Übergang von einer primär fossilen zu einer langfristig regenerativen Energieversorgung und der Übergang von der analogen zu einer digitalen, global vernetzten Informations- und Kommunikationswelt. Am Schnittpunkt dieser beiden Entwicklungen stehe die Smart-Home-Vision. Der zentrale Gedanke dabei ist, dass digitale Informations- und Kommunikationstechnologien sowohl für neue Möglichkeiten zur Steuerung und Regelung der Energiegewinnung, -verteilung und nutzung verwendet werden als auch zur Individualisierung von Energieprodukten und Diensten. Nach Schäffler zeichnet sich die Vision einmal dadurch aus, dass Geräte und Anlagen kommunikativ und im Haus vernetzt würden – auf Wunsch des Kunden auch ferngesteuert, ferngewartet und fernüberwacht. Zum anderen sei die Netzintegration von großer Bedeutung: Die Privatkunden würden in das Netzmanagement und in das übergeordnete Energiemanagement integriert. Sie seien nicht mehr nur Konsumenten, sondern im Fall verfügbarer dezentraler Einheiten auch Produzenten von Energie. Dies bringe eine Reihe wichtiger Herausforderungen mit sich, die in den nächsten Jahren gelöst werden müssten. Von besonderer Bedeutung seien hierbei die Standardisierung von IuK-Technologien und Geschäftsprozessen sowie die Ertüchtigung von Abrechnungs- und Engineering-Data-Management(EDM)-Systemen zur Abrechnung von flexiblen Tarifen und transaktionalen Energieprodukten. Wichtige Fragen seien in diesem Zusammenhang, inwieweit Privatkunden bereit sind, ihren Energiekonsum fremdbestimmen zu lassen und inwieweit für die Kunden Vorteile relevant bzw. erkennbar werden.

2     Künstliche Intelligenz und deren Folgen

Die Verbindung der Entwicklungen im Energie- und im IuK-Sektor stand auch im Mittelpunkt der Präsentation von Wolf Ketter (Rotterdam School of Management). Kernelement dieser Schnittstelle könne seiner Meinung nach ein sog. „Personal Agent“ sein. Ketters Forschungsziel ist die Entwicklung von Software-Agenten, die lernen, sowohl mit Menschen als auch mit anderen Agenten in komplexen sozioökonomischen Umgebungen zu interagieren. Er ist der Auffassung, dass Menschen, angesichts der Fülle an handlungsrelevanten Informationen, in sehr komplexen Situationen Unterstützung durch solche Agenten benötigten. Das Konzept ziele zunächst auf Entscheidungsprozesse in Unternehmen ab, ließe sich aber auch auf den privaten Gebrauch ausdehnen. In Haushalten, so die Idee, könnten die Agenten z. B. eine energetisch optimierte Steuerung aller Geräte und Funktionen übernehmen. Sie könnten Haushaltsgeräte wie Wach-oder Spülmaschinen so koordinieren, dass sie zu Zeiten laufen, zu denen elektrische Energie günstig bezogen werden kann. Da die Agenten lernfähig seien, könnten sie sich zum einen an das individuelle Verhalten ihrer Besitzer anpassen und deren Präferenzen und Gewohnheiten in ihre Entscheidungskalküle einbeziehen. Zum anderen wären sie in der Lage, Entscheidungskontexte und sich ändernde Faktoren (wie z. B. Energiepreise) zu erkennen.

Mit den von Ketter und anderen entwickelten Visionen und Entwicklungslinien setzte sich der Beitrag von Michael Decker (ITAS) auseinander. Nach Decker sei das eigentliche Ziel der Smart Homes, ihre Bewohner darin zu unterstützen, ihre „Zwecke“ zu erfüllen. Dementsprechend müssten die zukünftig eingesetzten Technologien und ihr Zusammenspiel bewertet werden. Er gehe davon aus, dass es von zentraler Bedeutung ist, unterschiedliche disziplinäre Perspektiven auf Smart Homes so darzustellen, dass die Zwecksetzung durch die Bewohner im Zentrum der Betrachtungen stehe. Die Ausgangsthese ist, dass alle „Handlungen“, die ein Smart Home ausführe, Handlungen des Menschen „ersetzen“. Diese Ersetzbarkeit wurde aus der technischen, ökonomischen, rechtlichen, gesellschaftlichen und ethischen Perspektive analysiert. Dabei wurden einige Probleme, beispielsweise im Hinblick auf Haftungsfragen, herausgearbeitet. Genau genommen müssten aus rechtlicher Sicht Personal Agents, wenn sie denn autonom Strom einkaufen und damit Rechtsgeschäfte ausführen, einen Personalausweis vorweisen. Außerdem könnten Datenschutzprobleme auftreten, wenn ein Personal Agent größere Datenmengen über eine Person speichert. Decker sah es als sehr wichtig an, dass die Entscheidungskalküle teilweise autonom agierender Systeme transparent sind. Der Nutzer möchte beispielsweise wissen, ob der „Agent“ eine Handlung ausführt, um den eigenen Präferenzen gerecht zu werden, um einem überordneten Koordinationseffekt zu entsprechen oder weil nur unvollständige oder fasche Grundinformationen vorliegen.

3     Kundenwunsch und Technikwirklichkeit

Wolfgang Plöger (Sinus Sociovision, Heidelberg) zeigte in seinem Vortrag anhand der Sinus-Milieus, wie verschiedene gesellschaftliche Gruppierungen, die mit einer Smart-Home-Vision verbundenen Technologien unterschiedlich akzeptieren können. Die stärkste Affinität zu einem Smart-Home-Konzept dürften die „Modernen Performer“ (10 % der Bevölkerung) sowie die „Experimentalisten“ (8 %) haben. Dabei sind die Modernen Performer folgendermaßen charakterisiert: Sie sind die junge unkonventionelle Nachwuchselite, die intensiv leben und beruflich wie privat flexibel, mobil und multioptional sowie Multimedia begeistert sind. Sie beurteilen „mehr IuK-Technologien im Haus und im häuslichen Umfeld als Hoffnung auf mehr Komfort, Zeitersparnis und einen effizienteren Alltag“ mit „mehr Freizeit“. Die Experimentalisten sind die extrem individualistische neue Bohème und charakterisiert durch Spontaneität, Originalität, Leben mit den Widersprüchen. Sie sind geprägt durch ein Selbstverständnis als Lifestyle-Avantgarde.

Franz Hein (EDNA-Initiative e.V./mpc, Esslingen) beschrieb die IuK-Landschaft als Boden einer „smarten“ Entwicklung zur Vernetzung von Akteuren und Agenten. Er sah eine zentrale Herausforderung in der Kopplung der Leitungsnetzwerke mit den notwendigen Informationsnetzwerken. Dabei seien die Verbände als „Flaschenhälse“ für die Einführung einer Energieplattform, für einen freien Energiemarkt mit einer marktweiten Vernetzung aller IT-Systeme auch unterschiedlicher Hersteller anzusehen. Als Beispiel, wie es gehen könne, führte er Neuseeland an, wo ein Unternehmen damit beauftragt werde, ein Regelungssystem für den Energiemarkt aufzubauen. Energielogistik könne umso effizienter eingesetzt werden, je mehr Informationen sie erhalte.

4     Der Weg zur Vision

In der von Chistof Weinhardt (IISM, Universität Karlsruhe und FZI Karlsruhe) und Orestis Terzidis (SAP Research CEC Karlsruhe) moderierten Abschlussdiskussion wurden die Ergebnisse zusammengefasst und diskutiert.

Es wurde festgestellt, dass der visionär ausgelegte Charakter des Workshops eine geeignete Basis zur Integration der verschiedenen Ansätze des sehr interdisziplinären Felds geboten habe. Es habe sich auch gezeigt, dass gesellschaftliche Erwartungen und Befürchtungen sehr unterschiedlicher Art im Raum stehen, wichtige Stichworte sind hier: Energieeinsparung, Reduzierung von Kosten, Einspeisung von erneuerbaren Energien, Erleichterung von Alltagsroutinen, zu viel Automatisierung und „Entmündigung“; Kontrollverlust. Unterschiedliche Gruppen haben sehr unterschiedliche Einstellungen zu solchen Technologien.

Zudem habe sich bestätigt, dass wichtige Fragen im Zusammenhang von Smart Homes nach wie vor ungelöst sind, zunächst im Kontext von Technologieakzeptanz, -ängsten, -wünschen: Welche Erwartungen und Vorbehalte gibt es hinsichtlich der diskutierten Technologien? Wie ist mit Datenschutzfragen umzugehen? Welche sozialen Milieus sind besonders affin für den Umgang mit intelligenten Stromverbrauchern? Wie können sich Kundenwünsche entwickeln, wo diese sich oft erst im Zuge des Umgangs mit Technologie habitualisieren?

Ein weiterer Fragenkreis drehte sich um die Mensch-Maschine-Interaktion. Wie müssen Informationen rund um Energie aufbreitet werden, damit die Verbraucher optimal informiert und sensibilisiert werden? Welche mittel- bis langfristigen Effekte können Smart Meters bewirken? Wie müssen solche Smart Meters gestaltet sein?

Im Zusammenhang mit ökonomischen Anreizen und deren gesamtwirtschaftlichen Nutzen besteht u. a. die Frage, wie elastisch reagieren Kunden auf unterschiedliche Ausprägungen ökonomischer Tarife?

Generell muss besser verstanden werden, welche Vorteile oder Potenziale Smart Homes für die einzelnen Akteure und welche sie – im Sinne „gesellschaftlicher“ Vorteile – für das Gesamtsystem bringen. Die zahlreichen technischen Optionen und Entwicklungspfade, die diskutiert und teilweise bereits erprobt werden, müssen weiter auf ihre Realisierungschancen untersucht werden. Im Hinblick auf Innovationspfade stellt sich auch die Frage nach den Akteuren: Wer sind die Treiber einer Entwicklung zum Smart Home bzw. wer sollten die Treiber sein: Energieversorgungsunternehmen, Konsumenten, dezentrale Produzenten, die Gebäudewirtschaft, Netzbetreiber oder die (FuE-)Politik?

Der Workshop hat deutlich gemacht, dass – trotz der schon teilweise erfolgten Einführung von einzelnen Smart-Home-Technologien – noch eine ganze Reihe an Fragen offen bleibt, die von entscheidender Bedeutung für die Zukunft der Smart-Home-Energiesysteme sind und somit einer intensiven und interdisziplinären Bearbeitung bedürfen.

Anmerkung

[1]  Die Veranstaltung fand am FZI in Karlsruhe statt. Veranstalter waren: Dr. Clemens van Dinther (FZI Karlsruhe), Prof. Dr. Armin Grunwald (ITAS im FZK), Prof. Dr. Roger Häußling (IfS, RWTH Aachen), Prof. Dr. Christof Weinhardt (IISM, Universität Karlsruhe und FZI).