Geo-Engineering. Bericht von einem Rundgespräch der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Kiel, 4. Juni 2009)

Tagungsberichte

Geo-Engineering

Bericht von einem Rundgespräch der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Kiel, 4. Juni 2009

von Armin Grunwald, ITAS

Die Menschheit greift seit geraumer Zeit und in zunehmendem Ausmaß in den globalen Naturhaushalt ein. Diese menschlichen Beeinflussungen der natürlichen Umwelt auf globaler Ebene sind nicht-intendierte Folgen von Techniknutzung, Lebensstilen, Konsum- und Produktions-mustern, Landnutzung und vielem mehr. Der Klimawandel in der Folge der Treibhausgasemissionen ist ein Beispiel. Eine relativ neue Debatte befasst sich mit der Frage, ob es intendierte großflächige, technisch gestützte Maßnahmen gibt, mit denen man die genannten nicht-intendierten Folgen besser in den Griff bekommen könnte. Am Beispiel des Klimas: Könnte es nicht gelingen, mit großflächig eingesetzten Techniken die Atmosphäre künstlich zu „kühlen“, um der Erderwärmung technisch entgegen zu wirken? Überlegungen dieser Art laufen unter dem Stichwort „Geo-Engineering“.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hatte für den 4. Juni auf Anregung des Nationalen Komitees für Global-Change-Forschung zu einem sog. „DFG-Rundgespräch“ geladen. Dieses Format dient dazu, mit einer relativ kleinen Gruppe von Wissenschaftlern zu eruieren, ob es zu neu aufkommenden Themen Forschungsbedarf gibt und was die DFG ggf. tun könnte. In diesem Fall ging es darum, dem „Geo-Engineering“ im Sinne eines „Climate Engineering“ nachzuspüren: Was kann eventuell zusätzlich zu den bekannten Vermeidungsund Anpassungsstrategien getan werden, um den Klimawandel auf ein verträgliches Maß zu begrenzen? Gibt es Möglichkeiten, das Klima „als Ganzes“ mit technischen Verfahren gezielt zu beeinflussen? Um diesen Fragen nachzugehen, waren etwa 25 WissenschaftlerInnen aus den unterschiedlichsten Disziplinen in das Institut für Weltwirtschaft in Kiel eingeladen. Das Spektrum ihrer Disziplinen reichte von der Atmosphären- und Klimaforschung über dieEthik und Ökonomie sowie die Rechts- und Politikwissenschaften bis zur Technikfolgenabschätzung.

Die Diskussion erstreckte sich hauptsächlich auf zwei Ansätze. Zum einen könnte das Verhältnis zwischen reflektierter und einfallender Sonnenstrahlung (Albedo) der Erdoberfläche durch gezielte Einbringung von Aerosolen gesteigert werden, so dass von der eingestrahlten Sonnenergie ein höherer Teil in den Weltraum reflektiert würde und somit nur ein kleinerer Teil von der Atmosphäre absorbiert würde, was einen Kühlungseffekt zur Folge hätte. Zum anderen könnte man versuchen, der Atmosphäre in großem Umfang Kohlendioxid zu entziehen und z. B. in den Ozeanen zu lagern. Das Eisendüngungsexperiment des Forschungsschiffes „Polarstern“ vor einigen Monaten, das eine größere Aufmerksamkeit geweckt hatte, stand in diesem Zusammenhang, brachte jedoch eher ernüchternde Ergebnisse. Im Rahmen dieses Experimentes hatten Wissenschaftler des AlfredWegner-Instituts im Seegebiet zwischen Argentinien und der Antarktis sechs Tonnen gelöstes Eisen ausgebracht. Zwar setzte zunächst ein kräftiges Algenwachstum unter Aufnahme des im Wasser gelösten CO2 ein, Ruderfußkrebse verhinderten dann aber ein weiteres Wachstum, indem sie die Kleinalgen fraßen. Dadurch gelangte letztendlich weniger CO2 aus der Atmosphäre in den Ozean als frühere Experimente erwarten ließen. Großflächige technische Eingriffe in den Naturhaushalt und die Betrachtung der Atmosphäre als ein System, das gezielt gesteuert oder beeinflusst werden solle, wecken natürlich sofort Sorgen vor neuen und unbekannten Nebenfolgen solcher Maßnahmen. Aufgrund der erheblichen Tragweite eines „Climate Engineering“ könnten auch unvorhergesehene Nebenfolgen möglicherweise eine ganz erhebliche Dimension annehmen. Angesichts der Komplexität des Klimasystems erscheint es fast verwegen, mögliche Nebenfolgen vollständig im Vorhinein zu erforschen, um sie zu vermeiden.

Ein umgekehrtes Problem könnte sich in der öffentlichen Kommunikation ergeben. „Climate Engineering“ könnte dazu verleiten, Vermeidungsstrategien mit weniger Ernst zu verfolgen, könnte gar eine Haltung des „Weiter so“ in Bezug auf fossile Energieträger motivieren und Umsteuerungsstrategien zu einer nachhaltigen Energieversorgung konterkarieren. Schließlich gibt auch die rechtliche Dimension keinen Anlass zu großem Optimismus: In weitgehender Abwesenheit einer „Global Governance“ gibt es zurzeit keine Vorstellung, wie ein „Climate Engineering“ politisch umgesetzt werden könnte.

Warum angesichts dieser Situation sich überhaupt mit dem Thema befassen? Es gibt ein Argument, dass dafür spricht, die technischen Optionen eines „Climate Engineering“ zumindest durch Forschung näher zu untersuchen. Climate Engineering, insbesondere die Beeinflussung der Erdalbedo durch das Einbringen von Aerosolen in die Stratosphäre, könnte eine Art „Notfalltechnologie“ sein. Für den Fall, dass Vermeidungsstrategien nicht ausreichen, um das Klima in einem für Menschen verträglichen Bereich zu halten, oder im Fall plötzlicher unvorhergesehener systemischer Effekte, die eine erhebliche Beschleunigung des Klimawandels auslösen könnten, könnte ein rasch wirkendes „Climate Engineering“ katastrophale Entwicklungen verhindern oder abfedern helfen – zumindest für eine begrenzte Zeitspanne. Dieses Argument, und zu diesem Schluss kam die DFG-Runde nach intensiven und ausgesprochen fruchtbaren interdisziplinären Diskussionen, erlaubt zumindest eine weitere Analyse und Erforschung von Optionen des „Climate Engineering“ in Bezug auf Potenziale und Risiken. Wie das geschehen kann, soll auf einem weiteren Treffen besprochen werden. Unstrittig war, dass die Diskussion weiterhin in hohem Maße interdisziplinär geführt und Ethik, Risikoforschung und Technikfolgenabschätzung beinhalten muss.