TAB-News

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Öffentliches Fachgespräch „Individualisierte Medizin“ im Bundestag im Mai 2009

In der medizinischen Forschung und Entwicklung ist seit einigen Jahren ein Trend zu individuelleren, auf die Gegebenheiten des einzelnen Patienten maßgeschneiderten Gesundheitsleistungen erkennbar. Durch die verbesserte Ermittlung von Erkrankungsrisiken und spezifischere Diagnostik soll bereits vor der Anwendung mit in den Blick genommen werden, wie ein Patient auf eine bestimmte Therapie ansprechen könnte. Diese Ansätze einer individualisierten Medizin stützen sich auf so unterschiedliche wissenschaftlich-technische Entwicklungen wie Genomanalysen, Nanomedizin, autologe Zelltherapien, molekulares Imaging, Nutrigenomik oder die Ermittlung patientenspezifischer Proteinexpressionsmuster.

Momentan wird angenommen, dass sich diese Forschungsansätze nicht „automatisch“ im Gesundheitsmarkt durchsetzen, sondern expliziter Anreize und ressourcenstarker Akteure bedürfen. Darüber hinaus erfordert die Entwicklung entsprechender Geschäftsmodelle einer spezifischen Rahmung, sodass die Ausschöpfung der Nutzenpotenziale (Zugewinn an Gesundheit und Lebensqualität) und die Vermeidung nichtintendierter Folgen (Belastung oder Irreführung von Patienten durch Verfahren mit zweifelhaftem Nutzen) gewährleistet werden. Innerhalb eines TAB-Projekts wurden die relevanten Entwicklungslinien der Lebenswissenschaften in den Blick genommen und der Stand der Wissenschaft und Technik dargestellt. Unter der Perspektive eines nutzbringenden Beitrags für die Gesundheit wurden Implikationen für die Technikentwicklung und deren Einbettung in das zukünftige Gesundheitssystem (von Unternehmen über medizinische Versorgung bis zur Krankenversicherung) herausgearbeitet.

In der Debatte um die zukünftigen Möglichkeiten einer individualisierten Medizin ist eine Akzentverschiebung im gesellschaftlichen Diskurs in Bezug auf die Eigenverantwortung für den Erhalt von Gesundheit zu beobachten. So wird die Verantwortung des Einzelnen zur Vorsorge betont. Jedoch ist das Wissen um ein individuelles Erkrankungsrisiko noch äußerst lückenhaft und sind die Effektivität zielgerichteter Präventionsmaßnahmen und die tatsächlichen Möglichkeiten des Einzelnen weitgehend unklar. Bei der zunehmend befund- und krankheitsprozessorientierten prädiktiven Risikoermittlung und Krankheitsbewältigung gilt es, die psychischen Aspekte einer Krankheit (Leben mit einer besonderen Risikodisposition; Möglichkeiten, Alltagshandeln darauf abzustimmen) nicht aus dem Blick zu verlieren. Der TAB-Zukunftsreport „Individualisierte Medizin und Gesundheitssystem“ weist ferner darauf hin, dass im Kontext der individualisierten Medizin die kontroverse Debatte darüber, wie weit die Inpflichtnahme des Einzelnen durch die Solidargemeinschaft gehen und welches Maß an Gesundheitsverhalten und Eigenbeitrag die Solidargemeinschaft vom Einzelnen einfordern darf, weitergeführt werden muss. Die Herausforderung besteht darin, angemessene und ethisch reflektierte Lösungsansätze zu finden und umzusetzen.

Eine moderierte öffentliche Diskussion zum TAB-Zukunftsreport mit namhaften Vertretern aus Forschung und Entwicklung, verschiedenen Bereichen der gesundheitlichen Versorgung, der Bio- und Medizinethik sowie den Mitgliedern des Bundestages und der interessierten Öffentlichkeit ist für den 27. Mai 2009 in Vorbereitung. Weitere Hinweise zur Veranstaltung stehen unter http://www.tab-beim-bundestag.de/de/aktuell.htm zur Verfügung. Die Anmeldung erfolgt über das Ausschusssekretariat (http://www.bundestag.de/ausschuesse/a18/kontakt.html).

 

 

E-Petitionen: Neue Möglichkeiten der bürgerschaftlichen Teilhabe

Im Jahr 2007 hat der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages den Modellversuch „Öffentliche Petitionen“ gestartet. Dadurch wurde es möglich, Petitionen elektronisch zu übermitteln, sie nach Prüfung im Internet zu veröffentlichen, innerhalb von sechs Wochen durch andere Bürger mitzuzeichnen, in einem Onlineforum zu diskutieren sowie nach Abschluss des Verfahrens den Beschluss des Petitionsausschusses mit Begründung im Internet zu veröffentlichen. Für den Petitionsausschuss, der bis dahin keine öffentliche Bearbeitung und Dokumentation kannte, war dies ein bedeutender Modernisierungsschritt, der im Rahmen eines TA-Projekts durch das TAB begleitet wurde.

Folgende Beobachtungen wurden im Rahmen des Projekts gemacht:

Im Kontext einer Diskussion um eine stärkere bürgerschaftliche Teilhabe an parlamentarischen Prozessen unter Nutzung des Internets erscheinen elektronische Petitionssysteme besonders geeignet und erfolgreich zu sein, weil dort das Bürgerengagement auf ein etabliertes Verfahren trifft, das ohnehin auf die Bearbeitung von Eingaben vorbereitet ist.

Wesentliche Ergebnisse des TAB-Projekts „Öffentliche und elektronische Petitionen und bürgerschaftliche Teilhabe“ wurden durch Projektleiter Ulrich Riehm in der Sitzung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am 4. März 2009 präsentiert. Die Vorsitzende sowie die Obleute des Petitionsausschusses nahmen ebenfalls an dieser Sitzung teil und beteiligten sich rege an der Diskussion. Nach einstimmiger Abnahme wurde der dazugehörende TAB-Arbeitsbericht Nr. 127 zur Veröffentlichung auch als Bundestagsdrucksache bestimmt.

Die Bearbeitung der Themen E-Petitionen, Bürgerpartizipation und E-Demokratie wird im Sommer dieses Jahres in einem Nachfolgeprojekt des TAB fortgeführt (siehe TAB-Brief Nr. 34, S. 34f.). Informationen für die Vergabe von Gutachten werden im Mai auf der Webseite des TAB und des ITAS veröffentlicht.

 

 

Internationales Interesse an der Arbeitsweise des TAB

Im Zuge einer Studie der OECD über die Regulierungsfähigkeit der 15 ursprünglichen Mitgliedsstaaten der EU besuchte am 11. März 2009 eine hochrangig besetzte Expertendelegation den Deutschen Bundestag, um sich umfassend über dessen Arbeit zu informieren. In diesem Rahmen hatte das TAB Gelegenheit, in einer Präsentation die Rolle und Bedeutung der Technikfolgenabschätzung im legislativen Prozess darzulegen und mit den Experten zu diskutieren.

Des Weiteren hatte das TAB im Dezember 2008 einen Mitarbeiter des japanischen und im März 2009 einen des ugandischen Parlaments zu Gast. Ziel des Gedankenaustauschs war es, gegenseitig von den Erfahrungen in den verschiedenen Ländern zu lernen und zu profitieren und einen kleinen Beitrag zum Capacity Building für Technikfolgenabschätzung zu leisten.

 

 

Weitere TAB-Berichte im Bundestag

Der TAB-Arbeitsbericht Nr. 123 „Energiespeicher – Stand und Perspektiven“ wurde am 21. Januar 2009 im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (ABFTA) abschließend beraten und zur Kenntnis genommen. Der TAB-Arbeitsbericht Nr. 124 „Gendoping“ wurde am 25. März 2009 abschließend beraten. Der federführende Sportausschuss hat ihn zusammen mit einer Beschlussempfehlung verabschiedet. Die darin formulierten Aufforderungen an die Bundesregierung folgen weitgehend den Handlungsoptionen im TAB-Bericht. Die Berichte sind als Bundestagsdrucksachen 16/10176 bzw. 16/9552 erschienen.

Am 28. Januar 2009 erfolgten die Präsentation und Abnahme des Zukunftsreports „Individualisierte Medizin und Gesundheitssystem“ durch die Projektleiterin Bärbel Hüsing im ABFTA. Er ist als TAB-Arbeitsbericht Nr. 126 und als Bundestagsdrucksache 16/12000 erschienen.

Der TAB-Arbeitsbericht Nr. 128 „Transgenes Saatgut in Entwicklungsländern – Erfahrungen, Herausforderungen, Perspektiven“ wurde vom ABFTA am 25. März 2009 zur Veröffentlichung als Bundestagsdrucksache abgenommen. Die Präsentation der Projektergebnisse ist für April 2009 geplant.

 

 

Neue Veröffentlichungen

TAB-Arbeitsbericht Nr. 126: „Individualisierte Medizin und Gesundheitssystem“ (Juni 2008; Verfasser: Bärbel Hüsing, Juliane Hartig, Bernhard Bührlen, Thomas Reiß, Sibylle Gaisser)
Die individualisierte Medizin könnte die Gesundheitsversorgung in etwa 15 bis 20 Jahren wesentlich prägen und alle Stufen der Leistungserbringung – von der Prävention über (Früh-)Diagnostik bis zu Therapie und Nachsorgemonitoring – durchdringen. Sie birgt das Potenzial, anspruchsvollere Qualitäts- und Kostenziele in der Gesundheitsversorgung zu erreichen, indem sie medizinische Leistungen bereitstellt, die spezifischer als bisher an das Individuum angepasst sein werden. Im TAB-Zukunftsreport „Individualisierte Medizin“ wurden erstmals die relevanten wissenschaftlich-technischen Entwicklungslinien integriert betrachtet. Die Erkenntnisse und Technologien aus der Genomforschung, dem Tissue Engineering, der Stammzellforschung und der Nanomedizin werden im Hinblick auf ihre Potenziale und Herausforderungen für eine individualisierte Medizin untersucht. Da es in diesen Bereichen zurzeit noch wenige anwendungsnahe Entwicklungen gibt, bleiben auch die Konturen einer solchen Medizin, ihre Möglichkeiten und Grenzen noch teilweise unscharf. Dennoch ist es aus gesellschaftlicher und politischer Perspektive wichtig, sich frühzeitig mit der Frage zu befassen, ob und wie Produkte und Verfahren der individualisierten Medizin in die Gesundheitsversorgung integriert werden könnten. Der TAB-Zukunftsreport ist in Zuschnitt und thematischer Ausrichtung auf die Gesundheitsversorgung in Deutschland und auch international einzigartig. Die Zusammenfassung des Berichts ist im Internet unter http://www.tab-beim-bundestag.de/de/projekt/zusammenfassung/ab126.htm, der Bericht als pdf-Datei unter http://www.tab-beim-bundestag.de/de/arbeitsberichte.htm abrufbar. Die gedruckte Form des TAB-Arbeitsberichtes ist bereits vergriffen.

TAB-Arbeitsbericht Nr. 127: „Öffentliche elektronische Petitionen und bürgerschaftliche Teilhabe“ (April 2009; Verfasser: Ulrich Riehm, Christopher Coenen, Ralf Lindner, Clemens Blümel)
Durch die Einführung von elektronischen Petitionen wollte der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages den Bürgern eine neue Möglichkeit der bürgerschaftlichen Teilhabe eröffnen. Die erst im Modellversuch „Öffentliche Petitionen“ begonnene und inzwischen in den Regelbetrieb überführte Erweiterung des Petitionssystems wurde im Rahmen eines TA-Projekts durch das TAB begleitet. Untersuchungsschwerpunkte bildeten die Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit des Softwaresystems und dessen technische und verfahrensmäßige Einbettung in das (informationstechnische) Umfeld des Deutschen Bundestages sowie die Nutzung und Bewertung durch Öffentlichkeit, Petenten, Bundestagsverwaltung und Politik. Darüber hinaus wurden auch andere Eingabe-, Beschwerde- und Schlichtungsstellen national und international vergleichend analysiert. Von besonderem Interesse waren die durch das Internet möglichen partizipativen und diskursiven Verfahrenselemente. Das TA-Projekt leistete so einen doppelten Beitrag: Einerseits wurden für ein wichtiges E-Demokratieprojekt des Deutschen Bundestages konkrete Empfehlungen zu seiner Fortführung erarbeitet; andererseits lieferte die Analyse der nationalen und internationalen Einführung und Nutzung von E-Petitionssystemen einen Diskussionsbeitrag zur Internetnutzung in der Politik im Allgemeinen und durch Parlamente im Besonderen. Die Zusammenfassung des Berichts steht im Internet unter http://www.tab-beim-bundestag.de/de/projekt/zusammenfassung/ab127.htm zur Verfügung. Die Buchveröffentlichung in der bei der edition sigma erscheinenden Reihe der Studien des Büros für Technikfolgen-Abschätzung ist in Vorbereitung.

(Katrin Gerlinger)